Bremen. Die CDU wird in Bremen zum ersten Mal stärkste Kraft – manches deutet aber auf ein künftiges Bündnis aus SPD, Grünen und Linken hin.

Die CDU hat vieles richtig gemacht in ihrem Landtagswahlkampf in Bremen. Die Wahl des Fernsehprogramms auf der Wahlparty gehörte nicht dazu. In der ARD ging es am Sonntagabend um 18.00 Uhr erst vier Minuten lang nur um die Europawahl. Dann erst erschien die erste Prognose für das kleinste deutsche Bundesland auf dem großen Monitor. Erst dann konnten die CDU-Anhänger in Jubel ausbrechen und die Junge Union „Carsten, Carsten“ rufen.

Carsten Meyer-Heder, dem Spitzenkandidaten der Partei ist in Bremen das fast Unmögliche gelungen: Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Partei in der Hansestadt stärkste Kraft werden.

Sie kommt nach einer Hochrechnung von Montagnachmittag auf 26,1 Prozent. Die SPD erzielt 24,8 Prozent, die Grünen 17,9 Prozent, die FDP 6,2 Prozent, die Linke 11 Prozent und die AfD 6,6 Prozent. Endgültige Klarheit soll es erst am Mittwoch geben, dann soll das amtliche Endergebnis vorliegen.

Fakt ist aber: Die CDU hat erstmals eine reale Chance, den Zwei-Städte-Staat zu regieren, zu dem außer Bremen auch das 50 Kilometer nördlich gelegene Bremerhaven gehört. Ob das am Ende auch wirklich klappt, müssen die Koalitionsverhandlungen zeigen. Weil mehrere Konstellationen denkbar sind, werden die Gespräche nicht einfach.

SPD-Bürgermeister Sieling dürfte Regierungsauftrag nicht bekommen

Ziel der CDU ist es, ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen und der FDP zu bilden. Rechnerisch möglich ist auch eine große Koalition, wie es sie schon mehrfach in Bremen gab. Diese Konstellation hatte SPD-Bürgermeister Carsten Sieling aber kurz vor der Wahl noch definitiv ausgeschlossen.

Wenn es nach ihm geht, soll es ein Bündnis mit Grünen und Linken geben – auch das ist denkbar. Den Regierungsauftrag dazu dürfte Sieling als Kandidat der zweitplatzierten Partei aber nicht mehr bekommen. Damit kommt alles auf die Grünen an, die sich im Wahlkampf nach Koalitionen mit der SPD nicht mehr festlegen wollten.

SPD verliert gegen politischen Quereinsteiger

Dass die Sozialdemokraten nach mehr als 70 Jahren an der Macht nicht mehr sicher den Regierungschef stellen können, ist aus ihrer Sicht schon schlimm. Dass sie gegen einen politischen Seiteneinsteiger verloren, der vor einem Jahr erst in die CDU eingetreten war, schmerzt doppelt.

Mit Bremen fiel die letzte SPD-Hochburg in Westdeutschland. „Ich bin kein Politiker“, hatte CDU-Kandidat Meyer-Heder im Wahlkampf immer wieder betont. Aus seinen Wissenslücken bei relevanten Themen hatte der frühere Hippie und erfolgreiche Firmengründer keinen Hehl gemacht, sondern sie fast zur Tugend erhoben.

Protestwähler konnten in Bremen CDU statt AfD wählen

Seine Reden waren hölzern und überwiegend frei von konkreten Inhalten. Bürger, die gegen das etablierte politische System stimmen wollten, mussten in Bremen ihre Stimme nicht der AfD geben, sondern konnten CDU wählen – eine Strategie, die bei der halben Million Wahlberechtigten ganz offenbar verfing.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

SPD-Mann Sieling dagegen, der seit mehr als 25 Jahren Politik in Bremen und im Bund macht, gelang es nicht, sich einen Amtsbonus zu verschaffen. 2015 war er eher durch Zufall an die Macht gekommen, nachdem Vorgänger Jens Börnsen wegen des schlechten Wahlergebnisses – damals waren es fast 33 Prozent – zurückgetreten war.

AfD spielt in Bremen kaum eine Rolle

Sielings Ergebnis liegt nun weit darunter, dass er Bürgermeister bleiben wird, ist unsicher. In den persönlichen Beliebtheitswerten konnte er zwar gegen Meyer-Heder punkten. Seiner SPD trauten die Bremer aber nicht mehr zu, die drängenden Probleme in der Bildungs- oder der Verkehrspolitik zu lösen.

Seine Strategie ging nicht auf, die Abstimmung zu einer Richtungswahl zu machen. Im Gegenteil: Die definitive Festlegung auf ein rot-rot-grünes Bündnis nimmt Sieling und der SPD nun strategischen Spielraum bei den Koalitionsverhandlungen. Die AfD spielte in Bremen kaum eine Rolle. Im Ergebnis ist die AfD in Bremen deshalb nur insofern von Bedeutung, als sie den anderen Parteien Stimmen weggenommen hat.

• Zwar ist Bremen das kleinste Bundesland, dennoch könnte das Ergebnis der Wahl Auswirkungen auf die Bundespolitik haben: Warum Bremen auch eine Schicksalswahl für SPD-Chefin Nahles ist.