Berlin. Die Ampelkoalition ringt weiter damit, ob sie Waffen direkt in die Ukraine liefern soll. Bei Partnern wie Polen sorgt das für Ärger.

Bundeswehrpanzer direkt in die Ukraine? In der Ampelkoalition droht Streit über die Lieferung schwerer Waffen von Deutschland nach Kiew. Während sich Spitzenpolitiker der Grünen und der FDP für die Idee starkmachten, bremst die SPD.

Hintergrund: Bei dem ursprünglich vorgesehenen "Ringtausch"-Verfahren knirscht es offensichtlich. Nach Beginn des Ukraine-Krieges hatten sich östliche Nato-Partner verpflichtet, Waffen sowjetischer Bauart nach Kiew zu verschicken. Ukrainische Soldaten können diese ohne Zusatzausbildung bedienen.

Als Ersatz sollten sie von Bündnispartnern wie Deutschland westliche Fabrikate erhalten. Die Bundesregierung führte dazu Verhandlungen mit Polen, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Griechenland. Vor allem Warschau übte jetzt scharfe Kritik an der Bundesregierung: Polen habe die Ukraine mit Panzern versorgt, im Gegenzug aber nichts aus Deutschland bekommen, hieß es.

Ukraine-Krieg: Göring-Eckardt erwägt direkte Waffenlieferungen

Außenministerin Annalena Baerbock und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (beide Grüne) räumten nun ein, dass der „Ringtausch“ nicht so funktioniere wie geplant. "Wenn dieser Weg nicht richtig war, dann müssen wir das natürlich reflektieren und schauen, wie wir dann anderweitig aktiv werden können", sagte Baerbock in einem "Bild"-Interview.

Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung auf, schon in den nächsten Tagen neue Wege zu prüfen. "Alternativen gehören auf den Tisch. Etwa, direkt Waffen zu liefern, wenn wir das können", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Sie wäre auch für direkte Panzerlieferungen, "wenn das schneller geht und wir oder andere Partner es können".

Ukraine-Krieg: Keine Signale aus dem Kanzleramt für direkte Lieferungen

Auch die FDP zeigte sich offen für die Entsendung von Panzern nach Kiew. Wenn das Verteidigungsministerium zu der Feststellung komme, dass der "Ringtausch" nicht klappe, "ist das ein Weg aus meiner Sicht zu sagen, ja, dann wird das direkt geliefert", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Deutschlandfunk.

"Wenn das für die Partner problematisch ist, sollten wir den Ringtausch einstellen und direkt an die Ukraine liefern – gegebenenfalls auch den (Kampfpanzer) Leopard 2. Die Zeit drängt", betonte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Ähnlich äußerte sich der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt.

Dagegen lehnte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, eine direkte Belieferung der Ukraine kategorisch ab. "Unser derzeitiger Bestand an Leopard-2-Panzern beträgt nur rund zehn Prozent dessen, was wir noch gegen Ende des Kalten Kriegs besessen haben", sagte Schmid unserer Redaktion.

Eine direkte Panzerlieferung aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine könnte Deutschlands Fähigkeit zur Bündnisverteidigung schwächen, auf die gerade unsere östlichen Partner angewiesen sind. Deutschland sei weiterhin "in enger Abstimmung mit den anderen Verbündeten", um über Waffenlieferungen zu entscheiden.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Warschau soll ältere Panzer abgelehnt haben

Die polnische Regierung hatte in den vergangenen Tagen ihrem Ärger über angeblich nicht eingehaltene Zusagen aus Berlin Luft gemacht. In Warschau verlangt man Kompensation für die Lieferung von mehr als 200 sowjetischen T-72-Panzern in die Ukraine. Ein deutsches Angebot über die Bereitstellung von 20 Leopard-Panzern des Typs 2A4 wies die polnische Regierung als unzureichend zurück.

Man benötige mindestens 44 Panzer, um ein Bataillon ausstatten zu können, unterstrich Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak. Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek hatte zuvor im "Spiegel" von einem "Täuschungsmanöver" Deutschlands gesprochen.

Aus dem deutschen Verteidigungsministerium heißt es, dass Polen schon in einer frühen Phase der Verhandlungen 100 verfügbare Panzer vom Typ Leopard 1 in gutem Zustand angeboten worden seien. Warschau habe diese jedoch als zu alt abgelehnt. Beide von Deutschland angebotenen Leopard-Varianten sind älterer Bauart. Der erste Prototyp des Kampfpanzers Leopard 1 stammt aus dem Jahr 1963, der erste Leopard 2A4 wurde 1979 an die Bundeswehr ausgeliefert. Die modernste Version ist der 2A7+ aus dem Jahr 2010.

Die Bundeswehr selbst sieht sich nicht in der Lage, Panzer aus ihren Beständen im Zuge eines "Ringtauschs" abzugeben. Das Gerät müsse aus den Lagern der Industrie kommen, hieß es. Dem Vernehmen nach laufen Gespräche zwischen Bundesregierung, Industrie, Zulieferern und den Partnern darüber, wann welche Panzer weitergegeben werden können.

Nato: Bisher keine Panzer westlicher Bauart geliefert

Aus dem Kanzleramt kommen bisher keinerlei Signale, dass die direkte Lieferung von Panzern eine Option sein könnte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat bisher stets darauf verwiesen, dass Deutschland nicht im Alleingang neue Waffengattungen bereitstellen werde. "Wir orientieren uns immer bei dem, was wir machen, an den Lieferungen der Verbündeten, insbesondere den USA. Und das werden wir auch weiter tun", hatte Scholz beim Nato-Gipfel gesagt. Bisher hat kein Nato-Verbündeter Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine geliefert – auch die USA nicht.

Entlastung gab es bei der Lieferung von Luftabwehrpanzern. Am Montag trafen die ersten drei von 15 Gepard-Panzern der Bundeswehr in der Ukraine ein, die im Juli geliefert werden sollten. Dazu seien auch mehrere Zehntausend Schuss Munition übergeben worden, erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Insgesamt sollen bis Ende August 30 Geparden verschickt werden.

Dieser Text erschien zuerst auf waz.de.