Berlin. Digitalpakt, Kohlekommission, Grundsteuer – die Ministerpräsidenten bieten der Bundesregierung zunehmend selbstbewusst die Stirn.

Markus Söder ist sich sicher: Eine neue Zeit ist angebrochen – „die Zeit, in der die Länder deutlich mehr Macht haben“, sagte der bayerische Ministerpräsident kurz nach seiner Kür zum CSU-Chef in München. Um eine Woche später dann in Berlin von einer „Südschiene“ mit dem grün-schwarz-regierten Baden-Württemberg zu sprechen und festzuhalten, dass sich auch die Schwesterpartei CDU „breiter und föderaler“ aufstelle.

Söder ist nicht der einzige Landesfürst, der zunehmend machtbewusst auftritt. Und auch den Sprung nach Berlin trauen sich manche zu. Das war mal anders. Noch vor fünf Jahren gab es bis auf Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) keine Ministerpräsidenten, die Ambitionen auf ein Ministerium oder das Kanzleramt hatten. Bestes Beispiel war Hannelore Kraft (SPD). Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin schloss immer wieder aus, in die Hauptstadt zu wechseln.

Armin Laschet und Daniel Günther mischen in Berlin mit

Ihr Nachfolger Armin Laschet (CDU) ist da anders, ähnlich wie Daniel Günther (CDU, Schleswig-Holstein). Sie mischen in Berlin mit, sind fast unverhohlen ehrgeizig, können sich mehr vorstellen als das Amt des Landesvaters, auch wenn sie noch gar nicht so lange im Amt sind.

Laschet lästert sogar gern mal über den Bund. Zuletzt machte er sich über die Pannen der Flugbereitschaft lustig: „Die Bundeswehr kriegt nicht mal ihre Flugzeuge vom Boden, um die Minister zu befördern.“ Kritik nach dem Motto: Wir können es besser.

Die schwache Regierung in Berlin bietet viele Angriffsflächen

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU/r.) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Wilfried Kretschmann (Grüne) im Gespräch mit Familienministerin Franziska Giffey (SPD).
Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU/r.) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Wilfried Kretschmann (Grüne) im Gespräch mit Familienministerin Franziska Giffey (SPD). © dpa | Wolfgang Kumm

Dieser Ehrgeiz ist nichts Neues, sondern hat Tradition. So waren die Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU), Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) zuvor Ministerpräsidenten. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte es in den ersten Jahren ihrer Kanzlerschaft mit ehrgeizigen Länderfürsten wie Hessens Roland Koch und Niedersachsens Christian Wulff zu tun.

Das neue Selbstbewusstsein der Ministerpräsidenten entstand 2018 und hatte auch mit dem Krisenstart von Schwarz-Rot zu tun. Die schwache Regierung in Berlin bietet­ ­viele Angriffsflächen. Hinzu kommt: Schwarz-Rot hat im Bundesrat keine Mehrheit. Die Länder trumpfen in verschiedenen Bereichen deutlich auf. Eine Übersicht:

Digitalpakt

Das Geld soll die Schulen in die Zukunft bringen – oder zumindest an die Gegenwart anschließen. Es geht um fünf Milliarden Euro vom Bund. Mit dem Geld sollen Schulen mit Wlan, Laptops, Tablets und digitalen Lerninhalten ausgestattet werden. Bildung ist aber bisher ausschließlich Ländersache, ein Kooperationsverbot setzt enge Grenzen.

Eine Grundgesetzänderung – wie vom Bund angestrebt – ist deshalb mit den Länderfürsten nicht zu machen. Sie fürchten, dass der Bund in ihr Hoheitsgebiet eindringt. Sie wittern Einmischung, eine Zentralisierung der Schulpolitik. Und lehnen auch einen Plan geschlossen ab, nach dem sie in Zukunft bei allen Bund-Länder-Programmen die Hälfte zahlen sollen.

Der Ton ist rau. So sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Dezember: „Die sollen uns das Geld geben. Und wir verpflichten uns, das in diesem Bereich einzusetzen. Dann geht das ganz schnell über die Bühne.“ Söder wurde grundsätzlicher: „Am Anfang waren die Länder – dann kam der Bund.“

Zum Start des Vermittlungsverfahrens am Mittwochabend wurde erst mal eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Der Pakt könnte von der Grundgesetzänderung entkoppelt werden. Kretschmann und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sollen intern sehr deutlich gemacht haben, dass eine Grundgesetzänderung mit ihnen nicht zu machen sei.

Söder machte klar: „Das kann nicht Sinn und Zweck sein, dass am Ende aus Berlin Einheitsschulen geplant werden auf Berliner Niveau für ganz Deutschland – das wollen wir nicht.“ Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Das Geld für die Digitalisierung wird so schnell nicht fließen. Dass die Ministerpräsidenten beim wichtigen Thema Bildung als Modernisierungsbremser dastehen, scheint ihnen ziemlich egal zu sein. Eigentlich sollte im Januar bereits das Geld fließen. Leidtragende des Streits sind die Schüler.

Grundsteuer

Ein weiterer Streitpunkt zwischen Bund und Ländern ist die Grundsteuer. Über diese wird am Freitag in einem Bund-Länder-Spitzengespräch bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) beraten. Bayerns Ministerpräsident Söder kündigte schon im Vorfeld an: Nicht mit mir. Er wird dem vorgelegten Kompromiss nicht zustimmen.

Der Scholz-Plan würde Mieten in Ballungszentren wie München erhöhen und einen immensen Bürokratieaufbau bedeuten, sagte Söder. „Alleine in Bayern müssten wir 3400 neue Steuerbeamte einstellen.“ Söder kündigte einen eigenen Reformvorschlag für den Fe­bruar an. Auch Schleswig-Holstein hat ein eigenes Modell in petto.

Der Deutsche Städtetag fordert von Bund und Ländern mehr Tempo. „Die Grundsteuer-Reform duldet keinen weiteren Aufschub“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, unserer Redaktion. „Wir hoffen sehr, dass Bund und Länder bei ihrem Treffen am Freitag eine Lösung finden.“

Es dürfe auf keinen Fall passieren, dass die Städte und Gemeinden ab 2020 eine ihrer wichtigsten Steuern verlieren, mit der zum Beispiel Schulen, Straßen und Schwimmbäder finanziert würden. „Auf dem Spiel stehen kommunale Einnahmen von derzeit 14 Milliarden Euro im Jahr.“ Dedy fordert einen Gesetzentwurf bis spätestens Ostern. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Grundsteuer in der aktuellen Form gekippt.

Kohlekommission

Von Mitgliedern der Kohlekommission hört man, dass die Ministerpräsidenten „wie Löwen“ gekämpft haben – besonders der Name von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff fällt. Und die Ministerpräsidenten haben dem Bund einiges abgetrotzt. Ingesamt wurden 40 Milliarden Euro an Hilfen veranschlagt – ein gewaltiges Konjunkturprogramm für die betroffenen Länder. Auch soll der Bund 5000 neue Arbeitsplätze in den Regionen ab 2028 schaffen.

Doch es läuft auch hier auf einen Konflikt hinaus: Bundesfinanzminister Scholz will für den geplanten Kohleausstieg kein zusätzliches Geld bereitstellen. Die von der Kohlekommission veranschlagten 40 Milliarden Euro Kosten halte er für plausibel, sagte der SPD-Politiker dem „Handelsblatt“. Die Summe müsse allerdings aus den laufenden Etats der Bundesministerien geleistet werden.