Washington. Lügenbaron George Santos produziert einen Skandal nach dem anderen. Nun soll er Spenden für einen todkranken Hund veruntreut haben.

Ehemalige Soldaten, noch dazu solche, die im Kampf für die Nation schwere Verletzungen in Kauf genommen haben, stehen in Amerika unter besonderem Schutz. Wer mit ihnen Schindluder treibt, den trifft in der Regel die volle Wucht des Strafgesetzbuches. Das könnte bald auch George Santos drohen.

Seit der pummelige republikanische Hornbrillenträger bei den jüngsten Wahlen für den 3. Kongressbezirk in New York ins Kapitol von Washington eingezogen ist, vergeht so gut wie kein Tag, an dem sich der auf brasilianische Wurzel verweisende Jung-Politiker (34) nicht als besonders abgefeimte Version eines Scharlatans erweist. Lesen Sie mehr: US-Präsidentschaft: Nikki Haley macht Trump Konkurrenz

Um sich bei den Wählerinnen und Wählern interessant(er) zu machen, hat sich Santos eine Biografie herbeigelogen, in der von der Schul-Ausbildung bis zur Religionszugehörigkeit so gut wie nichts stimmt. Auch der Name vielleicht nicht. Santos firmierte bereits unter Anthony Devolder. Und Anthony Zabrovsky.

George Santos: Untreue gegenüber einem Veteranen mit krankem Hund

Inzwischen haben die bizarren Lügengeschichten, die von Jimmy Fallon bis Jimmy Kimmel in keiner TV-Spätabend-Talkshow fehlen, strafrechtliche Relevanz.

In einem Fall geht es darum, dass Santos den Veteranen Richard Osthoff übel übers Ohr gehauen haben soll. Osthoff hatte 2016 einen kranken Hund, war mittellos und suchte nach Quellen, um eine dringend notwendige Operation für seinen Vierbeiner bezahlen zu können. Santos bot sich an, über die Spenden-Seite „GoFundMe” Geld einzutreiben. Am Ende kamen knapp 3000 Dollar zusammen. Allein, das Geld landete, wie Osthoff jetzt dem FBI sagte, nie bei ihm. Das Tier starb unbehandelt. Santos habe das Geld für sich abgezweigt. Die Bundespolizei geht seit gestern offiziell dem Verdacht der Untreue nach.

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Der zweite Fall, der ebenfalls durch Medien-Nachforschungen bekannt wurde, ist noch heikler. Für seinen Wahlkampf lieh sich Santos nach eigenen Angaben rund 700.000 Dollar bei einem Privatunternehmen, das angeblich 80 Millionen Dollar verwaltet. Bis heute ist die Spur des Geldes nicht nachvollziehbar. Santos legte erst keine Belege vor.

Jetzt tauchen Dokumente auf, die unter anderem ausweisen, dass Santos' Kampagne Hunderte Kleinstbeträge unter 200 US-Dollar an anonyme Empfänger gezahlt hat. „Absolut ungewöhnlich”, heißt es bei den Wahlaufsichtsbehörden, die vom Justizministerium gerade gestoppt wurden, weil dort eine eigene strafrechtliche Ermittlung eingeleitet wurde.

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George Santos und seine Skandale: Wahlkampfspenden von Cousin eines russischen Oligarchen

Dabei spielt eine seit Ende Dezember bekannte Russland-Connection eine Rolle. Santos bekam mehrere zehntausend Dollar Wahlkampfspenden von einem Cousin des Wladimir Putin nahestehenden russischen Oligarchen Wiktor Wekselberg. Warum? Wieso? Mit welcher Erwartungshaltung? All das ist noch unbekannt, hat aber für den in der Trump-Russland-Affäre bekannten gewordenen ehemaligen FBI-Mann Peter Strzok ein Geschmäckle. Auch interessant: Akten-Skandal: FBI durchsucht Joe Bidens Sommerhaus

Der ehemalige Agent Strzok weist darauf hin, dass Santos mehrfach Kreml-Propaganda in Stellungnahmen über den Krieg in der Ukraine einfließen ließ. Auch dass Santos damit kokettierte, oft in Moskau gewesen zu sein, müsse stutzig machen. Nicht dass Santos von den Russen als Agent angeworben worden sein könnte, dazu sei Santos offenkundig zu einfältig, sagt Strzok, aber selbst ein „nützlicher Idiot” im US-Kongress, der im Zweifel Zugang zu sensiblen Informationen hat, könnte für Moskau interessant sein. Ob diesem Verdacht explizit nachgegangen wird, will das Justizministerium bisher nicht bestätigen.

