Berlin/Luxemburg. Die Vorbereitungen für das Prestigeprojekt der CSU laufen trotz Klage vor dem EuGH. Vor 2021 wird die Maut aber wohl nicht kommen.

Der Große Saal im Gebäude des Europäischen Gerichtshofs gleicht einer Kathe­drale. Unter einem glockenförmigen Glasdach sind die Stuhlreihen angeordnet wie Kirchenbänke. An der Stirnseite erstreckt sich in einem Halbkreis die Richterbank. In diesem Gericht in Luxemburg wird EU-Recht gesprochen.

Am Dienstag ging es um die deutsche Pkw-Maut. In einer mündlichen Verhandlung wollten die Richter herausfinden, welche Argumente die Regierung von Österreich gegen die deutsche Maut vorbringen konnte.

Regierung vergibt weiter Aufträge zur Maut in Millionenhöhe

Das Nachbarland hatte die deutsche Bundesregierung verklagt, weil ausländische Autofahrer durch die Pkw-Maut benachteiligt würden. Beamte der österreichischen Regierung und ihre Anwälte waren deshalb nach Luxemburg gereist. Die deutsche Seite hatte wie bei jedem Verfahren vor dem Gerichtshof Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums geschickt. Der Anwalt der deutschen Seite verteidigte die Pläne für die Maut, die offiziell „Infrastrukturabgabe“ heißt.

Etwas mehr als zwei Stunden hat die Verhandlung am Dienstag gedauert. Ein Urteil gab es nicht, aber mit der Verhandlung hat der finale Countdown für die Pkw-Maut begonnen. An dessen Ende wird klar sein, ob die umstrittene Abgabe kommen darf – oder ob sie als gigantischer politischer Rohrkrepierer enden wird.

Die Vorbereitungen für die Maut laufen trotzdem weiter: Die Bundesregierung zeigt sich von dem laufenden Verfahren unberührt und vergibt Aufträge in Millionenhöhe – als ob nichts geschehen könnte.

In einem halben Jahr kommt die Entscheidung

Schon in drei Monaten wird klar sein, welche Chancen die Maut tatsächlich hat. Dann wird der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs seinen „Schlussantrag“ vorlegen – das ist der Richter, der unabhängig vom Gericht vorschlägt, wie das Urteil ausfallen soll.

In der Regel folgen die anderen Richter seinem Vorschlag. Das eigentliche Urteil wird dann weitere drei Monate später kommen. In einem halben Jahr also heißt es: hopp oder topp. „Die Rechtsansicht, wonach das Modell der deutschen Pkw-Maut EU-rechtswidrig ist, gilt nach wie vor“, sagte ein Sprecher des österreichischen Verkehrsministers Norbert Hofer (FPÖ) am Dienstag.

Sollte die deutsche Maut kommen, hat Österreich bereits angedroht, seinerseits die Abgaben für ausländische Autofahrer zu erhöhen. Man werde „den umweltbelastenden ausländischen Transitverkehr verteuern und gleichzeitig die österreichischen Autofahrer entlasten“, sagte Hofer vor wenigen Monaten.

Saubere Autos sollen belohnt werden

Damit spielte der Minister auf den Trick an, den die deutsche Regierung anwendet, damit die „Ausländer-Maut“, mit der die CSU 2013 in den Bundestagswahlkampf gezogen war, europarechtlich nicht angreifbar sein soll: Die Maut soll zwar von allen Autofahrern erhoben werden, auch von den deutschen.

Bei diesen wird die Abgabe aber mit der Kfz-Steuer verrechnet. Deutsche Besitzer von sehr sauberen Autos sollen dabei unter dem Strich belohnt werden. Mit dieser Umwelt-Komponente will die Bundesregierung den Vorwurf, nur Ausländer zu belasten, entkräften. Die EU-Kommission hat das vor zwei Jahren überzeugt. Die Nachbarstaaten wie Österreich oder die Niederlande nicht.

Die Maut war sein Projekt: Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Die Maut war sein Projekt: Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Scheuer gibt sich bedeckt, was Start angeht

Ausgedacht hatte sich das alles noch Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Umsetzen muss die Maut nun sein Nachfolger Andreas Scheuer (CSU). Während Dobrindt den Start der Maut ursprünglich für 2016 ankündigte, hält Scheuer sich bedeckt.

