Berlin. Über den USA wurde ein chinesischer Spionage-Ballon gesichtet. Auch deutsche Politiker zeigen sich alarmiert – und fordern Reaktionen.

Nachdem über den USA ein aus China stammender mutmaßlicher Spionage-Ballon gesichtet wurde, zeigen sich auch deutsche Politiker alarmiert. Der Vorfall verdeutliche, dass China selbst den Luftraum über den USA nicht mehr respektiere, sagte Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, gegenüber "Bild". Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion für Auswärtiges und Verteidigung, Johann Wadephul, bezeichnete den Vorfall als "Warnsignal".

Chinesischer Spionage-Ballon über den USA: Gehen die Informationen auch nach Russland?

Besonders brisant scheint die vermeintliche Spionage angesichts des engen Verhältnisses von China zu Moskau. Mögliche Erkenntnisse könnte durch die chinesische Regierung an Russland weitergegeben werden. CDU-Politiker Brand weist etwa darauf hin, dass Chinas Staatspräsident Xi Jingping zu bilateralen Gesprächen in Moskau erwartet werde. "Wir werden uns auf ein hartes Rennen um die globale Vorherrschaft von Diktatur oder Demokratie einstellen müssen", so der China-Experte. Lesen Sie auch den Kommentar: USA und China – Die Welt braucht keinen neuen Krieg

Ebenfalls in "Bild" forderte der frühere Stabschef im Bundesverteidigungsministerium, Nico Lange (CDU), von der Bundesregierung ein stärkeres Problembewusstsein hinsichtlich Chinas Spionageaktivitäten auch in Deutschland. Die Bundesrepublik müsse über ihre Sicherheitsvorsorge nachdenken, denn China sei in der Spionage und Wirtschaftsspionage "auch in Deutschland sehr aktiv". CDU-Politiker Wadephul forderte die Einrichtung eines "nationalen Sicherheitsrats" nach US-Vorbild in Deutschland.

Verfassungsschutz sieht erhebliche Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste in Deutschland

Von der Bundesregierung gibt es bisher keine Reaktion auf den Zwischenfall in den USA oder die daraus resultierenden Forderungen. Anfang des Jahres hatte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) allerdings betont, dass unter anderem Nachrichtendienste aus China in Deutschland erhebliche Aktivitäten entfalten würden. Mehr zum Thema: Spionage Provokation – Droht ein Krieg zwischen den USA und China?

Kritik an Chinas gibt es auch auf EU-Ebene. So betonte EVP-Chef Manfred Weber im Gespräch mit dieser Redaktion, dass das Verhalten der chinesischen Führung immer aggressiver werde. "Die neuen offensichtlichen Spionageaktionen Chinas gegenüber den USA geben Grund zur Sorge", so Weber weiter. Der Westen stehe in einem "gewaltigen Systemwettbewerb" mit China und müssen seine Kräfte bündeln. Dafür forderte Weber einen engeren Schulterschluss zwischen den USA, der EU und weiteren Verbündeten. Die EU-Staaten müssten sich zudem auf eine gemeinsame China-Strategie einigen.

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Der Ballon war am Freitag unter anderem in der Nähe einer Luftwaffenbasis im US-Bundesstaat Montana gesichtet worden, in der mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen gelagert werden. In den USA wurden daraufhin Forderungen laut, den Ballon abzuschießen. Dem erteilte das Pentagon zunächst eine Absage: Herabfallende Trümmer hätten eine Gefahr für die Menschen am Boden darstellen können.

China weist derweil jegliche Spionage-Vorwürfe zurück und spricht von einem Forschungsballon, der insbesondere für "meteorologische Zwecke" eingesetzt werde und durch "höhere Gewalt" vom Kurs abgekommen sei. "Wir akzeptieren keine grundlosen Spekulationen und Stimmungsmache", zitierte das Pekinger Außenamt am Samstag den obersten Außenpolitiker Wang Yi aus seinem Telefongespräch mit US-Außenminister Antony Blinken. Der hatte das Eindringen des "Überwachungsballons" in den Luftraum der USA als "inakzeptabel" und "unverantwortlich" bezeichnet und eine geplante China-Reise abgesagt.

Ein Spionageballon schwebte über Montana. Laut China sei es ein „ziviles“ Luftschiff für Forschungszwecke gewesen.
Ein Spionageballon schwebte über Montana. Laut China sei es ein „ziviles“ Luftschiff für Forschungszwecke gewesen. © dpa | Larry Mayer

Am Samstag war zudem ein zweiter Ballon über Lateinamerika aufgetaucht. "Nach unserer Einschätzung ist es ein weiterer chinesischer Spionage-Ballon", erklärte Pat Ryder, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. China warf "einigen Politikern und Medien in den USA" derweil vor, den Vorfall als Vorwand zu benutzen, "um China anzugreifen und zu verleumden". (mit dpa/afp)