Washington/Brüssel. Die USA steigen aus dem wichtigen INF-Vertrag zur atomaren Abrüstung aus. Russland kündigt nun die Entwicklung einer neuen Rakete an.

Die USA werden aus dem INF-Vertrag zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen aussteigen. In sechs Monaten werde die Maßnahme in Kraft treten. Das hat Russland zum Anlass genommen, um ebenfalls aus dem INF-Vertrag auszusteigen.

Kurz nach dem Beschluss kündigte nun Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu an, dass Russland die Entwicklung neuer Mittelstreckenraketen plane. „Jetzt kommt es darauf an, die Reichweite der heute zu entwickelnden bodengestützten Raketensysteme zu erhöhen“, sagte Schoigu. Die neuen Raketen sollen weiter als 500 Kilometer fliegen können.

Auch im Weltall will Russland laut Schoigu seine Militärsatelliten aufrüsten. „Die Erfahrung in Syrien zeigt, dass für einen effizienten Einsatz von Präzisionswaffen detaillierte Karten notwendig sind“, sagte der Verteidigungsminister. Dafür bräuchte man Kameras mit höherer Auflösung als bisher.

Außenminister Maas gibt Moskau die Schuld am Scheitern des INF-Vertrags

Bereits am Donnerstag informierten die Vereinigten Staaten die Verbündeten in der Nato über ihr Vorhaben, aus dem Abrüstungsvertrag auszusteigen. Nach der Ankündigung der USA zog auch Russland um Präsident Vladimir Putin nach und kündigte an, aus dem Vertrag auszusteigen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gab Russland die Schuld am Scheitern des INF-Abrüstungsvertrags. „Moskau hat eine nukleare Mittelstreckenrakete entwickelt und getestet, die gegen das Abkommen verstößt“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion.

Ein Vertrag zwischen zwei Staaten, der von einer Seite verletzt werde, sei faktisch außer Kraft gesetzt. „Wir bedauern das - ohne den INF-Vertrag wird es weniger Sicherheit geben“, betonte Maas. „Wir brauchen eine stabile und möglichst umfassende internationale Architektur zur Rüstungskontrolle.“

Maas sprach sich zudem gegen eine Stationierung landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland und Europa aus.

Die USA werfen Russland den Bruch des Abkommens vor

Die USA sehen es als erwiesen an, dass Russland den Vertrag durch neue Marschflugkörper mit der Bezeichnung 9M729 (Nato-Code: SSC-8) bricht. Nach Angaben der US-Regierung haben diese Raketen eine Reichweite von mehr als 2500 Kilometern – und wären damit laut des INF-Vertrags verboten. Mit dieser Reichweite könnte Russland nahezu jede europäische Hauptstadt treffen.

Washington hatte Moskau deswegen ein Ultimatum von 60 Tagen gesetzt, um die Zerstörung der Marschflugkörper zuzusagen. Diese Frist läuft am Samstag ab.

INF-Vertrag – darum geht es

  • 1987 schlossen die USA und die damalige Sowjetunion den INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme
  • INF steht für Intermediate Range Nuclear Forces
  • Der Vertrag verpflichtet beide Seiten zum Verzicht auf landgestützte ballistische Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern
  • Auch die Produktion und Tests solcher Systeme ist durch den Vertrag verboten

Russland hatte in den vergangenen Wochen mehrfach betont, dass die Marschflugkörper nicht vernichtet werden. Die Vorwürfe der USA seien haltlos.

Statt der von den USA angenommenen Reichweite der Raketen von etwa 2600 Kilometern hätten die Marschflugkörper nur eine Reichweite von unter 500 Kilometern. Das wäre laut des INF-Vertrags erlaubt.

Es gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass Russland in der Auseinandersetzung doch noch einlenkt.

Das bedeutet ein Aus des INF-Vertrags für Europa

Für Europa wäre das Aus für den INF-Vertrag hochbrisant. Als Folge käme es wohl zu einer Diskussion über eine mögliche atomare Aufrüstung in Europa. Nach Auffassung von Militärs ließen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern.

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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wich zuletzt der Frage aus, ob die Aufkündigung des Vertrages durch die USA eine Stationierung von zusätzlichen amerikanischen Atomwaffen in Europa zur Folge haben könnte.

Hintergrund unseres Brüssel-Korrespondenten: Bedrohen Putins Atomraketen Deutschland?

(dpa/sdo/tki)