Die offizielle Sprachregelung lautet, die Pkw-Maut werde „noch in dieser Wahlperiode“ kommen. Das wäre bis zum Herbst 2021, wenn die schwarz-rote Koalition so lange hält und dann ein neuer Bundestag gewählt wird. Unter der Hand hieß es zuletzt in der Regierung, die Maut komme „Mitte 2020“. Dann sei die Inbetriebnahme des Systems realistisch.

Österreichische Firma erhebt die deutsche Maut

Inzwischen ist klar, dass der Starttermin noch etwas später liegen könnte und tatsächlich nahe an die nächste Bundestagswahl heranrückt. Denn inzwischen hat die Regierung den ersten Auftrag im Zusammenhang mit der Pkw-Maut vergeben: Die Firma Maut & Telematik Services GmbH (MTS) aus Berlin hat jüngst den Zuschlag für das System erhalten, das die ausländischen Fahrzeughalter kontrollieren soll. Hinter MTS steht das Unternehmen Kapsch TrafficCom, das ausgerechnet aus Österreich kommt.

Inhaber Georg Kapsch ist der Vorsitzende des österreichischen Indus­trieverbands und hat die österreichische Regierung zuletzt scharf für ihre Medienpolitik kritisiert. Kapsch hat zusammen mit seinem Bruder ein Unternehmen aufgebaut, das weltweit Verkehrssysteme errichtet und betreibt – mit rund 5000 Mitarbeitern und 700 Millionen Euro Umsatz.

Das Mautsystem in Österreich betreibt Kapsch TrafficCom ebenso wie die landesweiten Systeme in Polen, in Tschechien, in der Schweiz und in Weißrussland. Aktuell wird das Mautsystem in Bulgarien errichtet. In den USA, in Chile und in Australien betreibt die Firma einzelne Mautstrecken.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Kapsch soll Maut in Deutschland für zwölf Jahre kontrollieren

Ob sich Kapsch für die Erhebung der Pkw-Maut in Deutschland beworben hat, dazu gibt es keine offiziellen Angaben. Das Vergabeverfahren ist geheim. Der Zuschlag sollte schon im November erteilt werden, verzögert sich aber. Angeblich soll er nun bis Jahresende abgeschlossen sein. Dass Kapsch mindestens die Einhaltung der Maut-Regeln kontrollieren wird, ist dagegen sicher.

Der Vertrag, der im Oktober bekannt gegeben wurde, sieht vor, dass das Unternehmen die Kontrolle mindestens zwölf Jahre lang übernehmen wird. Der Kern ist dabei ein Rechenzentrum zur Verarbeitung und zum Abgleich der Autokennzeichen. Maximal 120 Millionen Euro bekommt Kapsch TrafficCom dafür.

Wird die Maut Geld einbringen?

Was eine Sprecherin des Unternehmens aus Wien auch mitteilt, ist der Termin, zu dem das Kontrollsystem betriebsbereit sein soll: „Das Projekt wird laut Plan im dritten Quartal 2020 abgeschlossen sein.“ Sie fügte hinzu: Wann die Kontrolle dann tatsächlich beginne, hänge mit den anderen Teilausschreibungen zusammen.

Übersetzt heißt das: Der Aufbau des gesamten Pkw-Maut-Systems dürfte nicht vor dem Jahreswechsel 2020/21 beendet sein. Wie lange dann der Testbetrieb dauern wird, ist offen. In den Haushaltsberatungen warnte das Bundesverkehrsministerium davor, dass die Maut nicht starten könne, wenn nicht sofort mehr Personal für die Vorbereitung eingestellt werde.

Offen ist auch noch immer, ob die Maut Geld einbringen wird. Minister Scheuer hofft auf eine halbe Milliarde Euro Netto-Einnahmen pro Jahr. Viele Fachleute glauben an ein Minusgeschäft – falls der Europäische Gerichtshof der Bundesregierung nicht ohnehin einen Strich durch die Rechnung macht.