Berlin. Paragraf 219a regelt, dass Abtreibungen nicht beworben werden. Das bleibt auch so. Trotzdem sollen Frauen bald einfacher Hilfe finden.

Werbung für Abtreibungen bleibt auch in Zukunft verboten – die bloße Information über Ärzte, die Abtreibungen anbieten, soll aber künftig einfacher möglich sein. Das ist das wichtigste Ergebnis nach langem Ringen um eine Reform des Paragrafen 219a.

Am späten Mittwochabend hatten die fünf zuständigen Minister nach hektischen letzten Abstimmungen den Durchbruch verkündet. Zuvor hatten Justizministerin Katarina Barley (SPD), Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer monatelang nach einem Ausweg aus dem verfahrenen Konflikt gesucht.

Ist damit der Streit zwischen Union und SPD beendet? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

• Wie sieht die Einigung genau aus?

Der Paragraf 219a, der Werbung für Abtreibungen verbietet, soll bestehen bleiben – aber ergänzt werden: „Wir wollen mehr Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser schaffen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen“, heißt es in der Vereinbarung der fünf Minister von Mittwochabend.

Deshalb soll es eine neue Formulierung geben, nach der Ärzte und Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. „Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch darf es jedoch auch in Zukunft nicht geben.“

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• Ist die neue Formulierung schon definitiv?

Wie diese ergänzende Formulierung am Ende aussieht – das soll spätestens bis Januar feststehen. Erst dann wird sich zeigen, ob der Kompromiss der fünf Minister auch im Bundestag durchkommt. Man warte nun „die weitere Konkretisierung ab“, erklärte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus.

Auch seine SPD-Kollegin Andrea Nahles reagierte zunächst zurückhaltend: Es sei gut, dass es einen Kompromissvorschlag gebe. Die SPD tritt eigentlich für die Abschaffung des Werbeverbots ein – und muss daher angesichts der vorgeschlagenen Lösung die dickere Kröte schlucken.

• Wie wahrscheinlich ist es, dass der Vorschlag von SPD und Union abgelehnt wird?

Lehnen am Ende die Bundestagsfraktionen von SPD und Union den Vorschlag ab, wäre die Einigung umsonst gewesen. Da aber weder Union noch SPD ein Interesse daran haben, die Koalition ausgerechnet am Abtreibungsrecht scheitern zu lassen, dürfte der Vorschlag gute Chancen haben.

Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hob schon mal via Twitter den Daumen: Es sei gut, dass das Werbeverbot bleibe. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zeigte sich zufrieden. Die evangelische Kirche lobte ebenfalls die Einigung. Die Linke und die Grünen im Bundestag dagegen bestehen weiter auf einer Streichung des Paragrafen.

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• Was ändert sich für betroffene Frauen?

Die fünf Minister schlagen ein neues Informationssystem vor, das Frauen in Notlagen helfen soll: Die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) sollen bundesweit Kontaktadressen von Ärzten und Kliniken, die Abtreibungen vornehmen, zusammenstellen und für jeden einfach zugänglich machen.

Daneben will die Regierung die Hilfsangebote für Frauen stärken, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und Frauen in Schwangerschaftskonflikten besser zu unterstützen. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sei nach wie vor zu hoch, beklagen die fünf Minister.

• Was sagen die Ärzte zu der Einigung?

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sieht die Regierung mit dem Kompromiss auf dem richtigen Weg: „Keine Frau auf der Welt entscheidet sich für den Schwangerschaftsabbruch, weil so ein schönes buntes Poster im Internet stand“, sagte er im Deutschlandfunk.

Niemand wolle für Schwangerschaftsabbrüche werben. Aber schwangere Frauen müssten sich über das Verfahren informieren können.

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel dagegen, die via Homepage reagierte verärgert auf die Einigung: „Wir als von Strafverfahren betroffene Ärztinnen sind entsetzt.“

Bei genauerem Hinsehen erweise sich der Kompromiss als „Null-Nummer“. Der Paragraf 219a bleibe komplett bestehen, einschließlich der Strafandrohung von zwei Jahren Gefängnis.

Der Vorschlag, Adresslisten herauszugeben sei prinzipiell gut: „Diese Listen werden aber niemals vollständig sein, zu viele Ärztinnen und Ärzte haben Angst, an den Pranger gestellt zu werden.“ Solche Listen könnten auch nicht die medizinisch ausführlichen Informationen ersetzen, die heutzutage auf ärztlichen Websites Standard seien.

• Warum wird der Paragraf 219a nicht einfach gestrichen?

Die Mehrheit dazu gibt es – zumindest rechnerisch: Die SPD könnte mit den Stimmen von Grünen, FDP und Linke den Paragrafen abschaffen. Doch das wäre ein Affront gegen den Koalitionspartner CDU/CSU – mit der Gefahr, die Koalition zu sprengen.

Die FDP will nun genau das provozieren – mit einer Abstimmung im Bundestag noch an diesem Donnerstag. Die Chancen, dass es zum Eklat kommt stehen derzeit aber gleich Null. Die Koalition hat die finale Entscheidung auf Januar vertagt.