„Wir werden so viel gewinnen, dass euch das Gewinnen aus dem Hals heraushängen wird.” Dieser Satz, gesprochen bei Amtsantritt 2017 im Weißen Haus, fällt Donald Trump brutal vor die Füße. Denn direkt danach gingen die Midterms 2018 für die Republikaner den Bach runter – minus 40 Sitze.
2020 verlor Trump gegen Joe Biden schließlich die Präsidentschaft. 2021 torpedierte er durch seine ich-bezogene Dauerintervention eine Nachwahl im Bundesstaat Georgia, die den Demokraten letztlich die Mehrheit im Senat in Washington bescherte. Und jetzt wieder.
Die Midterm Elections 2022 am Dienstag hat vor allem der ehemalige Präsident vermurkst. Da sind sich viele Republikaner und selbst Trump lange nahestehende Medien wie das „Wall Street Journal” und der Sender „Fox News” einig. Der Vorwurf: eine Personalpolitik, die auf „Showeffekte setzt und nicht auf Substanz”.
Midterms 2022: Trump soll die falschen Kandidaten unterstützt haben
Konkret laut der Vorwurf, der im republikanischen Lager lauffeuerartig Unterzeichner findet: Weil Donald Trump in Schlüssel-Bundesstaaten wie Pennsylvania, New Hampshire und Michigan Dutzende extreme oder mittelmäßige Kandidaten und Kandidatinnen protegierte, hat er einen republikanischen Kantersieg verhindert. Dazu kamen Trumps „Wahl-Leugner”, die bei der Gesamtwählerschaft Kopfschütteln auslösten.
Sarah Matthews, eine ehemalige Pressesprecherin Trumps, lässt sich damit sogar zitieren: Dass die Republikaner „gewinnbare Parlamentssitze” nicht errungen haben, sagt sie, liege daran, dass Trump „qualitativ schlechte Kandidaten gefördert hat”.

Midterms in den USA: Ex-Gouverneur teilt gegen Trump aus
Das hätte eingedenk der für die Republikaner günstigen politischen Rahmendaten – hohe Inflation, große Unbeliebtheit Joe Bidens, ungeklärte Einwanderungsmisere, enorm gestiegene Kriminalität und allemeine Zukunftsangst – nach Überzeugung von Leuten wie Chris Christie nie passieren dürfen.
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Christie ist nicht irgendwer in der Partei. Der Ex-Gouverneur von New Jersey war einst Vertrauter Trumps und ebenfalls Präsidentschaftskandidat. Heute lässt der beleibte Konservative keine Gelegenheit aus, Trump einen mitzugeben. „Es scheint mir, uns sollte das Verlieren aus dem Hals hängen”, sagte er in Richtung des Ex-Präsidenten. Dann folgte noch diese Breitseite: „Trumps politische Instinkte drehen sich nicht um die Partei und nicht ums Land. Sondern nur um ihn selbst.”
Christies Schlussfolgerung: Der 76-jährige Trump sei für 2024 denkbar ungeeignet, um die „Grand Old Party” im Rennen um das Weiße Haus zu vertreten. Christie ist kein einsamer Rufer am Rand. Bei den Republikanern und ihren publizistischen Vorfeld-Organisationen ist seit Dienstag ein Damm gebrochen.
Nach den Midterms: So attackieren ehemalige Unterstützer Trump
„Trump ist der größte Verlierer”, titelte das zum Medien-Imperium von Rupert Murdoch gehörende „Wall Street Journal” und verordnete in mehreren Kommentaren der Partei so etwas wie einen Emanzipations-Prozess – weg von Trump. Im Gegenschnitt lobte die Zeitung konservative Gouverneure wie Brian Kemp (Georgia), Greg Abbott (Texas) oder Mike DeWine (Ohio). Sie hätten mit ihren Siegen unter Beweis gestellt, dass die „Grand Old Party” sehr wohl Erfolg haben könne, wenn sie nicht auf Schaumschläger setze.
Das zum gleichen Konzern gehörende Boulevard-Blatt „New York Post”, einst Trumps Lieblings-Postille, machte sich auf dem Titelblatt in sarkastischer Weise über den Ex-Präsidenten lustig: „Trumpty Dumpty” – das ist die Verballhornung von „Humpty Dumpty” aus dem Buch „Alice hinter den Spiegeln” von Lewis Carroll. Darin geht es um ein dickes Männchen, das nach einem Sturz von der Mauer zerbricht.
