Berlin. Ein weiteres Treffen der Ampel-Parteien, wieder keine Lösung: Das sind die Streitpunkte zwischen Grünen und FDP bei Verkehr und Klima.

Die einen wollen nicht vorwärts, die anderen nicht zurück: Mehr als drei Stunden hatten SPD, Grünen und FDP am Donnerstagabend zusammengesessen, um endlich rauszukommen aus dem Dauerstreit bei Verkehrsthemen. Ohne Erfolg, am Ende ging man ohne Ergebnis auseinander. Die Ampel-Koalition steckt fest.

Konkret geht es um ein Planungsbeschleunigungsgesetz für Infrastruktur, das das Haus von Verkehrsminister Volker Wissing entworfen hat. Einig ist man sich noch bei der Diagnose: Planungsverfahren für Infrastruktur in Deutschland dauern zu lange, und das soll sich ändern. Die "Deutschland-Geschwindigkeit", die das Land beim Aufbau von LNG-Infrastruktur an den Tag gelegt hat und die Olaf Scholz kürzlich lobte, soll keine Ausnahme bleiben.

Ampel-Koalition streitet über Projektbeschleungigung – Zankapfel Verkehr

Zielmarke ist es, die Dauer von Planungsverfahren um die Hälfte der Zeit zu reduzieren. Helfen soll dabei die Einstufung von Projekten als Vorhaben im "überragenden öffentlichen Interesse", wie es sie schon für den Ausbau erneuerbarer Energien oder eben die Flüssiggas-Terminals gibt.

Schon im nächsten Schritt allerdings endet die Einigkeit. Denn während Wissing (FDP) alle Verfahren beschleunigen will, will Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) priorisieren. Schnellere Verfahren für Brückensanierung, Schienenprojekte und alles, was dem Klima- und Naturschutz dient, ja – schnellerer Neubau von Autobahnen dagegen nicht.

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Wissing argumentiert damit, dass das Volumen von Gütern, die über die Straße transportiert werden, sehr viel höher ist als auf der Schiene, und ahnt eine drohende Deindustrialisierung, wenn die Beschleunigung nicht auch beim Straßenbau greift. Lemke und andere Grüne halten dagegen, ausgerechnet im Verkehr dürfe der Klimaschutz nicht hinten anstehen.

Koalitionsausschuss in Sackgass: FDP fordert schnelleren Straßenbau

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sagte der "taz" nach dem ergebnislosen Koalitionsausschuss, was nicht gehe, sei "im Verkehr, wo wir eine riesige Klimaschutzlücke haben, jetzt erst mal alle Autobahnen schneller bauen." Man müsse priorisieren, "allein schon wegen der Kapazitäten." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dagegen forderte die Grünen auf, einzulenken: "Wer glaubt, es helfe dem Klima, wenn Straßen besonders langsam gebaut werden, ist schief gewickelt."

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Tatsächlich ist es vor allem die generelle Misere beim Klimaschutz im Verkehrssektor, die das Thema mit so großer Spannung auflädt. Wissings Arbeitsbereich ist das größte Sorgenkind der deutschen Klimapolitik, seit 1990 sind die Emissionen kaum gesunken. 2020 rettete nur Corona die Bilanz die Emissions-Bilanz des Sektors, ein Jahr später, als die Menschen wieder mehr unterwegs waren, wurden die im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Ziele prompt gerissen.

Wissings Vorschläge für ein Sofortprogramm zur Kurskorrektur, das das Gesetz für solche Fälle einfordert, ließ der zuständige Expertenrat der Bundesregierung im Sommer schonungslos durchfallen als "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch".

Grüne im Clinch mit Liberalen: Neue Fronten in der Landwirtschaft

Die Grünen, die nach den harten Auseinandersetzungen um Lützerath unter Druck stehen, Erfolge für den Klimaschutz vorzeigen zu können, haben sich nun offenbar entschieden dieses Thema zum Kampfplatz zu machen. Seit Wochen versuchen sie Wissing unter Druck zu setzen – die Fraktion etwa verabschiedete ein "Starter-Paket für mehr Klimaschutz im Verkehr", mit freundlichen Vorschlägen, wie der Koalitionspartner das Thema angehen könnte.

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Gleichzeitig will Umweltministerin Lemke bis 2030 die Förderung für Bio-Kraftstoffe herunterfahren – die Ackerflächen, die für den Anbau verwendet werden, sollen nach ihrem Wunsch stattdessen für die Lebensmittelproduktion genutzt werden. Es ist eine weitere Konfliktlinie mit Volker Wissing, für den es ohne Biosprit noch ein wenig schwieriger würde, seine Klimaziele zu erreichen.

Über diese Ziele allerdings würde die FDP ohnehin gern noch einmal reden. Eine Reform des Klimaschutzgesetzes ist schon im Koalitionsvertrag festgehalten. Geht es nach den Liberalen, würde das Gesetz dabei so umgebaut, dass die starren Sektorziele wegfallen. Das lehnen die Grünen allerdings ab. Keine Bewegung also bei der Planungsbeschleunigung ohne Fortschritt beim Klimaschutz im Verkehr, kein Fortschritt beim Klimaschutz im Verkehr ohne mehr Spielraum beim Klimaschutzgesetz.

CDU-Vize zieht über Koalition und "Klimakanzler" her: "Trauerspiel"

Die Opposition zeigt sich genervt, dass das Regierungsbündnis nicht vom Fleck kommt. Andreas Jung, stellvertretender CDU-Chef, sprach am Freitag von einem "Trauerspiel". Grüne und FDP liegen sich in den Haaren, der selbsternannte Klimakanzler ist abgetaucht und so bleiben die Klimaziele auf der Strecke", sagte Jung, der auch Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz und Energie ist.

Und auch in der Zivilgesellschaft hat man wenig Verständnis für die Verzögerung. "In Deutschland bröckelt die Infrastruktur in allen Bereichen", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, dieser Redaktion. "Vor diesem Hintergrund ist es eine Geisterdiskussion, ob bestimmte Projekte aus Klimaschutzgründen langsamer und dafür andere schneller umsetzen sollte. Eine Republik, die seit Jahren auf Verschleiß fährt, muss überall schneller werden." Das sei allerdings von der Frage zu trennen, wie priorisiert werde. "Wir brauchen mehr Pragmatismus und endlich beherztes Handeln", sagte Landsberg. "Das muss auch ohne Machtwort des Kanzlers funktionieren."