Al-Asra. Bundespräsident Steinmeier hat in Jordanien Bundeswehr-Soldaten besucht. Und er sendete deutliche Signale in der Flüchtlingspolitik.

In der kleinen Wellblechhütte liegen Kelim-Teppiche auf dem Boden. Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender ziehen ihre Schuhe aus, setzen sich auf mit Tüchern eingeschlagene Matratzen. Die Bewohner, eine vor vier Jahren aus Syrien geflüchtete Familie, haben ihr provisorisches Heim für die Gäste aus Deutschland hübsch gemacht. Zunächst etwas schüchtern schaut Etab al-Abed das Präsidentenpaar an. Die drei Kinder Bana (6), Ikam (3) und die einjährige Marya schmiegen sich an die Mutter und lächeln. Sie haben schon die Geschenke entdeckt. Malstifte und Bücher, eine Europa-Karte als Holzpuzzle.

Als im syrischen Bürgerkrieg die Bomben auf Daraa fielen, machte sich die Familie auf den Weg nach Jordanien. Nun zählen sie zu den mehr als 36.000 Flüchtlingen, die in dem Hilfslager al-Asrak dauerhaft leben. Es ist der kleine Bruder des großen UN-Camps Zaatari, wo mehr als 100.000 Menschen untergebracht sind. Die 26 Jahre alte Etab ist privilegiert. Sie hat eines von nur 23 Stipendien der Deutschen Akademischen Flüchtlingsinitiative Albert Einstein (DAFI) im Camp ergattert. Damit kann sie in der jordanischen Hauptstadt Amman an der Universität Englisch studieren.

Steinmeier hört „erschütternde Geschichten“

Viele der Syrer, die am Montag bei strahlendem Sonnenschein gekommen sind, um das deutsche Staatsoberhaupt bei seinem fünftägigen Besuch in Jordanien und dem Libanon zu sehen, sind schlechter dran. Keine Jobperspektive für sich und die Kinder. Zehntausende sitzen seit Jahren in den kargen Wüstenlagern fest. Eine rasche Rückkehr nach Syrien, wo nur Teile des Südens als sicher gelten, ist nicht in Sicht, das weiß Steinmeier. Er berichtet von „erschütternden Geschichten, die wir im Gespräch mit den Familien gehört haben“.

Gleichwohl spricht er aus, was zu Hause viele Bürger und insbesondere CDU und CSU in den Koalitionsverhandlungen, wo hart um den Familiennachzug syrischer Flüchtlinge gerungen wird, gern hören dürften: „Ich glaube, die Zeit, in der Flüchtlinge, die hier untergekommen sind, weiterwandern wollen Richtung Europa, das scheint mir eher vorbei zu sein.“

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Anerkennung für Leistung Jordaniens

Am Wollen der Syrer liegt es wohl weniger, sondern am Können. Europa hat die Grenzen dicht gemacht. Steinmeier wiederholte seine Ansicht, man müsse Flucht vor Krieg und Verfolgung einerseits und Migration aus wirtschaftlichen Gründen andererseits trennen. „Um den politisch Verfolgten auch in Zukunft gerecht werden zu können, müssen wir diese Unterscheidung wieder ernst nehmen.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht im Lager Al-Asrak in Jordanien mit einem Flüchtlingskind aus Syrien.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht im Lager Al-Asrak in Jordanien mit einem Flüchtlingskind aus Syrien. © dpa | Steffen Kugler

Nun gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, die vor Ort mit viel Geld und großem Aufwand Fluchtursachen bekämpfen. Nach den USA ist die Bundesrepublik mit 600 Millionen Euro zweitgrößter Geber in Jordanien. So will Steinmeier mit seinem Besuch anerkennen, was das arme sunnitische Königreich auf sich nimmt. In Jordanien leben offiziell mehr als 600.000 Flüchtlinge aus Syrien – und noch einmal so viele unregistriert in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Wüstenstaat.

Jordaniens König besorgt über Trumps Jerusalem-Wende

Siebenmal war Steinmeier als Außenminister in Jordanien, sechsmal im Libanon. So wird er in Amman im Königspalast wie ein alter Bekannter begrüßt. Er freue sich, seinen „treuen Freund“ zu sehen, sagt König Abdullah II.

