Ottawa. Die Fachkräfte-Einwanderung soll reformiert werden. In Kanada erzählen Arbeiter zwei SPD-Ministern, warum sie mit Deutschland hadern.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) drücken bei der geplanten Reform der Fachkräfte-Einwanderung und des Staatsangehörigkeitsrechts aufs Tempo. Das Gesetz zur Einwanderung werde „jetzt hoffentlich nächste Woche oder übernächste Woche“ ins Kabinett kommen, sagte Faeser am Montag bei einem gemeinsamen Besuch mit Heil in der kanadischen Hauptstadt Ottawa.

„In wenigen Wochen“ würden dann auch die Vorschläge zum Staatsangehörigkeitsrecht vorliegen, ergänzte die Innenministerin. „Dann haben wir eine zeitliche Nähe zu beiden Gesetzen“, sagte Faeser und betonte, dass aus ihrer Sicht beide Dinge zusammengehören, um Deutschland attraktiver für ausländische Arbeitskräfte zu machen. Lesen Sie auch: Beweist doch endlich, was die Kinder euch wert sind!

Heil sagte: „Wir wissen immer noch nicht genau, ob das alles an einem Tag im Kabinett ist. Aber wir werden in der Ampel dafür sorgen, dass das zeitlich synchronisiert wird und das ist politisch auch richtig.“ Zusammen mit der geplanten Gesetzgebung für eine bessere Aus- und Weiterbildung heimischer Fachkräfte werde das „eine runde Sache“.

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Fachkräftemangel: Deutschland muss attraktiver werden für Arbeitskräfte aus dem Ausland

Die Bundesregierung arbeitet derzeit mit Hochdruck an neuen Regeln, um Deutschland deutlich attraktiver für Arbeitskräfte aus dem Ausland zu machen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) etwa reiste Ende Februar nach Indien, um dort für die Bundesrepublik zu werben. Bereits jetzt können hierzulande in zahlreichen Sektoren offene Stellen kaum noch besetzt werden. Das gilt beispielsweise für das Gesundheitswesen oder die Gastronomie, aber auch die Industrie. Der Mangel an qualifizierten Kräften entwickelt sich zur Wachstumsbremse für Deutschland. Ab Mitte dieses Jahrzehnts dürfte sich die Lage noch einmal dramatisch verschärfen, wenn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Fachleute gehen davon aus, dass Deutschland zur Deckung seines Arbeitskräfte-Bedarfs pro Jahr 400.000 Zuwanderer benötigt.

Beim Staatsangehörigkeitsrecht wiederum ist geplant, dass Ausländer künftig schneller Deutsche werden können. Bisher müssen sie sich dafür in der Regel acht Jahre rechtmäßig in Deutschland aufhalten, künftig sollen fünf Jahre reichen. Auch soll es grundsätzlich möglich sein, die alte Staatsangehörigkeit neben der Deutschen zu behalten. Lesen Sie mehr zum Thema: Lindner wirbt in Ghana um Fachkräfte – das ist die Reaktion

Die Minister Faeser und Heil informieren sich bis einschließlich Dienstag in Kanada gemeinsam über die dortige Migrationspolitik. Das nordamerikanische Land gilt weltweit als führend bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte aus allen Regionen des Planeten. Seit 20 Jahren holt es jedes Jahr gezielt mindestens ein Prozent der Bevölkerung zusätzlich ins Land. Im vergangenen Jahr waren das knapp 432.000 Menschen – so viel wie nie zuvor.

Arbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser sind in Kanada, um sich über das dortige Einwanderungsrecht zu informieren.
Arbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser sind in Kanada, um sich über das dortige Einwanderungsrecht zu informieren. © Britta Pedersen/dpa

Kanada dient Ampel-Koalition als Vorbild

Kanada ist insbesondere bekannt für sein Punktesystem mit Kriterien wie Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und Sprachkenntnissen. Ein derartiges System will die Berliner Ampelkoalition ebenfalls einführen, wobei auch der Bezug des Bewerbers zu Deutschland eine Rolle spielen soll.

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Erreichen Interessenten aus Nicht-EU-Staaten eine bestimmte Punktzahl, erhalten sie mit der „Chancenkarte“ einen gesicherten Aufenthaltstitel und können sich in Deutschland einen Arbeitsplatz suchen. Voraussetzung ist, dass sie während dieser Zeit ihren Unterhalt selbst finanzieren können. Auch die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und Berufserfahrungen soll erleichtert werden.

Heil sagte am Montag in Ottawa, es reiche nicht, neue Gesetze zu machen. Es gehe auch darum, die Verfahren in den Behörden zu beschleunigen. Außerdem brauche es eine echte Willkommenskultur in Deutschland und eine gezielte Werbekampagne, um ausländische Arbeitskräfte anzusprechen. Mehr zum Thema: Fachkräfte: Wie die Ampel Frauen aus der Teilzeit holen will

Ausländische Fachkräfte: Deutschland hat zu viele bürokratische Hürden

Bei Unternehmensbesuchen in Ottawa unterhielten sich die Heil und Faeser am Montag mit zahlreichen Migranten – unter anderem aus Indien, dem Iran oder den Philippinen. Immer wieder war zu hören, dass sich die Kräfte auch eine Ausbildung und eine Arbeitsaufnahme in Deutschland hätten vorstellen können. Im Gegensatz zu Kanada seien die bürokratischen Hindernisse aber viel höher gewesen. Kanada profitiert auch davon, dass Menschen rund um den Globus die beiden Landessprachen Englisch und Französisch sprechen. Die deutsche Sprache gilt als Hindernis für Arbeitsmigranten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sprechen in Kanada mit Arbeitskräften: Das kanadische Einwanderungssystem gilt den SPD-Ministern als Vorbild für Deutschland.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sprechen in Kanada mit Arbeitskräften: Das kanadische Einwanderungssystem gilt den SPD-Ministern als Vorbild für Deutschland. © Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Innenministerin Faeser sagte am Montag, das Beispiel Kanada zeige, dass auch die Perspektive einer Einbürgerung zur erfolgreichen Anwerbung von ausländischen Fachkräften gehöre. „Ich glaube, dass würde uns in Deutschland auch sehr helfen, qualifizierte Leute zu finden. Wir brauchen sie, um den Wohlstand in Deutschland zu sichern.“ Auch interessant: Kommentar: Der Westen verliert Macht: Was Deutschland jetzt tun muss

Während die Pläne Faesers und Heils für eine erleichterte Arbeitskräfte-Einwanderung in der Ampel-Bundesregierung nicht umstritten sind, hatte die FDP Bedenken mit Blick auf die geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts geäußert. Die Liberalen stört, dass Faeser älteren Ausländern der Gastarbeiter-Generation eine Einbürgerung ohne speziellen Test und ohne schriftliche Sprachprüfung ermöglichen will.

Die Union im Bundestag wirft der Ampel sogar vor, mit der Verkürzung der Wartefristen die deutsche Staatsbürgerschaft „verramschen“ zu wollen. Mit Blick auf die Einwanderung von Arbeitskräften waren von der Union zuletzt aber eher konstruktive Signale zu hören.