Die Best-of-Liste der Phantastereien Santos' ändert sich unterdessen im Wochentakt. Im Moment rangiert weit oben, dass Santos' Mutter am 11. September 2001 bei den islamistischen Terror-Anschlägen auf das World Trade Center in New York ums Leben gekommen sei. In Wahrheit war die Dame zu jener Zeit in Brasilien.


Auch dass der nach Scheidung von einer Frau offen schwul lebende Santos bestreitet, jemals als „Drag-Queen” unterwegs gewesen zu sein, erscheint haltlos, seit Videos aus Brasilien aufgetaucht sind, die ihn in Frauenkostümen zeigen. Als es nichts mehr zu leugnen gab, verteidigte sich der Abgeordnete so: Ich war jung und hatte Spaß am Leben.

USA: 80 Prozent fordern Santos' Rücktritt


Was seine Qualifikation angeht, musste Santos bereits die weiße Fahne hissen. Weder hat er am elitären Baruch-College studiert. Und somit dort auch kein Volleyball-Stipendium bekommen. Und ergo auch keine künstlichen Kniegelenke. Auch feierte George Santos als Investment-Fuchs bei Großbanken wie Goldman Sachs oder Citigroup, anders als behauptet, keine Erfolge. In den Personalakten der Konzerne taucht sein Name nicht auf.


Dass George Santos sich dem Publikum als „stolzer Jude” vorstellte, obwohl er Katholik ist, dass seine Großeltern nicht wie behauptet vor dem Holocaust nach Brasilien geflohen waren, hat die jüdische Gemeinde in New York nachhaltig erzürnt.

Der republikanische Abgeordnete George Santos steht wegen Lügen in seinem Lebenslauf in der Kritik.
Der republikanische Abgeordnete George Santos steht wegen Lügen in seinem Lebenslauf in der Kritik. © Wade Vandervort / AFP


Der Baron von Münchhausen-Faktor seiner Vita lässt den für zehntausende Unwahrheiten bekannt gewordenen Ex-Präsidenten Trump fast als Waisenknaben erscheinen. Santos, dem, wo immer er auftaucht, eine Traube von Reportern mit Fragen folgt, verweigert trotzdem beharrlich den Rücktritt, den ihm inzwischen 80 Prozent seiner Wähler nahelegen. Seine Standard-Replik für nachbohrende Journalisten: „Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.”

Die lokale republikanische Parteispitze von Nassau County bei New York möchte Santos am liebsten auf der Stelle politisch exkommunizieren. „Er hat Schande über das Repräsentantenhaus gebracht und wir betrachten ihn nicht als unseren Kongressabgeordneten”, sagt der Vorsitzende Joseph Cairo.

USA: Santos tritt Ausschuss-Posten nicht an


Das sieht Kevin McCarthy, der nach 15 Wahlgängen dann doch noch Sprecher des Repräsentantenhauses gewordene Chef-Republikaner, bisher anders. Bei nur wenigen Stimmen Vorsprung vor den Demokraten kann sich der Kalifornier nicht erlauben, Santos zu demontieren und in die Wüste zu schicken. Lesen Sie auch: McCarthy belohnt Rechtsextreme mit Schlüsselpositionen


„Die Menschen in New York haben ihn gewählt”, stellte McCarthy, ohne rot zu werden, jüngst fest und gab sogar grünes Licht dafür, dass der Newcomer in zwei Ausschüssen Sitz und Stimme bekommt. Diese Posten will Santos bis zur endgültigen Klärung der gegen auf weiteres nicht antreten. Auch interessant: McCarthy-Drama: So schadet das Hin und Her den USA

Unter der Last der Anschuldigungen präzisierte McCarthy später seine Meinung: Würde Santos einer Straftat überführt, werde man ihn aus dem Parlament entfernen.