Während die Ehefrauen, Königin Rania und Frau Büdenbender, sich über Kinderrechte und Bildung unterhalten, kommt bei Steinmeier und dem König die brisante Ankündigung von US-Präsident Donald Trump auf den Tisch, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen. Das beunruhigt den sunnitischen König. Er ist Mittler zwischen Europa, den USA und Saudi-Arabien, das wiederum mit dem schiitischen Iran etwa im Jemen seine Kräfte misst.

Deutsche Tornados werden kaum noch gebraucht

Damit Jordanien „Stabilitätsanker“ bleibt, hilft Deutschland nicht nur bei den Flüchtlingen, sondern liefert Waffen und Ausrüstung. Seit ein paar Monaten ist die Bundeswehr in al-Asra stationiert, nur 20 Minuten vom Flüchtlingscamp entfernt. Weil die Türkei deutschen Parlamentariern Besuche bei den Soldaten verweigerte, wurden vier Tornados und ein Tankflugzeug nach al-Asra verlegt.

Die Tornados sollen mit Spezialkameras letzte Stellungen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) finden. Doch so wirklich gebraucht wird das nicht mehr, seit der IS nahezu besiegt ist. Steinmeier lobt auf der Airbase dennoch den Einsatz der bis zu 300 Soldaten. Einige haben Weihnachten dort verbracht. Er wünsche ihnen noch ein frohes neues Jahr, „ohne Verletzungen“. Die Soldaten klatschen höflich.

Steinmeiers starke Rolle bei der Regierungsbildung

Sie erleben einen selbstbewussten Bundespräsidenten. Das speist sich auch aus der besonderen Rolle, die Steinmeier seit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen spielt. Dank des Grundgesetzes ist dieser Präsident, der nach der Gauck-Ära vor knapp einem Jahr betulich ins Amt startete, nun kraftvoller Herr des Verfahrens. Sollte die GroKo den Segen der SPD-Mitglieder finden, wäre Steinmeier so etwas wie der geistige Schöpfer dieses Bündnisses.

SPD-Chef Martin Schulz machte er klar, dass es mit ihm absehbar keine Neuwahlen geben würde und die SPD mit der Union reden müsse. Mit einer von ihm herbeimoderierten Koalition könnte Steinmeier zum zweiten Mal in der Innenpolitik tiefe Spuren hinterlassen – bei den Hartz-IV-Arbeitsmarktreformen war er hinter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) der Kopf der umstrittenen Agenda 2010.

Steinmeier wirkt neugieriger und zugänglicher als früher

Als Minister versprühte Steinmeier oft den Charme eines Aktenfressers. Nun wirkt er im Team mit seiner Frau zugänglicher, neugieriger auf Land und Leute. In der Al-Quds-Schule im Stadtteil Jabal al-Nuzha liegt Popcorn-Duft in der Luft, als das Präsidentenpaar vorfährt. Die First Lady, die sich als frühere Verwaltungsrichterin mit Asylpolitik auskennt, wird von den Frauen gemustert. Zu blauen Schuhen trägt sie eine weinrot karierte Stoffhose.

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Auf dem mit deutschem Fördergeld aufgemöbelten Pausenhof ist jetzt Party angesagt. Ein Teenie tanzt Breakdance. Andere haben Spaß an Tauziehen oder Tischtennis. Direktorin Ward Youzba­shi lächelt zufrieden. Mit ihrem schwarz-weiß gepunkteten Hidschab ist sie für alle gut zu sehen. Vor 30 Jahren kam sie selbst aus Syrien. Sie leitet eine von mehr als 200 Doppelschicht-Schulen im Land. Vormittags werden bis zu 1200 jordanische Mädchen unterrichtet, nachmittags sind knapp 600 syrische Flüchtlingskinder dran.

Die Steinmeiers wollen sich die Klassenräume nun selbst anschauen. Auf 48 Quadratmetern stehen 42 Stühle. Kalt ist es. Die Kinder tragen Winterjacken. Ein Mädchen zeichnet eine Deutschlandfahne, mit bunten Herzen. Steinmeier lächelt dankbar. Er hat in Jordanien seine Mutmacher-Mission erfüllt – nun sind in Berlin bei der Regierungsbildung andere am Zug.