Angriffskrieg

Ukraine-Krieg: Baerbock stellt sich an die Seite der Balten

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Waffenlieferungen an die Ukraine: Welches Land welche Waffen liefert

Waffenlieferungen an die Ukraine: Welches Land welche Waffen liefert

Neben der USA schicken auch viele weitere Länder Waffen in die Ukraine, um deren Streitkräfte im Kampf gegen Russland zu unterstützen.

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Riga.  Baerbock besucht Estland, Litauen und Lettland. In Riga verspricht die Außenministerin, jeden Winkel der Nato-Staaten zu verteidigen.

Die Straße, an der die russische Botschaft in der lettischen Hauptstadt Riga liegt, hat einen neuen Namen bekommen. Sie heißt seit ein paar Wochen „Unabhängige Ukraine-Straße“. Die Stadt hat sie umbenannt, aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Annalena Baerbock hat die Straße gekreuzt, als sie am Mittwoch zum lettischen Außenminister fuhr. Sein Amtssitz liegt nur wenige 100 Meter von der Botschaft entfernt.

Es ist ein warmer Frühlingstag. Die Bundesaußenministerin trägt ein schwarzes Kleid, ihren hellen Mantel hat sie abgelegt, so warm ist es im Nordosten Europas geworden. Sie trifft ihren lettischen Amtskollegen Edgars Rinkevics und später auch den Kollegen aus Litauen und die Kollegin aus Estland, um Solidarität zu zeigen, für eine Region, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland von Putins Expansionsgelüsten bedroht fühlt.

Ukraine-Krieg könnte Jahre dauern

Europas Sicherheit, unser aller Sicherheit ist untrennbar verbunden mit der Sicherheit des Baltikums“, sagt sie mit fester Stimme und blickt nur kurz auf ihren lettischen Kollegen. Sie versichert, die Nato werde „jeden Zentimeter“ ihres Territoriums verteidigen. Aber es dauert nicht lange – bis die erste Frage kommt, warum Deutschland keine schweren Waffen an die Ukraine liefert. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Vortag erklärt, Deutschland werde die Ukraine mit Geld unterstützen. Damit könne sie sich bei deutschen Rüstungsfirmen mit Waffen eindecken. Doch seine Kritiker hat er damit nicht besänftigt.

In Riga springt Baerbock ihrem Kanzler zur Seite, obwohl sie selbst früh für die Lieferung schwerer Waffen war: Für Deutschland, so sagt sie, sei die Lieferung von schweren Waffen und gepanzerten Fahrzeugen in die Ukraine grundsätzlich möglich. „Das ist auch für uns kein Tabu“, auch wenn es in der deutschen Debatte manchmal so klinge. Die Bundeswehr aber, so erklärt die Grünen-Politikerin, sei nach eigenen Angaben nicht in der Lage, aus ihren Beständen noch etwas zu liefern.

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Deshalb könne die Ukraine nun bei der deutschen Rüstungsindustrie direkt bestellen. Deutschland wolle die Ukraine außerdem bald durch Ausbildung und Wartung von Artillerie unterstützen. Man dürfe nicht nur kurzfristig denken, der Krieg könne Monate, gar Jahre dauern: „Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass wir durch Waffenlieferungen nicht zur Kriegspartei werden“, betont sie. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics ist zufrieden: „Wir vertrauen auf Deutschland, auf Europa und die Nato.“

Angst der Balten-Staaten vor Russland ist allgegenwärtig

Die Angst im Baltikum vor Russland ist mit Händen zu greifen. Bei allem, was in der Ukraine geschieht, denken die Menschen an ihre eigene Geschichte. In den 1920er-Jahren waren Litauen, Lettland und Estland eigenständige Republiken. Erst durch den Hitler-Stalin-Pakt kamen sie unter sowjetische Herrschaft. Stalin deportierte Zehntausende Menschen nach Sibirien. Ein Trauma, das bis heute nachwirkt. Erst nach dem Zerfall der UdSSR 1991 holten sich Litauen, Lettland und Estland ihre Unabhängigkeit zurück.

Die drei Länder unterstützen die Ukraine großzügig mit Waffen, Spenden, humanitärer Hilfe für Geflüchtete. Und sie nehmen sehr ernst, was der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im März erklärt hat: „Wenn es uns nicht mehr gibt, Gott behüte, dann werden Lettland, Litauen und Estland die nächsten sein.“

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Ein Blick auf die Landkarte zeigt warum: Die drei kleinen baltischen Länder liegen an der Ostsee nördlich von Polen wie Schichtkäse übereinander. Estland grenzt an Russland, Lettland an Russland und Moskaus Verbündeten Belarus, Litauen an Belarus, der hochgerüsteten russischen Enklave Kaliningrad und Polen.

Baltischen Länder sind seit 2004 Nato-Mitglieder

Nur über ein schmales Gebiet – Luftlinie nicht einmal 65 Kilometer lang, hat das Baltikum somit eine Landverbindung zur EU und Nato, die sogenannte Suwalki-Lücke. Das Gebiet war in friedlichen Zeiten das Tor zum Westen. Heute ist es für die Nato ein Nadelöhr, durch das im Fall eines russischen Angriffs die Nato-Truppen und Panzer müssen.

Der Korridor ist der schwächste Punkt des Verteidigungsbündnisses. Würde Putin die Landverbindung besetzen, hätte Russland eine Verbindung zu seiner Enklave Kaliningrad geschaffen. Das Baltikum wäre isoliert von Europa - und für Nato und EU wäre das wahrscheinlich der Kriegsbeginn.

Denn anders als die Ukraine sind die baltischen Länder seit 2004 Nato-Mitglieder. Mehr als 900 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind vor Ort, Ende März wurden zusätzliche Luftverteidigungskräfte verlegt. Und Deutschland, so Baerbock, nach dem Treffen mit ihren Amtskollegen aus den drei baltischen Staaten, ist bereit, sich noch stärker in der Bündnisverteidigung zu engagieren. Lettland, Estland und Litauen hören daher sehr genau hin, wenn die deutsche Außenministerin in Riga sagt: Die Nato werde „jeden Winkel gemeinsam schützen – ohne Wenn und Aber“.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.

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