Berlin. Spanien hat die Energie- und Inflationskrise gut in den Griff bekommen. Das Land verzeichnet das größte Konjunkturplus seit 20 Jahren.

Die Touristen sind nach der Pandemie – und trotz Ukrainekrieg und Energiekrise – in Massen zurückgekommen: Mallorca, die meistbesuchte europäische Ferieninsel, war im vergangenen Sommer so gut wie ausgebucht. Auch auf den frühlingshaften Kanaren, Europas beliebtestem Winterziel, ist es jetzt rappelvoll. Der Bau von Ferienwohnungen an Spaniens Küsten boomt ebenfalls wieder. Überall im Land zeugt ein Meer von Baukränen davon, dass Spaniens Wirtschaftsmotor auf Hochtouren läuft.

Die jüngsten Zahlen des Statistikamts in Madrid bestätigen dies: Satte 5,5 Prozent legte die spanische Wirtschaft im vergangenen Jahr zu. Damit steht das südeuropäische Land besser da, als die meisten nordeuropäischen Staaten, die neidisch Richtung Pyrenäen schauen. Es ist das größte Konjunkturplus, das in Spanien seit 20 Jahren registriert wurde – Tourismus und Bauindustrie sind die Lokomotiven. In Deutschland wurde das Wachstum in 2022 auf 1,9 Prozent geschätzt, in der gesamten Eurozone auf 3,5 Prozent.

Spanien: Hohes Wachstum, sinkende Arbeitslosigkeit

Sogar Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez war positiv überrascht, als die neusten Daten für jenes Jahr bekannt wurden, das durch Russlands Angriff auf die Ukraine und durch die nachfolgende Energiekrise schwer belastet wurde. „Unser Land kommt besser durch die Krise als die Staaten in unserer Umgebung“, freut sich Sánchez.

Und zwar nicht nur in Sachen Wachstum, das dafür sorgt, dass die chronisch sehr hohe Arbeitslosigkeit in Spanien immer weiter sinkt – sie halbierte sich innerhalb von zehn Jahren auf 13 Prozent. Auch bei der Inflationsbekämpfung leistet Spanien Vorbildliches: Im Dezember 2022 lag die Preissteigerung nur noch bei 5,5 Prozent – in der gesamten EU befand sich laut Eurostat die Rate bei 10,4 Prozent. Im Januar dürfte Spanien nach den ersten vorläufigen Zahlen hinsichtlich der Preiszügelung weiter zu den Musterknaben zählen.

Spaniens Strompreisbremse machte in der EU Schule

Wie haben es die Spanier geschafft, die Inflationsspirale, die im vergangenen Sommer auch im spanischen Königreich zehn Prozent erreichte, herunterzudrehen? Antwort: Vor allem mit staatlichen Eingriffen im Lebensmittel-, Miet- und Energiemarkt – jene Ausgabenbereiche, die bei den Verbrauchern die größten Löcher in Geldbörsen und auf Bankkonten verursachen.

Besonders Spaniens Strompreisbremse macht mittlerweile Schule: Die EU einigte sich, nach den guten Erfahrungen in Spanien, im Dezember ebenfalls auf eine Deckelung. Spanien führte diesen Mechanismus bereits im Sommer 2022 ein und gehört heute zu jenen EU-Ländern mit dem niedrigsten Strompreis. Diese Deckelung sieht vor, dass der Großmarktpreis für jenes Gas, das von den spanischen Kraftwerksbetreibern zur Stromerzeugung verbrannt wird, per Gesetz limitiert wird. Da die Kosten des zur Stromerzeugung benutzten Gases einen entscheidenden Einfluss auf die Preisbildung haben, sanken nach Einführung der Deckelung die Stromtarife spürbar.

Mietpreisbremse: Spaniens Mieten dürfen maximal zwei Prozent im Jahr steigen

Auch bei den Wohnungsmieten, ein weiterer großer Preistreiber, baute Spaniens Regierung eine gesetzliche Bremse ein, die nun ebenfalls in anderen Ländern diskutiert wird. Damit wurde die jährliche Erhöhung der Wohnungsmieten auf maximal zwei Prozent begrenzt. Bis dahin durfte in Spanien die Miete entsprechend der Preissteigerungsrate angehoben werden, was zu massiven Erhöhungen führte und nicht wenige Wohnungsmieter in Bedrängnis brachte.

Anfang 2023 folgte ein weiterer Schritt, um die Bürger vor den Folgen der Inflationskrise zu schützen: Bei Grundnahrungsmitteln wurde die Mehrwertsteuer eliminiert. Brot, Mehl, Milch, Eier, Käse, Früchte, Gemüse und Getreideprodukte wurden dadurch billiger.

Null-Euro-Ticket für S-Bahnen

Die massive staatliche Subvention des öffentlichen Nahverkehrs half gleichfalls bei der Senkung der Inflationsrate: Ein Null-Euro-Ticket für S-Bahnen wurde eingeführt, Bahn- und Bus-Abos wurden landesweit um 50 Prozent billiger. Auf Mallorca und auf den Kanaren ist sogar der gesamte Nahverkehr für die Inselbewohner kostenlos.

„Wir haben 45 Milliarden Euro mobilisiert“, berichtete Sánchez dieser Tage im spanischen Parlament. Für Krisenpakete, die vor allem den Familien, aber auch Unternehmen zugutekommen. Bei der Finanzierung hilft, dass angesichts der blühenden Wirtschaft – aber auch als Nebeneffekt der allgemeinen Preissteigerung – die Steuereinnahmen sprudeln und sich auf Rekordhöhe befinden.

Um die Krisensonderausgaben abzufedern, führte Sánchez‘ Mitte-links-Regierung aus Sozialdemokraten und der Linkspartei Podemos zudem eine befristete Solidaritätsabgabe für Banken, Energiekonzerne und Multimillionäre ein. Sánchez: „Es muss eine gerechte Verteilung der Lasten geben.“