Berlin/New York. Im UN-Sicherheitsrat setzt sich Außenminister Heiko Maas für Strafen für die Täter sexueller Gewalt ein. Doch der Kampf ist mühsam.

Hinter dem Namensschild „President Germany“ Platz zu nehmen und die Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum besseren Schutz gegen sexuelle Gewalt in Krisenregionen zu eröffnen, ist sicherlich einer der besonderen Momente in der Karriere von Heiko Maas (SPD).

Wie wichtig dem deutschen Außenminister das Thema ist, konnte man bereits am Dienstagmorgen in der „Washington Post“ lesen. Mit keiner geringeren als Oscarpreisträgerin Angelina Jolie hatte er einen Gastbeitrag zum Thema verfasst: „Vergewaltigung und andere Formen der sexuellen Gewalt werden als Kriegs- und Terrortaktik in Konflikten weltweit eingesetzt“, beklagen Maas und Jolie darin.

Sexuelle Gewalt breitet sich aus, weil sie nicht verfolgt wird

Zwar gebe es erste internationale Bemühungen, die Verbrecher zur Verantwortung zu ziehen, Straffreiheit bleibe aber die Norm. Diese Straffreiheit habe verheerende Folgen, warnen Maas und Jolie. Der kongolesische Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege habe in seiner Klinik Angehörige einer Familie aus drei Generationen behandelt, die brutal vergewaltigt worden seien: eine Mutter, ihre Tochter und die Enkelin im Kleinkindalter.

Die fehlende strafrechtliche Verfolgung trage zur kontinuierlichen Verbreitung sexueller Gewalt bei. Maas und Jolie fordern in ihrem Brief, Sexualstraftäter konsequent zur Verantwortung zu ziehen. Dabei spielten auch internationale Justizsysteme eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus brauche es eine bessere Kontrolle in den Krisenregionen. „Resolutionen des UN-Sicherheitsrates bleiben bloß Papier, wenn wir die Regelbefolgung nicht sicherstellen“, mahnen sie.

Zudem brauche es eine bessere Unterstützung der Überlebenden von sexueller Gewalt. Aus diesem Grund forderte Maas am späten Dienstagnachmittag dann den Sicherheitsrat auf, eine neue Resolution zu beschließen. Und gab zudem bekannt, dass Deutschland mit 400.000 Euro Projekte für Überlebende von sexueller Gewalt in Krisenregionen unterstützen werde.

