Genf. Der Weltklimarat hat seinen neuen Bericht veröffentlicht. Er zeigt drastische Folgen der Erderwärmung - und eine düstere Erkenntnis.

Südeuropa brennt, in Deutschland kämpfen noch immer tausende Menschen mit den Folgen der verheerenden Flut, und am Donnerstag wurde bekannt, dass die Atlantische Umwälzströmung, die unter anderem großen Einfluss auf das Klima in Westeuropa hat, so schwach ist wie nie in den vergangenen 1000 Jahren.

Spätestens in diesem Sommer ist unübersehbar, was Forscherinnen und Forscher seit Jahrzehnten vorhersagen: Der menschengemachte Klimawandel ist da, und er hat Auswirkungen in jedem Teil der Welt.

Jetzt gibt es eine neue Zusammenfassung des Wissens über diese Krise: Der Weltklimarat (IPCC) hat am Montag seinen neuen Bericht veröffentlicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Klimawandel: Was macht der Weltklimarat?

Der Weltklimarat (oder Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist ein internationales Gremium mit Sitz in Genf, das die Aufgabe hat, zu zeigen, wie sich das Klima entwickelt, welche Auswirkungen die Veränderungen haben und was dagegen getan werden kann.

Der Rat forscht dazu nicht selbst, sondern wertet in regelmäßigen Abständen die verfügbaren Forschungsergebnisse zum Klimawandel aus. Am Montag wurde der erste Teil des sechsten Sachstandsbericht veröffentlicht, der das globale Wissen über die physikalischen Grundlagen des Klimawandels aktualisiert zusammenfasst. Im kommenden Jahr sollen weitere Kapitel erscheinen, unter anderem zur Anpassung an den Klimawandel.

Für den ersten Teil des Berichts werteten 234 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 65 Ländern mehr als 14.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen aus.

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Wo stehen wir jetzt?

Der sechste Sachstandsbericht bestätigt mit Nachdruck und detaillierter, was schon bei der Veröffentlichung des fünften Reports 2013/2014 klar war: Der Klimawandel existiert, er ist menschengemacht, und er hat Folgen für die ganze Welt.

Demnach ist die globale Oberflächentemperatur seit 1970 stärker angestiegen als in irgendeinem Vergleichszeitraum der vergangenen 2000 Jahre. Das führe etwa in Europa immer häufiger zu Phasen extremer Hitze, zu Dürre sowie zu Starkregen. Städte würden mehr und mehr zu Hitze-Inseln.

In großer Deutlichkeit sagen die Forschenden außerdem: Viele Folgen des Klimawandels sind bereits jetzt unumkehrbar. Selbst bei einer drastischen Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen würden die Meeresspiegel weiter ansteigen und „für tausende Jahre erhöht bleiben“, heißt es im Bericht. Die Meeresspiegel könnten demnach bis zum Jahr 2100 um bis zu einen Meter steigen.

Ist eine Begrenzung auf 1,5 Grad Erwärmung noch zu schaffen?

Bereits jetzt liegt die globale Durchschnittstemperatur 1,1 Grad höher als im vorindustriellen Zeitalter. Wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll, geht das laut Weltklimarat nur mit „sofortigen, schnellen und großflächigen“ Einsparungen von Treibhausgas-Emissionen. Werden ab 2020 nur noch maximal 500 Gigatonnen CO2 weltweit ausgestoßen, gibt es eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit, 1,5 Grad zu erreichen. Zum Vergleich: Allein in Deutschland wurden 2020 rund 739 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen.

Das angestrebte Ziel, die Erwärmung möglichst bei 1,5 Grad über der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, wird nach den Modellrechnungen wahrscheinlich selbst bei den striktesten Klimaschutzmaßnahmen schon in den nächsten 20 Jahren überschritten.

"Wir reden hier von 20-Jahres-Zeiträumen", sagte einer der Autoren, Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, der Deutschen Presse-Agentur. Wenn beispielsweise der Zeitraum 2023 bis 2042 betrachtet werde, liege dessen Mittelpunkt Anfang der 2030er Jahre.

IPCC-Bericht: Starkniederschläge werden häufiger

Der Bericht beinhaltet noch weitere alarmierende Fakten: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden", heißt es. Belegt ist auch, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt und das Eis weiter schmilzt. "Sehr wahrscheinlich" heißt: mit 90 bis 100-prozentiger Sicherheit.

