Berlin. Nierenversagen ist derzeit die achthäufigste Todesursache bei Frauen. Was sind die Gründe dafür? Und wie kann man dem vorbeugen?

Siebeneinhalb Jahre ist es her, dass der jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seiner schwerkranken Frau Elke Büdenbender eine Niere spendete. Ihr Gesundheitszustand hatte sich zugespitzt. Die Operation gelang. „Für meine Frau beginnt so etwas wie ein zweites Leben“, sagte Steinmeier im Oktober 2010.

Der Weltnierentag am 8. März nimmt diesmal besonders die Frauen in den Blick. Der Grund dafür sind alarmierende Zahlen: Die chronische Nierenkrankheit (CKD) mit den Folgen von Nierenversagen bis hin zum vorzeitigem Tod betrifft laut aktuellen Angaben der Universität in Washington weltweit etwa 195 Millionen Frauen. Mit fast 600.000 Todesfällen pro Jahr ist sie derzeit die achthäufigste Todesursache bei weiblichen Patienten.

Die Hintergründe sind vielfältig. Und sie führen vor allem dazu, dass Frauen in Ländern erkranken, in denen das Gesundheitssystem nicht so gut entwickelt ist wie in Deutschland. Dennoch müssen weibliche Patienten auch hierzulande aufmerksam sein.

Blasenentzündungen sind ein Grund

„Frauen leiden häufiger als Männer an Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen Zellstrukturen innerhalb des Körpers, auch in der Niere, und greift sie fälschlicherweise an“, erklärt Professor Andreas Kribben, Direktor der Klinik für Nephrologie (Nierenheilkunde) an der Universitätsklinik in Essen und designierter Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN).

Ein weiterer Grund, der Kribben zufolge häufig zu Nierenerkrankungen führt, sind Blasenentzündungen. „Die Bakterien können durch die Harnröhre der Frau schneller als bei Männern über die Blase und die Harnleiter ins Nierenbecken wandern. Dort sorgen sie für Entzündungen.“

Nierenprobleme häufig bei Schwangeren

Auch Schwangere sind vielfach von Nierenproblemen betroffen: „Wenn die Gebärmutter wächst, kann ein Nierenstau entstehen. Dadurch wird der Abfluss der beiden Harnleiter in die Blase behindert“, sagt Geburtshelfer und Privatdozent Dr. Dietmar Schlembach aus Berlin, der zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) gehört. Wer ein Kind bekommt, kann darüber hinaus von der sogenannten Präeklampsie betroffen sein. Eine Erkrankung, die umgangssprachlich Schwangerschaftsvergiftung genannt wird, weil dabei die Plazenta (Mutterkuchen) nicht ausreichend durchblutet ist.

Auf diese Weise bekommt laut den Experten nicht nur das Kind zu wenig Nährstoffe, für die Mutter besteht zudem eine große Gefahr von bleibenden Nierenschäden. Frauen, die diese Komplikation durchlebt haben, haben laut der DGfN ein dreimal so hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens auf eine Nierenersatztherapie – Blutwäsche oder Transplantation – angewiesen zu sein. Umgekehrt kann eine bereits bestehende Einschränkung der Nierenfunktion bei Schwangeren das Risiko einer Präeklampsie deutlich erhöhen.

Bei bis zu vier von 100 Schwangeren Risiko einer Schwangerschaftsvergiftung

Bei zwei bis vier von 100 Schwangerschaften spielt eine Präeklampsie eine Rolle. Sie wird klinisch erkennbar, wenn der Blutdruck steigt und Eiweiß im Urin festgestellt wird. Eine Verlängerung der Schwangerschaft, etwa mit blutdrucksenkenden Medikamenten, ist möglich, oft bleibt jedoch nur die Entbindung, um diese Erkrankung zu behandeln.

Die Fachärzte für Nephrologie, Gynäkologie und Geburtshilfe haben zum diesjährigen Weltnierentag deshalb einen Flyer entwickelt, der schwangere Frauen über das Krankheitsbild sowie über Therapie und Nachsorge informiert. Er wird ab Mitte März in gynäkologischen und nephrologischen Praxen und Abteilungen ausliegen.

Schaden werden zu Narben an Nieren

Zu den zentralen Risikofaktoren für eine Präeklampsie, aber auch für Nierenkrankheiten generell zählt der Diabetes. „Bei rund einem Drittel aller dialysepflichtigen Patienten ist der Diabetes die Ursache“, sagt Professor Karsten Müssig, Diabetologe, Nephrologe und Endokrinologe (Lehre von den Hormonen) sowie Leiter des Studienzentrums am Deutschen Diabetes-Zentrum.

Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel und Bluthochdruck bilden zusätzlich eine unheilige Allianz, um den stillen Entgiftern im Körper zuzusetzen: „Jeder kleine Schaden an den Nieren bildet eine Narbe und diese Narben sammeln sich im Laufe der Zeit an. Dadurch wird die Nierenfunktion immer weiter verringert“, erklärt Andreas Kribben. Hinzu komme Karsten Müssig zufolge, dass die schützende Wirkung der weiblichen Geschlechtshormone auf das Fortschreiten einer Nierenschwäche beim Diabetes verringert ist.

Blutwäsche bei Frauen häufiger nötig als bei Männern

Die fatalen möglichen Folgen – nämlich das Versagen der Nieren und die Blutwäsche durch Dialyse – erleben Frauen nach Worten von Professor Kribben häufiger als Männer, weil sie in der Regel länger leben. Umso wichtiger wird die Vorsorge von Nierenerkrankungen. Kein leichtes Vorhaben, weil man diese so lange nicht spürt, bis die Entgiftungsorgane quasi ihren Dienst quittiert haben. Auch die Früherkennung einer abnehmenden Nierenfunktion ist wichtig, um rechtzeitig gegensteuern zu können.

Ab dem 35. Lebensjahr ist die Kon­trolle der Nierenfunktion beim Hausarzt oder beim Gynäkologen alle zwei Jahre im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen vorgesehen, sie könnte bei Frauen mit Präeklampsie aber bereits früher geschehen. „Wir können durch den Kreatininwert im Blut und Urinuntersuchungen feststellen, ob die Nieren gesund sind“, sagt Kribben. Er will sich dafür einsetzen, dass entsprechende Tests künftig regelmäßig beim Hausarzt gemacht und von den Kassen bezahlt werden.

Den Lebensstil umstellen

Kreatinin ist ein Abbauprodukt aus der Muskulatur, das durch die Nieren ausgeschieden wird. Ist es im Blut erhöht, ist die Nierenfunktion allerdings schon um mehr als die Hälfte eingeschränkt.

Wer vorsorglich seinen Lebensstil umstellt, indem er zum Beispiel abnimmt und mit dem Rauchen aufhört, kann dieser leisen Entwicklung vorbeugen. Diabetologe Müssig betont: „Das Risiko für eine Diabetes-bedingte Nierenkrankheit lässt sich durch eine normnahe Blutzuckereinstellung deutlich reduzieren.“