Berlin. Eine chronische Krankheit kann die Berufschancen beeinträchtigen. Mehrwöchige Therapien sollen helfen, doch vielen sind sie unbekannt.

Lena Meier (Name geändert) ist elf Jahre alt. Seit ihrer Geburt hat sie Neurodermitis, eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Ihre Mutter Odette hat vieles probiert, die Beschwerden zu lindern, dieses ewige Jucken und Kratzen. „Ich muss zugeben, ich hatte die Nase beinahe voll“, sagt sie.

Dann entwickelte Lenas Ärztin eine Idee: Die Meiers sollten es doch mit Rehabilitation probieren, kurz Reha – ein mindestens vierwöchiges Therapieprogramm in einer Klinik.

Im vergangenen Mai hat Lena Meier eine Reha in Bad Frankenhausen (Thüringen) gemacht. „Das Jucken ist bedeutend weniger geworden“, berichtet die Mutter. Ihre Tochter brauche derzeit keine Kortisonsalbe mehr. Bezahlt wurde der Klinikaufenthalt von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Sie hat ebenso wie die Krankenversicherungen spezielle Programme für chronisch kranke Kinder und Jugendliche.

Wie viele Kinder und Jugendliche sind chronisch krank?

Jedes sechste Kind und jeder vierte Jugendliche in Deutschland leidet nach Informationen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte unter einer chronischen Erkrankung: Allergien, Asthma, Neurodermitis, chronische Darmentzündungen, Unverträglichkeiten (Zöliakie) und Diabetes führten die Statistik an.

Aber auch angeborene Herzfehler, Epilepsien, Rheuma, psychische Auffälligkeiten oder Krebs gehören zum Spektrum chronischer Krankheiten bei Heranwachsenden.

Was sind die Folgen?

Chronische Krankheiten bilden sich nicht ohne Weiteres zurück. Mitunter sind sie unheilbar. Sie führen zu Schmerzen, aber auch zu Alltagsproblemen – Schlafverlust, Konzentrationsstörungen, Fehlzeiten in der Schule.

Daraus resultieren oft schlechtere Entwicklungschancen in Ausbildung und Beruf. „Folgeerkrankungen können sich auf die spätere Erwerbsfähigkeit negativ auswirken“, sagt Hans-Werner Veen, Reha-Experte der DRV-Selbstverwaltung. Das wiederum hat Folgen für den weiteren Lebensweg, für Einkommen, Sozialisation, Psyche.

Wann können Kinder oder Jugendliche eine Reha bekommen?

Eine Kinder- oder Jugend-Reha kann bis zum Alter von 18 Jahren in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus höchstens bis zum 27. Lebensjahr für die Zeit einer Schul- oder Berufsausbildung, eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres oder Bundesfreiwilligendienstes. „Leider nutzen noch immer zu wenige junge Menschen die Angebote“, sagt Veen.

2018 wurden seinen Angaben zufolge etwa 18.400 der 26.120 bei der DRV gestellten Anträge genehmigt.

Voraussetzung für eine Reha ist die medizinische Notwendigkeit, die ein Arzt mit einem aktuellen Befund nachweisen muss. Darüber hinaus muss ein Elternteil des Kindes die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen: Mutter oder Vater müssen etwa in den letzten zwei Jahren vor dem Reha-Antrag für sechs Monate versichert beschäftigt gewesen sein.

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Wer trägt die Kosten?

Renten- oder Krankenversicherung. „Eltern können entscheiden, von welchem Träger sie die Leistung für ihr Kind erhalten wollen“, sagt Veen. Zuzahlungen sind laut DRV nicht zu leisten.

Wann und wie bekommen Betroffene ihren Reha-Platz?

Laut Rentenversicherung dauert es meist bis zu drei Monate, bis die Kinder ihren Platz zugewiesen bekommen. In Notfällen kann es nur zwei bis drei Wochen dauern, in Ausnahmen aber auch sechs Monate. In welche Klinik die Kinder und Jugendlichen kommen, bestimmen Renten- oder Krankenversicherung. Eltern können einen Wunsch äußern zu Region, Ort und Klinik.

Was ist Ziel der Reha?

Ziel ist eine passgenaue Behandlung für Körper und Seele, damit Kinder und Jugendliche in Schule oder Ausbildung den Anschluss halten. Möglich ist dabei auch eine zeitgleiche Reha für Kinder, Jugendliche und deren Eltern. Die möglichen zu rehabilitierenden Krankheiten bei Erwachsenen reichen hier von Anpassungsstörungen über Bandscheibenschäden bis hin zu Diabetes. Die Kostenträger arbeiten mit entsprechend spezialisierten Kliniken zusammen.

Darf ein Elternteil auch ohne Kombi-Reha mit in die Klinik?

Auf Antrag übernehmen Renten- und Krankenversicherung die Kosten für eine Begleitperson für Kinder bis zwölf Jahre. Sie zahlen neben Reisekosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung in der Klinik auch für einen Verdienstausfall. Bei Kindern ab zwölf Jahren können die Kosten für eine Begleitperson nur übernommen werden, wenn die Begleitung aus medizinischen Gründen erforderlich ist.

Des Weiteren können Kosten für eine Haushaltshilfe übernommen werden, etwa wenn ein weiteres Geschwisterkind unter zwölf Jahren im Haushalt lebt, das nicht durch ein Elternteil oder eine andere im Haushalt lebende Person versorgt werden kann. Damit Schulkinder nicht zu viel versäumen, erhalten sie Unterricht in allen Hauptfächern.

Was ist das Fazit von Mutter Odette Meier?

„Ich habe mit solch guten Therapieergebnissen nicht gerechnet“, sagt Meier. Das Wichtigste sei gewesen, dass ihre Tochter ein neues Verständnis für die Krankheit bekommen habe. Sie sei selbstständiger geworden und die ewigen Streitereien über Disziplin und Hautpflege hätten aufgehört. „Die Kinder haben auch gelernt, dass sie nicht schuld sind an der Krankheit. Das hat uns sehr geholfen.“