Berlin-Wahl, zweite Runde: Wenn die Bewohner der Hauptstadt am Sonntag wählen gehen, ist ihnen die Aufmerksamkeit der Bundespolitik sicher. Denn es geht um einen Prestige-trächtigen Rathausposten, Großstadt-Kompetenz und die Hoffnung auf Trendwenden.
Berlin-Wahl: CDU-Sieg würde Merz Rückenwind verleihen
Ein Wahlsieg in der Bundeshauptstadt wäre Balsam für die Nerven von CDU-Chef Friedrich Merz: Zwischen „kleinen Paschas“ und Hans-Georg Maaßen machte die Bundespartei zuletzt weniger mit Inhalten als mit Personalien und Patzern von sich reden. Ein Wahlsieg in Berlin, wie er nach Lage der Umfragen derzeit wahrscheinlich scheint, wäre da willkommen: CDU-Chef Merz könnte sich damit schmücken, dass die Partei „auch Großstadt kann“. Wenn es hinterher noch mit einem Regierungsbündnis klappen würde, würde der Berliner Spitzenkandidat Kai Wegner Geschichte schreiben, raunen Parteivordere. Im roten Berlin hat die CDU seit 22 Jahren nicht mehr den regierenden Bürgermeister gestellt.
Stefan Evers, Generalsekretär der CDU Berlin, ordnet für unsere Redaktion ein: „Natürlich hat diese Wahl auch eine Bedeutung über Berlin hinaus. Immerhin geht es um den künftigen Senat der Bundeshauptstadt. Und natürlich auch um die Frage, wir die CDU in großen Städten erfolgreich sein kann.“ Deshalb habe man mit Unterstützung der Bundes-CDU einen modernen Wahlkampf geführt.
Die SPD hat viel zu verlieren
Die SPD führt acht der 16 Landesregierungen. Franziska Giffey ist eine von vier sozialdemokratischen Ministerpräsidentinnen. Das Rote Rathaus und somit die Hauptstadt werden rot regiert. Auf all das sind die Sozialdemokraten stolz. Für die SPD ist es also in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung, dass Giffey Regierungschefin bleibt.
Zumal die frühere Bundesministerin immer noch als eine Kandidatin in der SPD gilt, wenn es mal um höhere Aufgaben gehen sollte. Der stoische Kanzler Olaf Scholz wird sich in seiner Arbeit nicht davon beeindrucken lassen, sollte Giffey ihr Amt verlieren. Für seine Partei wäre dies jedoch der denkbar schlechteste Start ins Wahljahr.
„Bitte wenden“ – die FDP hofft auf eine Trendumkehr auch im Bund
Sebastian Czaja hofft auf eine 180-Grad-Wende. Der FDP-Spitzenkandidat hängt auf seinen Wahlplakaten kopfüber nach unten und fordert die Berliner auf: „Am 12. 2. bitte wenden. Berlin zum Besseren.“ Ein Wunsch, den sein Parteichef teilt. Vor allem die Sache mit der Wende.
Nach vier verlorenen Landtagswahlen im vergangenen Jahr braucht Christian Lindner einen Erfolg. Ein solides Ergebnis, besser noch: eine Regierungsbeteiligung. Doch die liberale Zeitenwende ist alles andere als sicher. Spätestens als eine Umfrage kurz vor der Wahl die Partei bei fünf Prozent sah, dürfte Lindner ein Deja-Vu erlebt haben. Seit die FDP im Bund in der Ampel regiert, fährt sie in den Ländern Niederlagen ein, fliegt mal aus der Regierung, mal ganz aus dem Parlament.
Lindner würde politisch auch einen fünften Misserfolg überstehen. Allein, weil seine Partei niemanden hat, der ihm sein Amt strittig macht. In der Ampel jedoch dürfte sich die Zoff-Frequenz erhöhen. Die FDP neigt dazu, auf Niederlagen reflexhaft mit Egotrips zu reagieren.
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Grüne verzweifeln erneut am Wahlkampf
Mit großen Hoffnungen gestartet, um dann unter den Erwartungen zu bleiben: Es ist ein Muster, dass sich in grünen Wahlkämpfen und -ergebnissen immer wieder lesen lässt, etwa beim ersten, missglückten Versuch, eine Regierung für Berlin zu wählen. Und auch beim zweiten Anlauf zeichnet sich ab, dass das Rote Rathaus kein grünes wird. Da hilft offenbar auch der Bundestrend nicht, der deutlich positiver ist als noch im Herbst 2021.
Eigentlich hatten die grünen Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour gehofft, bei der ersten Wahl des Jahres nach Winfried Kretschmann eine zweite grüne Regierungschefin auf Landesebene feiern zu können. Falls das nicht klappt, bietet allerdings schon die Hessen-Wahl im Herbst Gelegenheit für den nächsten Versuch.
Linke können auf kurzfristige Erleichterung hoffen – AfD zweistellig
Die Berliner Linken könnten der gesamten Partei am Sonntag ein zuletzt seltenes Erlebnis bescheren: Einen Wahlabend mit guter Laune. Denn anders als auf Bundesebene, wo die Partei sich weiterhin um die Fünf-Prozent-Hürde herumhangelt, sehen die Umfragen die Linken in Berlin im zweistelligen Bereich. Nachhaltige Erleichterung für die Parteispitze um Janine Wissler und Martin Schirdewan dürfte das allerdings nicht bringen – hat die Partei in Berlin Erfolg, dann auch, weil der Landesverband versucht hat, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die tief zerstrittene Gesamtpartei zu bringen. Noch schwieriger als bisher wird es für die Vorsitzenden, wenn das Ergebnis einstellig werden sollte. Es wäre der Beweis, dass nicht einmal erfolgreiche Landesverbände sicher sind vor dem Gift aus dem Bund.
Dass die AfD am Sonntag große Erfolge verkünden wird, steht nicht zu erwarten – die Partei liegt in der Hauptstadt seit langem stabil bei etwa 10 Prozent, nicht drunter, aber eben auch nicht drüber. Die Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel allerdings dürfte das kaum anfechten. Sie haben längst den Blick auf die ostdeutschen Landtagswahlen im kommenden Jahr gerichtet.
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