Selbst, wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995-2014. Klimaneutralität heißt, dass nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird wie Senken aufnehmen können. "In der Arktis sind Dreiviertel des Meereisvolumens im Sommer schon abgeschmolzen", sagte Mitautor Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. "Wir werden es vermutlich nicht mehr verhindern können, dass das Nordpolarmeer bis 2050 im Sommer zumindest in einzelnen Jahre weitgehend eisfrei sein wird."

Weltklimarat: Klimawandel ist menschgemacht

Der Weltklimarat beleuchtete die physikalischen Grundlagen zuletzt 2013. Seitdem hätten sich Unsicherheiten in den Klimamodellen deutlich reduziert. Anders als damals stellt die Wissenschaft jetzt klar fest: Wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht sehr schnell heruntergefahren werden, wird das Ziel, die Erwärmung auf unter zwei Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, scheitern. Zudem könnten mehr Klimaveränderungen direkt auf den Einfluss des Menschen zurückgeführt werden, sagte Mitautorin Veronika Eyring von der Universität Bremen.

"Es ist zweifelsfrei, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, den Ozean und das Land aufgeheizt hat", heißt es in dem Bericht. "Menschlicher Einfluss hat das Klima so aufgeheizt, wie es seit mindestens 2000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. (...) 2019 war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre höher als zu jedem anderen Zeitpunkt seit mindestens zwei Millionen Jahren."

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Weltklimarat: Meeresspiegel könnte um zwei Meter ansteigen

Der Weltklimarat nennt auch zwei Horrorentwicklungen, die zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen seien. Zum einen ist das ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter bis Ende des Jahrhunderts, je nachdem, wie der Eisschild der Antarktis weiter schmilzt. Zum anderen ist das ein Kollaps der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC), die schon an Fahrt verloren hat. Sie verteilt kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst etwa den für Milliarden Menschen wichtigen Monsun in Afrika und Asien. Ein Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte auch Auswirkungen auf Europa.

Die globalen Mitteltemperatur liegt nach diesem Bericht für den Zeitraum 2011 bis 2020 knapp 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die Erderwärmung unter zwei Grad halten, möglichst bei 1,5 Grad. "Wenn wir die Emissionen nicht schnell genug herunterfahren und bis etwa 2050-2070 netto-null erreicht haben, werden wir beide Pariser Klimaziele verfehlen", sagte Mitautor Douglas Maraun von der Universität Graz.

Diese fünf Szenarien entwirft der Weltklimarat

Der Weltklimarat entwirft fünf Szenarien. Darunter sind zwei, in denen die Welt etwa 2050 Klimaneutralität erreicht und danach mehr CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte der Anstieg der Mitteltemperatur Ende dieses Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter bleiben.

Bei gleichbleibenden Emissionen bis 2050 würde die Temperatur Ende dieses Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich.

Regierungen sind in der Verantwortung

"Wenn man sich anschaut, was die einzelnen Regierungen für den Klimaschutz zugesagt haben, würde man im Moment am ehesten im mittleren Szenario landen", sagte Notz. "Für die Zukunft bleibt aber natürlich unklar, ob die Zusagen eingehalten werden oder ob die Regierungen andererseits ihre Bemühungen noch verstärken werden."

Ein Realitätscheck: Die Energie-Agentur der US-Regierung (EIA) hat 2019 berechnet, dass der CO2-Ausstoß wegen der erst beginnenden Industrialisierung vieler Länder bis 2050 von heute im Jahr rund 36 Milliarden Tonnen auf mehr als 42 Milliarden Tonnen wächst. China produziert zur Zeit das meiste Treibhausgas, etwa ein Viertel der Gesamtmenge, vor den USA mit 18 und der EU mit 17 Prozent. Der Anteil der CO2-Emissionen, die in Senken wie Wäldern oder Ozeanen aufgenommen werden und nicht in der Atmosphäre bleiben, liegt nach dem Bericht bei etwa 44 Prozent.

Der Bericht wurde von mehr als 230 Forschenden aus 66 Ländern verfasst. Die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger wurde von den 195 IPCC-Mitgliedsländern einstimmig abgesegnet. "Die Regierungen sitzen also mit im Boot, keiner kann hinterher sagen: ich habe damit nichts zu tun", sagte Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. (mit dpa)