Berlin. Klimabedingte Katastrophen zwingen pro Jahr 20 Millionen Menschen zur Flucht. Das ist das Ergebnis einer neuen Oxfam-Untersuchung.

Nicht Kriege, Verfolgung oder Gewalt zwingen Menschen am häufigsten zur Flucht im eigenen Land, sondern klimabedingte Katastrophen. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung der internationalen Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam hervor.

Demnach seien im vergangenen Jahrzehnt im Schnitt 10 Millionen Menschen pro Jahr aufgrund extremer Wetterereignisse zur Flucht im eigenen Land gezwungen worden. Umgerechnet muss somit alle zwei Sekunden ein Mensch sein Heim verlassen. Hinzu kämen Millionen weitere Flüchtlinge, die ihr Land verlassen haben.

Klima: Extremes Wetter trifft vor allem arme Länder

Vor allem kleine Inselstaaten seien besonders großen Wetterrisiken ausgesetzt, heißt es in der Untersuchung. Von den zehn Staaten mit dem höchsten Risiko, von Wetterextremen betroffen zu sein, seien sieben Inseln darunter. So hätten auf Kuba, Tuvalu oder Dominica rund fünf Prozent der Bevölkerung im vergangenen Jahrzehnt ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen.

Nicht nur humanitär, sondern auch wirtschaftlich sind die Folgen laut der Studie gravierend: So hätten die Wetterextreme auf Kuba und Tuvalu einen durchschnittlichen wirtschaftlichen Schaden von rund 20 Prozent der jeweiligen Volkseinkommens bedeutet.

Und noch etwas zeigt sich: Vor allem seien arme Länder von extremen Wetter betroffen. So hätten Menschen aus Ländern wie Somalia, Nigeria oder Indien ein vierfach höheres Risiko, von Wetterextremen zur Flucht gezwungen zu werden, als Einwohner beispielsweise aus den Vereinigten Staaten oder Spanien. Insgesamt stammen 80 Prozent derjenigen, die aufgrund von Wetterextremen fliehen müssen, aus Asien.

Risiko von Wetterkatastrophen ist dreimal höher

Hinzu kommt laut dem Oxfam-Bericht: Gerade in armen Ländern komme es auch zu weiteren Risikofaktoren für eine Flucht, etwa durch Konflikte. So seien im vergangenen Jahr in Äthiopien, Somalia, dem Süd-Sudan und dem Sudan insgesamt 3,8 Millionen Menschen aufgrund von Gewalt zur Flucht gezwungen worden – hingegen musste „nur“ eine Million Menschen aus diesen Ländern aufgrund von Klimaextremen fliehen.

In Äthiopien und dem Sudan werden Viehhirten durch jahrelange Dürren gezwungen, ihre Heimatregionen zu verlassen.
In Äthiopien und dem Sudan werden Viehhirten durch jahrelange Dürren gezwungen, ihre Heimatregionen zu verlassen. © Guerra/Conflicto, Sequía | Pablo Tosco

Allerdings würden Wetterextreme prozentual gesehen eine größere Gefahr für Binnenmigration, also die Flucht im eigenen Land, darstellen. So würden Menschen dreimal häufiger vor Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Waldbränden fliehen als vor Konflikten.

Während sich die Anzahl der Fluchtkatastrophen, die nicht wetterbedingt sei, in den vergangenen zehn Jahren laut der Studie fast verfünffacht hat (von 21 im Jahr 2008 auf 97 im Jahr 2018), haben sich die wetterbedingten Katastrophen fast verachtfacht – von 201 Katastrophen im Jahr 2008 auf 1518 Katastrophen im vergangenen Jahr.

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Weltklimakonferenz tagt in Madrid

„Unsere Regierungen tragen zu einer Krise bei, die Millionen von Frauen, Männern und Kindern aus ihren Häusern vertreibt, und die ärmsten Menschen in den ärmsten Ländern zahlen den höchsten Preis“, sagt Chema Vera, geschäftsführender Direktor von Oxfam International.

Ab dem heutigen Montag treffen in Madrid die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention zum Welt-Klimagipfel zusammen. Dieser dauert bis zum Freitag in der kommenden Woche, unter anderem werden die Umweltminister der Teilnehmerländer, darunter auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze, zu Gast sein. Vor dem Gipfel forderte die SPD-Politikerin eine Verschärfung der Klimaziele.

Auch Klimaprotestlerin Greta Thunberg hat ihre Teilnahme angekündigt. Allerdings ist unklar, ob sie es es rechtzeitig zur Weltklimakonferenz schafft, denn die 16-Jährige hat wie schon auf ihrem Trip nach New York zum Klimagipfel auch die Rückreise per Segelboot angetreten.

Erhalten krisenanfällige Länder künftig mehr Geld?

Verhandelt werden auf der Weltklimakonferenz unter anderem auch der sogenannte „Warschauer Mechanismus“. Auf der Weltklimakonferenz 2013 in Warschau verständigten sich die 197 Vertragsstaaten darauf, den auch als „Loss and Damage“ („Verlust und Beschädigung“) bekannten Mechanismus zu etablieren.

Dahinter steckt ein Anpassungsfonds, der Länder, die in hohem Ausmaß von Klimakatastrophen betroffen sind, ohne dabei selbst hohe Emissionen von Kohlenstoffdioxid aufzuweisen, unter die Arme greifen soll. 100 Milliarden Dollar sollen pro Jahr für den Fonds bereitgestellt werden. Auf der diesjährigen Klimakonferenz soll der Mechanismus erstmals rückblickend bewertet und gegebenenfalls ausgeweitet werden.

„Die Empfängerländer müssen sicherstellen, dass diese Finanzierung auch die Gemeinden erreicht, die es am dringendsten brauchen“, fordert Oxfam in seiner Studie. Dafür solle eine neue Kreditmöglichkeit geschaffen werden, die klare Kriterien für die Auszahlung der Gelder schaffe.