Madrid. Der Chef der Partei Vox könnte bei der Wahl am Sonntag erstmals ins Parlament einziehen. Er trommelt gegen katalanische Separatisten.

Auf Spaniens Stierkampfplätzen wird ein neuer Held bejubelt. Kein Stierkämpfer, sondern ein Politiker, der die Toreros öffentlich wie kein anderer gegen die Anti-Stierkampf-Bewegung verteidigt. „Santiago Abascal als Regierungschef“, skandierte dieser Tage das Publikum in der Arena der ostspanischen Stadt Valencia. Der 43-jährige ­Abascal, Vorsitzender der aufstrebenden Rechtsaußenpartei Vox, geht gern als Zuschauer zu Stierkämpfen.

Doch nicht nur bei seinen privaten Besuchen auf Spaniens Stierkampfplätzen wird Abascal von den Massen gefeiert. Bei seinen Wahlkampfauftritten in den letzten Wochen füllte er große Veranstaltungshallen im ganzen Land. Mit seinem Aufruf, die spanische Kultur und natürlich erst recht die Nation zu verteidigen, brachte er die Menge immer wieder zum Kochen.

Rechtspopulist Abascal hat Angela Merkel als Feindbild

Vor allem die große Nation Spanien ist sein Lieblingsthema. Er sieht sie bedroht durch Linke, katalanische Separatisten, Migranten und proeuropäische Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron.

„Vox ist eine patriotische Bewegung zur Rettung der nationalen Einheit“, sagt Abascal. Dieser Satz liefert die wesentliche Erklärung dafür, warum Vox in Spanien zu einem politischen Phänomen geworden ist. Und warum die Rechtspopulisten bei der landesweiten Wahl an diesem Sonntag wohl erstmals und gleich massiv ins spanische Parlament einziehen werden.

Regierungschef Pedro Sánchez ist für Abascal „Feind Spaniens“


Als allergrößte Gefahr für seinen Traum vom großen und einigen Vaterland hat Abascal die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ausgemacht. Und gleich danach kommt Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez, den ­Abascal ebenfalls als „Feind Spaniens“ betrachtet.

Der Premier, der es gewagt hatte, mit den Separatistenführern über eine Lösung des Katalonienkonflikts zu beraten, wolle Spanien verraten und zerstören, behauptet Abascal. „Über die Einheit Spaniens debattiert man nicht – man verteidigt sie“, betont Abascal, der kein Geheimnis daraus macht, dass er zu Hause eine Waffe im Schrank hat.

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Katalonienkrise weckte in ganz Spanien neuen Nationalstolz

Vox sei die spanienweite Antwort auf Kataloniens Separatisten, welche ihre wirtschaftsstarke Region vom Königreich abspalten wollen, kommentierte die Tageszeitung „El Mundo“.

In der Tat weckte die Katalonienkrise im ganzen Land einen neuen Nationalstolz, der sich darin spiegelt, dass seit Ausbruch des Unabhängigkeitskonflikts an vielen Balkonen und Fenstern Spanienflaggen wehen. Dieser neue Patriotismus scheint dem studierten Soziologen Abascal, an dessen Jackenärmel stets ein aufgenähtes rot-gelb-rotes Spanienbanner prangt, die Wähler zuzutreiben.

Abascals Partei Vox wird von Sozialisten als „rechtsextrem“ eingestuft

Die Umfragen trauen der Partei Vox, die bisher nicht im nationalen Parlament vertreten war, auf Anhieb mindestens elf Prozent der Stimmen zu. Abascal, der 20 Jahre lang Mitglied der konservativen Volkspartei war, träumt sogar von mehr: „Wir glauben, dass wir deutlich besser abschneiden werden.“

Analysten schließen tatsächlich nicht aus, dass sich viele Wähler nicht offen zu der Partei bekennen, die von Spaniens sozialistischer Regierung als „rechtsextrem“ eingeordnet wird. Ein massiver Rechtsruck, der noch größer als erwartet ausfalle, sei deswegen am Sonntag nicht auszuschließen.

Abascals Partei Vox ist die AfD Spaniens

Ideologisch liegt Abascals Bewegung, die 2014 als eine Abspaltung der Volkspartei entstand, auf einer Höhe mit Deutschlands AfD und Frankreichs Rassemblement National. Wie diese arbeitet sie mit bekannten Feindbildern wie etwa Einwanderern, dem Islam, Feministinnen oder Homosexuellen.

Auch von der Europäischen Union halten Spaniens Rechtspopulisten wenig. Abascal strebt ein neues Europa an, „das auf der Souveränität seiner Nationen, der christlichen Identität und auf der Ablehnung der massiven Einwanderung gegründet ist“. Also weniger europäische Integration und mehr Macht für den Nationalstaat. Oder kurz gesagt: Spanien und die Spanier zuerst.

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In Nordafrika will Abascal Mauern gegen Migranten

Nicht nur diese Sprüche erinnern an US-Präsident Donald Trump, von dem noch weitere Bekenntnisse kopiert zu sein scheinen. Etwa dann, wenn Abascal fordert, die beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika mit einer Mauer gegen Migranten abzuschotten und dem Nachbarn Marokko die Rechnung zu schicken.

Genauso wie sein Feldzug gegen die unabhängige Presse. Journalistische Beiträge, in denen kritisch über Vox berichtet wird, seien „Fake News“, wettert Abascal. Und die dafür verantwortlichen Medien seien „Feinde des Volkes“.

Sozialisten laut Umfragen mit etwa 30 Prozent vorn

Am Sonntag wird sich zeigen, wie stark Spaniens neue Rechte wirklich ist. Und welche Rolle Abascals rechtspopulistische Bewegung in der spanischen Parteienlandschaft spielen wird. Die Zeitung „El País“ errechnete den Mittelwert aller Umfragen: Danach liegen die Sozialisten von Regierungschef Sánchez mit etwa 30 Prozent vorn.

Sie könnten somit eine Neuauflage ihrer im Februar gescheiterten Minderheitsregierung versuchen – wieder gestützt auf die linksalternative Partei Podemos, die bei etwa 14 Prozent gesehen wird, und auf die katalanischen Separatisten, die mit vier bis fünf Prozent rechnen können. Eine derartige Mehrheitsbildung dürfte freilich angesichts der Unabhängigkeitsforderungen der Separatistenparteien schwierig werden.

Vox wird womöglich das Zünglein an der Waage

Doch auch ein Sieg des konservativen Dreierblocks ist nicht ausgeschlossen: Der Volkspartei, die in der letzten Wahl noch 33 Prozent holte, werden nun zwar nur noch 20 Prozent zugetraut. Doch zusammen mit der liberal-bürgerlichen Partei Ciudadanos, die bei etwa 15 Prozent liegt, und einer stark auftrumpfenden Partei Vox – dem Zünglein an der Waage– könnte es vielleicht zum Machtwechsel kommen.

Eine solche Dreierallianz siegte bereits im Dezember in der Region Andalusien. Dort vertrieb sie überraschend die mehr als 30 Jahre regierenden Sozialisten von der Macht.

• Auch in anderen EU-Ländern sind die Rechten auf dem Vormarsch: Rechtspopulist erobert Niederlande – wer ist Thierry Baudet?

(Ralph Schulze)

Über die Einheit Spaniens debattiert man nicht – man verteidigt sie
Santiago Abascal,