Berlin. 2015 haben Kunden Lebensversicherungen im Wert von 13,1 Milliarden Euro gekündigt, die meisten mit Verlust. Doch es geht auch anders.

Wer in eine kapitalbildende Lebensversicherung einzahlt, für den gilt: bis zum Ende durchhalten. Nur dann profitiert man voll von den Zinserträgen, die das eingezahlte Kapital über die Jahre angesammelt hat. Das aber klappt nicht immer.

Finanzielle Engpässe zwingen viele dazu, ihre Lebensversicherung zu kündigen und sich mit dem viel niedrigeren Rückkaufswert zufriedenzugeben. Allein im Jahr 2015 haben Kunden Lebensversicherungen im Wert von 13,1 Milliarden Euro gekündigt. Das ist ein Sechstel dessen, was die Versicherer insgesamt ausgezahlt haben. Aber es gibt einen besseren Plan als die Kündigung: die Police verkaufen.

Zwei bis fünf Prozent zusätzlich für Verkäufer

Die Lebensversicherung zu verkaufen bedeutet konkret, seine Ansprüche aus dem Vertrag zu veräußern. Der Käufer erwirbt dabei das Recht, bei Ablauf die vereinbarte Summe zu kassieren. Das lassen sich die darauf spezialisierten Unternehmen etwas kosten.

Wer seine Lebensversicherung loswerden möchte, sollte vor der Kündigung über einen Verkauf nachdenken.
Wer seine Lebensversicherung loswerden möchte, sollte vor der Kündigung über einen Verkauf nachdenken. © dpa | Jens Büttner

Im Vergleich zum errechneten Rückkaufswert, den der Versicherer bei Kündigung ausbezahlen würde, sind für die Verkäufer zwei bis fünf Prozent zusätzlich drin. Aus 25.000 Euro Rückkaufswert können so 26.250 Euro werden, die der Weiterverkauf einbringt. Diesen Aufschlag kann es nur geben, weil die Versicherungsaufkäufer nur Policen mit den besten Renditechancen nehmen.

Mehr als die Hälfte der Policen findet Abnehmer

Klar ist: Firmen wie Cashlife, CFI Fairpay, Life Bond, Partner in Life und Police Direkt, die als Aufkäufer auf dem Zweitmarkt für Lebensversicherungen in Erscheinung treten, erwerben die Policen als Investition, die Rendite bringen muss. Immerhin findet mehr als die Hälfte der zum Verkauf angebotenen Lebensversicherungen tatsächlich einen Abnehmer.

Vor dem Kauf wird genau berechnet, ob sich die angebotene Versicherung lohnt. Entscheidend dabei ist, wie hoch die prognostizierte Rendite ist und wie lange die Police noch bis zur Fälligkeit mit der Zahlung von Beiträgen bedient werden muss.

Ältere Lebensversicherungen sind interessanter

Je länger die Versicherung schon läuft, desto besser für den Käufer: Der Versicherungsnehmer hat den Großteil der Gebühren in den ersten Jahren der Laufzeit gezahlt, während die Beiträge der Käufer stärker in die Rendite fließen. Ältere Versicherungen sind auch deshalb so interessant, weil sie mit einem höheren Garantiezins verbunden sind.

Bei Lebensversicherungen etwa, die zwischen Mitte 1994 und Mitte 2000 abgeschlossen wurden, betrug der Garantiezins noch vier Prozent, bis Ende 2003 noch 3,25 Prozent und bis Ende 2006 noch 2,75 Prozent. Mit Verträgen, die nach 2006 abgeschlossen wurden, dürfte man es nicht ganz so einfach haben, auf dem Zweitmarkt Interessenten zu finden.

Unsicherheitsfaktor bei fondsgebundenen Policen

Nicht nur für die „frischen“, auch für fondsgebundene Lebensversicherungen dürften sich schwerer Aufkäufer finden. Anders als bei der klassischen kapitalbildenden Versicherung schwankt der Wert der Police in Abhängigkeit vom Börsengeschehen. Dieser Unsicherheitsfaktor führt beim Kaufpreis zu einem Abschlag. 95 Prozent des Rückkaufswertes sollten sich aber erzielen lassen.

Am begehrtesten sind ältere Lebensversicherungen bei den Käufern.
Am begehrtesten sind ältere Lebensversicherungen bei den Käufern. © dpa | Jens Büttner

Dennoch ist der Zweitmarkt, der nach der Finanzkrise ziemlich zusammengebrochen war, wieder auf dem Weg nach oben. „Die Ankaufswahrscheinlichkeit ist deutlich gestiegen“, sagt Ingo Wichelhaus, Vorstand des Bundesverbands für Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL), in dem zahlreiche Policenaufkäufer organisiert sind. Die BVZL-Mitglieder haben im vergangenen Jahr Versicherungen im Wert von 275 Millionen Euro aufgekauft – ein starker Anstieg gegenüber den 175 Millionen Euro von 2015.

Bei Kündigung bleibt ein Rest-Todesfallschutz

Die dramatische Steigerung hat Gründe: Auf Anbieterseite kommen mehr Investoren in den Markt, auf Kundenseite hat es sich stärker herumgesprochen, dass der Verkauf eine gute Alternative zur Kündigung sein kann. Nicht zuletzt, weil sich die Mitglieder des BVZL einen Leitfaden zur Einhaltung von Mindeststandards gegeben haben. Dazu gehören vor allem die Auszahlung der Kaufsumme als Einmalzahlung und die Möglichkeit, den Todesfallschutz der Versicherung fortzuführen.

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    Für den Verkäufer ist diese Möglichkeit deswegen bedeutsam, weil viele Lebensversicherungskunden Zusatzelemente wie Todesfallschutz und eine Berufsunfähigkeitsversicherung mitgebucht haben. Bei einer Kündigung entfällt dieser Schutz komplett; bei einem Verkauf sieht das anders aus. Wichelhaus: „Ein Rest-Todesfallschutz verbleibt. Von der vereinbarten Summe im Todesfall wird das abgezogen, was bis dahin an Kosten angefallen ist, also der Kaufpreis und die weiterhin gezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen.“

    Nur ältere Verträge sind steuerfrei

    Wenn die „Extras“ der Versicherung weiterlaufen, erspart einem das also unter Umständen, diese Risiken neu versichern zu müssen. Allerdings gehört zur Gesamtrechnung auch die Steuerfrage. Denn die Summe steht einem nicht in allen Fällen „brutto für netto“ zur Verfügung, sondern kann unter Umständen steuerpflichtig sein.

    Wenn der Vertrag ab dem 1. Januar 2005 abgeschlossen wurde, fallen 25 Prozent Abgeltungsteuer an. Nur ältere, also bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossene Verträge bleiben steuerfrei – wenn sie zwei weitere Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen mindestens zwölf Jahre bestanden haben und mindestens fünf Jahre lang bedient worden sein.

    Wann es sich lohnt, die Police zu behalten

    Aber auch wer seine Police steuerfrei und mit fünf Prozent Plus verkaufen kann, verzichtet auf das, was seine schon eingezahlten Beiträge noch an Rendite bringen würden. Die Policen, die für die Aufkäufer besonders interessant sind – die schon lange laufen und nur noch eine geringe Restlaufzeit haben –, sind eben auch diejenigen, die es am ehesten lohnt, sie bis zum Ende der Laufzeit fortzuführen.

    Martin Schulz von der Stiftung Warentest beurteilt die Situation so: „Die Firmen wollen nur attraktive Altverträge kaufen, bei denen der Kunde noch einmal nachrechnen sollte, ob er die Beiträge nicht doch irgendwie aufbringen kann.“