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„Ein echter Führer versteht, wenn er zur Belastung geworden ist”
Die Verächtlichmachung dient einem Ziel: bis zur Präsidentschaftswahl 2024 bei den Republikanern einen anderen Kandidaten aufzubauen. Motto: Jeder ist besser als Trump. 45 von 50 konservativen Senatoren, meldet das Portal „Politico”, seien insgeheim auch dieser Meinung. Begründet wird das in sozialen Medien in ungewohnter Auf-ihn-mit-Gebrüll-Manier: „Trump muss weg. Trump reißt die Republikaner in den Abgrund.”
Fast staatsmännisch klingt dagegen Winsome Sears. Die Vize-Gouverneurin des Bundesstaates Virginia war 2020 Vorsitzende einer Lobby-Gruppe von Afro-Amerikanern, die Trumps Wiederwahl unterstützte. „Ein echter Führer versteht, wenn er zur Belastung geworden ist”, sagt die schwarze Politikerin heute, „ein echter Führer versteht, wann es Zeit ist, von der Bühne zu gehen.”
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Trump wehrt sich – mit Lügen und Gegenangriffen
Trump hat die Signale zur Hatz vernommen – und schießt zurück. Seine ureigene Erfolgsbilanz sieht so aus: Über 200 der von ihm zur Wahl empfohlenen Männer und Frauen hätten sicher ins Ziel gefunden, behauptet er, weniger als 20 nicht.
Darunter etwa der Fernseh-Doktor Mehmet Oz, der im für die Mehrheit im Senat zentral wichtigen Bundesstaat Pennsylvania gegen John Fetterman verlor – obwohl der Demokrat noch mit den Folgen eines Schlaganfalls kämpft. Trump, so heißt es, soll für die Pleite seine Gattin Melania mitverantwortlich gemacht haben. Immerhin habe sie Oz ausgesucht.
Volkswahl | Midterms 2022 (Halbzeitwahlen) |
Datum | Dienstag, 8. November 2022 |
Ort | USA |
Gewählt werden | Repräsentantenhaus, 35 der 100 US-Senatoren und in 36 Staaten die Gouverneure |
Gewählt wird | alle zwei Jahre |
Der frühere Pro-Trump-Stratege Caleb Hull lässt sich davon nicht in die Irre führen „Wir brauchen eine Generalüberholung der Partei.” Ron DeSantis sei nach seinem Sieg bei der Wahl in Florida der neue „führende Kopf” und Anwärter auf die Präsidentschaft-Kandidatur.
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Aber Trump denkt nicht daran, sich vom Hof jagen zu lassen. Dem schwindenden Rückhalt der Partei-Funktionäre hält der Rechtspopulist die immer noch große Unterstützung an der Basis entgegen. Dort wünscht man sich – Stand vor den Midterms – mehrheitlich eine dritte Kandidatur Trumps. Ron DeSantis sei „wirklich gut”, sagte ein Republikaner aus Maryland gestern dieser Zeitung, „aber er ist noch jung. Er kann warten”.

Nach den Midterms: Trump plant große Verkündung
Genau das will Trump schon allein wegen der vielen strafrechtlichen Ermittlungen, die gegen ihn laufen, nicht. Am kommenden Dienstag soll in Mar-a-Lago eine große Verkündung stattfinden, kündigte der Ex-Präsident an.
Enge Berater wie Jason Miller wollen das in letzter Minute verhindern. Trump solle seine Kandidatur-Proklamation für 2024 bis nach der Stichwahl in Georgia am 6. Dezember verschieben. Andernfalls könne Herschel Walker, ein für den Senat von Trump ausgesuchter Ex-Football-Star, die Quittung dafür bekommen. Und wieder wäre die Mehrheit im Oberhaus des Kongresses futsch – wie schon 2021.
Trump dürfte dagegen andere Sorgen haben. Er will Ron DeSantis fällen, bevor der zu stark wird. Auf seinem Kurzmitteilungsdienst „Truth Social” wirft Trump dem 44-Jährigen mangelnde „Loyalität und Klasse” vor. DeSantis sei nur ein „durchschnittlicher” Gouverneur, der ohne seine Hilfe gar nicht ins Amts gekommen wäre. Bei der Rekapitulation der Ereignisse lieferte sich Trump dann möglicherweise doch selbst ans Messer.
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Er behauptet, in seiner Präsidentschaft das FBI und die Staatsanwaltschaft 2017 nach Florida geschickt zu haben, um „Stimmzettel-Klau” zu unterbinden und so den ersten Sieg von DeSantis gegen dessen damaligen Kontrahenten Andrew Gillum abzusichern. „Ein klarer Fall für Justizminister Merrick Garland”, urteilen Rechts-Experten in sozialen Medien, „das muss sofort untersucht werden.”
Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.
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