Berlin. Pekings Drohgebärde provoziert die USA. Europa muss seine Interessen definieren – und strategische Industriebereiche besser schützen.

Es ist ein beängstigendes Bild. Das kommunistische China simuliert Raketenangriffe auf ausgewählte Ziele der demokratischen Inselrepublik Taiwan. Gleichzeitig kreuzt ein US-Zerstörer nahe den von Peking beanspruchten Spratly-Inseln. Und Japan entsendet Kampfjets zur Beobachtung des chinesischen Manövers.

Eine martialische Kulisse, initiiert durch die Volksrepublik, die bereits heute über die größte Marine der Welt verfügt. Die militärischen Machtdemonstrationen zeugen von den wachsenden Spannungen zwischen China und den USA, die in einer bestimmten Konstellation den Stoff für eine gewaltsame Konfrontation bergen.

Chinas Staatschef ist ein eiskalt abwägender Machtpolitiker und kein Hasardeur

Einstweilen handelt es sich bei Chinas Kriegsszenarien um eine Drohgebärde. Es ist eine Reaktion auf das Treffen von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy, protokollarisch das dritthöchste politische Amt in Amerika. Peking betrachtet Taiwan als „abtrünnige Provinz“. Es reagiert immer allergischer auf Versuche, den von nur wenigen Ländern diplomatisch anerkannten Staat aufzuwerten.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Chinas Präsident Xi Jinping lässt keinen Zweifel daran, Taiwan mit der Volksrepublik „wiederzuvereinigen“ – notfalls mit Gewalt. Aber Xi ist ein eiskalt abwägender Machtpolitiker und kein Hasardeur. Er beobachtet den ins Stocken geratenen Vormarsch der Russen im Angriffskrieg gegen die Ukraine genau. Aus der Geschlossenheit des Westens und der Zusage von US-Präsident Joe Biden, Taiwan im Falle eines Angriffs zu verteidigen, dürfte er seine Schlüsse ziehen.

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Chinas Außenpolitik ist aggressiver geworden

Dennoch: Chinas Außenpolitik ist aggressiver geworden. Die Volksrepublik lässt in dem für den Welthandel eminent wichtigen Südchinesischen Meer immer öfter ihre militärischen Muskeln spielen. Nachbarstaaten wie Vietnam oder Malaysia werden eingeschüchtert.

Was heißt das für Europa? Die EU ist keine pazifische Macht, braucht deshalb in der Region keine militärische Präsenz. Doch China ist der wichtigste Handelspartner der Gemeinschaft. Über eine zeitgemäße Strategie für den Umgang mit dem aufsteigenden Giganten in Fernost verfügt sie aber noch immer nicht. Zwar nennt sie als Leitplanken Chinas Definition als „Wettbewerber“, „Partner“ und „systemischer Rivale“. Was dies konkret bedeutet, bleibt aber offen.

Absolut kontraproduktiv ist die aktuelle Solonummer von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er warnte beim Konflikt um Taiwan davor, dass die Europäer nicht „Mitläufer“ zwischen dem „amerikanischen Rhythmus“ und einer „chinesischen Überreaktion“ sein sollten. Das sendet ein fatales Signal an die USA, die in der Ukraine auch Schutzmacht Europas sind. Und es produziert einen Riss in der Geschlossenheit des Westens.

Einige deutsche Firmen sind mit Blick auf den Wettbewerb noch immer zu naiv

Die EU – das gilt auch für Deutschland – sollte gegenüber der Volksrepublik keine schrille Megafon-Diplomatie betreiben. Sie muss vielmehr kühl ihre Interessen wahren. China macht dies mit gnadenloser Effizienz vor. Der Globus wird in Absatzmärkte und Knowhow-Spender (Europa, USA. Ostasien) sowie Rohstoff-Lieferanten (Russland, Afrika, Lateinamerika) eingeteilt.

Für die Europäer heißt dies: Sie sollten weiter Handel mit der Volksrepublik treiben, aber strategische Industriebereiche besser schützen. Dies betrifft vor allem die wenigen Sektoren, wo sie noch Weltmarktführer sind. Der Ausverkauf des Augsburger Industrieroboter-Herstellers Kuka 2016 an die Chinesen war ein ökonomischer Sündenfall. Einige deutsche Unternehmen sind beim Wettbewerb mit dem Riesen in Fernost noch immer zu naiv.

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