Eindrücke aus einem Rohingya-Lager

Tausende Rohingya, eine muslimische Minderheit, flüchten aus Myanmar nach Bangladesch. Dort leben sie in Flüchtlingscamps. Die Lager sind in den Wäldern spontan entstanden. Die Äste und Baumstämme nutzen die Rohingya als Feuerholz.
Tausende Rohingya, eine muslimische Minderheit, flüchten aus Myanmar nach Bangladesch. Dort leben sie in Flüchtlingscamps. Die Lager sind in den Wäldern spontan entstanden. Die Äste und Baumstämme nutzen die Rohingya als Feuerholz. © Sören Kittel | Sören Kittel
Die Wände der Hütten sind dünn – nachts aber kann die Temperatur gerade im Januar bis zu 2 bis 5 Grad betragen. In diesem Jahr war es in Bangladesch so kalt wie seit 50 Jahren nicht.
Die Wände der Hütten sind dünn – nachts aber kann die Temperatur gerade im Januar bis zu 2 bis 5 Grad betragen. In diesem Jahr war es in Bangladesch so kalt wie seit 50 Jahren nicht. © Sören Kittel | Sören Kittel
Die Zelte der Rohingya sind in einer Reihe aufgebaut, haben alle die gleiche Größe und auf den Dächern liegen zum Teil Solarpanele, damit die Bewohner ihre Mobiltelefone aufladen können.
Die Zelte der Rohingya sind in einer Reihe aufgebaut, haben alle die gleiche Größe und auf den Dächern liegen zum Teil Solarpanele, damit die Bewohner ihre Mobiltelefone aufladen können. © Sören Kittel | Sören Kittel
Der Rohingya Arkam (25) vor seiner Familien-Hütte. Sie leben zu siebt auf rund 16 Quadratmetern. Er kann sich vorstellen, bald heimzukehren.
Der Rohingya Arkam (25) vor seiner Familien-Hütte. Sie leben zu siebt auf rund 16 Quadratmetern. Er kann sich vorstellen, bald heimzukehren. © Sören Kittel | Sören Kittel
Die Kinder sind in den Camps am sichtbarsten. Sie grüßen auf Englisch und machen jeden Spaß mit. Doch auch sie haben häufig Traumata auf der Flucht durchlebt.
Die Kinder sind in den Camps am sichtbarsten. Sie grüßen auf Englisch und machen jeden Spaß mit. Doch auch sie haben häufig Traumata auf der Flucht durchlebt. © Sören Kittel | Sören Kittel
Rund die Hälfte der geflüchteten Rohingya sind Kinder, das schätzt das Kinderhilfswerk Unicef.
Rund die Hälfte der geflüchteten Rohingya sind Kinder, das schätzt das Kinderhilfswerk Unicef. © Sören Kittel | Sören Kittel
Der Tag ist für viele Rohingya damit ausgefüllt, für Hilfsgüter anzustehen. Auch Kinder helfen häufig dabei, kleinere Arbeiten für die Familien zu erledigen. Schulen gibt es nicht.
Der Tag ist für viele Rohingya damit ausgefüllt, für Hilfsgüter anzustehen. Auch Kinder helfen häufig dabei, kleinere Arbeiten für die Familien zu erledigen. Schulen gibt es nicht. © Sören Kittel | Sören Kittel
Rohingya-Kinder bei der Ausgabe von Hilfsgütern in einer Hütte. Mehr als 5000 von ihnen sind zum Teil schwer unterernährt.
Rohingya-Kinder bei der Ausgabe von Hilfsgütern in einer Hütte. Mehr als 5000 von ihnen sind zum Teil schwer unterernährt. © Sören Kittel | Sören Kittel
Soviel, dass sie es kaum tragen können: Eine Ration von „Aktion gegen den Hunger“ enthält ein Moskitonetz, zwei Plastikplanen, ein Hygieneset und ein Seil.
Soviel, dass sie es kaum tragen können: Eine Ration von „Aktion gegen den Hunger“ enthält ein Moskitonetz, zwei Plastikplanen, ein Hygieneset und ein Seil. © Sören Kittel | Sören Kittel
Diese junge Frau ist mit ihrem Kind in einer Klinik für mangelernährte Kinder aufgenommen worden. Auch die Mütter werden hier darin geschult, mit ihrem Kind wieder eine Beziehung aufzubauen
Diese junge Frau ist mit ihrem Kind in einer Klinik für mangelernährte Kinder aufgenommen worden. Auch die Mütter werden hier darin geschult, mit ihrem Kind wieder eine Beziehung aufzubauen © Sören Kittel | Sören Kittel
Der Arzt Jubayer Mumin (33) ist Bangladescher und arbeitet in einem Krankenhaus für unterernährte Kinder. „Wir haben vor allem mit Krankheiten zu kämpfen, die als Folgen der Flucht entstanden sind: Durchfall und Lungenentzündungen.“
Der Arzt Jubayer Mumin (33) ist Bangladescher und arbeitet in einem Krankenhaus für unterernährte Kinder. „Wir haben vor allem mit Krankheiten zu kämpfen, die als Folgen der Flucht entstanden sind: Durchfall und Lungenentzündungen.“ © Sören Kittel | Sören Kittel
Zwei warme Mahlzeiten bekommen die Kinder der Rohingya, meist aus Reis, Zwiebeln und etwas Gemüse. Unterernährte Kinder werden bevorzugt behandelt.
Zwei warme Mahlzeiten bekommen die Kinder der Rohingya, meist aus Reis, Zwiebeln und etwas Gemüse. Unterernährte Kinder werden bevorzugt behandelt. © Sören Kittel | Sören Kittel
In „Child friendly Spaces“ können sich kleine Kinder tagsüber aufhalten. Sie funktionieren ganz ähnlich einem Kindergarten. Nur dass die Rohingya auch hier einen Raum haben, in dem traumatisierte Kinder behandelt werden.
In „Child friendly Spaces“ können sich kleine Kinder tagsüber aufhalten. Sie funktionieren ganz ähnlich einem Kindergarten. Nur dass die Rohingya auch hier einen Raum haben, in dem traumatisierte Kinder behandelt werden. © Sören Kittel | Sören Kittel
Der Alltag von Flüchtlingen in Kutupalong besteht vor allem aus häufigem Anstehen. Auf Listen werden die eingetragen, die bereits ein Hilfspaket bekommen haben.
Der Alltag von Flüchtlingen in Kutupalong besteht vor allem aus häufigem Anstehen. Auf Listen werden die eingetragen, die bereits ein Hilfspaket bekommen haben. © Sören Kittel | Sören Kittel
Das Holz wird den Rohingya zum Bauen der Hütten zur Verfügung gestellt. Doch viele Einheimische fragen inzwischen, warum die Rohingya so viel geschenkt bekommen, während sie weiter arm bleiben.
Das Holz wird den Rohingya zum Bauen der Hütten zur Verfügung gestellt. Doch viele Einheimische fragen inzwischen, warum die Rohingya so viel geschenkt bekommen, während sie weiter arm bleiben. © Sören Kittel | Sören Kittel
Es gibt auch immer wieder Geschäfte in den Lagern, meist von Bangladeschern betrieben, in denen die Rohingya Lebensmittel, Seife oder Mobiltelefone kaufen können. Ein einfaches Telefon kostet 1000 Taka (10 Euro).
Es gibt auch immer wieder Geschäfte in den Lagern, meist von Bangladeschern betrieben, in denen die Rohingya Lebensmittel, Seife oder Mobiltelefone kaufen können. Ein einfaches Telefon kostet 1000 Taka (10 Euro). © Sören Kittel | Sören Kittel
Shamima, 35, eine Rohingya aus Myanmar, die ihr Gesicht nicht zeigen will, aus Angst vor den burmesischen Militär und der „Heilsarmee“ der Rohingya. Ihr Bruder starb bei der Flucht aus Myanmar.
Shamima, 35, eine Rohingya aus Myanmar, die ihr Gesicht nicht zeigen will, aus Angst vor den burmesischen Militär und der „Heilsarmee“ der Rohingya. Ihr Bruder starb bei der Flucht aus Myanmar. © Sören Kittel | Sören Kittel
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Täter sollen endlich vor Gericht gestellt werden

Mit einer emotionalen Rede forderte die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad, ihr erlittenes Leid und das von Tausenden jesidischen Frauen im Nordirak nicht zu vergessen. 2014 wurde sie von IS-Kämpfern verschleppt, versklavt und von zwölf Männern vergewaltigt. Murad, die sich befreien und nach Deutschland ausreisen konnte, wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sich die Täter vor einem internationalen Gerichtshof verantworten müssen.

„Fünf Jahre nach dem Genozid an meinem Volk ist nichts passiert, kein Täter ist vor Gericht gestellt worden“, sagte sie vor dem Sicherheitsrat. „Wir kommen zu den UN, geben Erklärungen ab, aber es werden keine konkreten Maßnahmen unternommen.“ Und sie betonte die Wirkung, die so ein Prozess hätte: „Es wäre ein Signal an die Welt, dass es nicht ohne Strafe und Konsequenzen bleibt, wenn man Frauen und Mädchen misshandelt, schlägt und vergewaltigt.“

Amal Clooney: „Dies ist Ihr Nürnberg-Moment“

Ihre Freundin, die international bekannte Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, sprach nach ihr und appellierte an die Weltgemeinschaft, sexuellen Missbrauch in Konflikten mithilfe eines internationalen Strafgerichts aufzuarbeiten. Sie erinnert dabei an die juristische Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg: „Dies ist Ihr Nürnberg-Moment“, wandte sie sich an die Anwesenden.

Die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ verübten Verbrechen gegen Frauen und Mädchen seien „mit nichts vergleichbar, was wir in der Neuzeit erlebt haben“.

Bewaffnete Gruppen und Extremisten setzen auf Unterwerfung

Neben Heiko Maas saß im Sicherheitsrat auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der ebenfalls beklagte, dass noch zu wenig getan werde: „Die meisten dieser Verbrechen werden niemals gemeldet, niemals untersucht und erst recht nicht vor Gericht gestellt.“

Bewaffnete Gruppen, auch Extremisten und Terroristen, setzten auf die Unterwerfung von Frauen und Mädchen – zum Beispiel durch Versklavung oder Zwangsheiraten. Er rief die Regierungen aller Länder auf, mehr für den Schutz der Frauen in Kriegsgebieten zu tun. Wenn Frauen stärker in Politik, Wirtschaft, Sozialleben sowie bei Friedensmissionen und Gesprächen eingebunden würden, würden sie sicherstellen, dass das Thema auch mehr Gewicht bekomme.

Russland, China und USA äußern sich kritisch

Die neue Resolution, für die sich Heiko Maas im Sicherheitsrat einsetzen will, soll Konsequenzen für Unterstützer sexueller Gewalt gegen Frauen aufzeigen. Gedacht ist dabei an gezielte Sanktionen gegen Täter und ihre Anführer. Eine informelle Arbeitsgruppe soll sich mit dem Thema befassen. Doch bei der Sitzung im Sicherheitsrat äußerten sich die Vertreter von Russland, China und den USA kritisch, für sie habe der Kampf gegen sexuelle Gewalt keine sicherheitspolitische Dimension.

Bereits im Jahr 2000 hatte der Sicherheitsrat auf Initiative Namibias in der Resolution 1325 dazu aufgerufen, Frauen zu schützen, sie gleichberechtigt in Friedensverhandlungen und Wiederaufbau einzubeziehen und Straftaten zu verfolgen. 2008 forderte die Resolution 1820 auf Initiative der USA mehr Einsatz der Staaten gegen sexuelle Gewalt als Methode der Kriegsführung.

Pramila Patten, die UN-Sonderbeauftragte im Kampf gegen sexuelle Gewalt in Konflikten, sieht trotz des jahrelangen Einsatzes der Vereinten Nationen keinen nennenswerten Rückgang der Fälle.

(Diana Zinkler)