Berlin. Die Kosten für ein Kind können für die Eltern enorm sein. Gesundheitsminister Jens Spahn will deshalb Kinderlose zur Kasse bitten.

Sollen Kinderlose bei der Pflege- und Rentenversicherung stärker zur Kasse gebeten werden, um dem demografischen Wandel Rechnung zu tragen? Die Forderung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine breite Diskussion ausgelöst. Scharfe Kritik kommt vom Koalitionspartner: „Wir wollen keinen Weg, der die Gesellschaft spaltet“, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) unserer Redaktion.

„Schon im bestehenden Kranken- und Pflegesystem sind Kinderlose solidarisch mit Familien, die Kinder haben.“ Fest steht aber: Der Generationenvertrag wird auf absehbare Zeit nicht mehr funktionieren. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden. 2016 lag der Schnitt mit 1,59 Kinder pro Frau so hoch wie seit 1973 nicht mehr.

Das reicht aber nicht aus, um die Jahrgänge der „Babyboomer“ auszugleichen. 1964 lag die Geburtenrate bei 2,54 Kindern pro Frau. Sind also Kinderlose gefordert, das System finanziell zu unterstützen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Debatte.

Wie viele Deutsche sind kinderlos?

Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland 8,2 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Jede fünfte Frau in Deutschland ist kinderlos. Das liegt aber nicht daran, dass diese Frauen keine Lust auf Kinder haben. Im Gegenteil: Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums sind ein Viertel der Männer und Frauen zwischen 20 und 50 Jahren ungewollt kinderlos.

Kinderlosigkeit ist häufig mit einer Tabuisierung und Stigmatisierung verbunden, insbesondere für Frauen. Rund ein Drittel der in der Studie Befragten meinten, dass kinderlose Frauen in unserer Gesellschaft als egoistisch gelten. „Kinderlosigkeit kann mit verschiedensten Gründen verknüpft sein, biologisch, altersbedingt oder auch damit, nicht den richtigen Partner zum richtigen Zeitpunkt zu finden. Für die ungewollt Kinderlosen ist die gesellschaftliche Konzeption vom Nutznießer ein Schlag ins Gesicht“, meint Soziologin Julia Hahmann.

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Der häufigste Grund für Kinderlosigkeit ist einer Studie des Allensbach-Instituts aus dem Jahr 2007 zufolge, dass Menschen keinen geeigneten Partner finden. 46 Prozent der Kinderlosen nannten diese Begründung. Rund ein Viertel der Befragten hat aus beruflichen oder finanziellen Gründen kein Kind. Biologische Gründe waren dagegen nur bei rund 13 Prozent der Grund für die Kinderlosigkeit.

„Häufig wird die Realisierung des Kinderwunsches lange aufgeschoben“, erläutert Jasmin Passet-Wittig vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Dies liege unter anderem an unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, einem fehlenden oder unpassenden Partner oder an der gefühlt hohen Anforderung an eine Elternschaft. Familienministerin Giffey fordert eine stärke staatliche Hilfe: „Wir müssen die stärker unterstützen, die ungewollt kinderlos sind“, sagte sie. Im kommenden Haushalt stünden acht Millionen Euro für die Unterstützung Kinderloser bereit.

Zahlen Kinderlose mehr Renten- und Pflegeversicherung?

Bei der Pflegeversicherung zahlen Kinderlose bereits seit 2005 0,25 Prozentpunkte mehr als Familien. Bei einem Bruttogehalt von 3000 Euro liegt der monatliche Beitrag für die Pflegeversicherung somit bei 84 Euro für Kinderlose und 76,50 Euro für Familien. Bei der Rentenversicherung gibt es bisher keine Unterschiede. Allerdings handelt es sich bei Pflege- und Rentenversicherung um zwei unterschiedliche Systeme.

Während bei der Pflege der Staat eine gestaffelte Hilfe je nach Pflegebedürftigkeit leistet, gilt bei der Rente das Äquivalenzprinzip. Das heißt: Die Höhe der Leistung, die ein Beitragszahler in seinem Arbeitsleben erbracht hat, schlägt sich unmittelbar in der staatlichen Gegenleistung, nämlich der Rente, nieder. Je mehr also ein Beitragszahler in die Rentenversicherung einzahlt, desto höher fällt seine Rente aus.

Ein höherer Beitragssatz für Kinderlose würde also dem System nicht helfen, sondern zu höheren Renten bei ebendiesen Kinderlosen führen. Spahns Forderung wäre nur dann anwendbar, wenn ein Zusatzbeitrag erhoben oder das bestehende System geändert würde. Seitens der Deutschen Rentenversicherung heißt es, dass aktuell keine Pläne geprüft werden, wie eine konkrete Maßnahme für höhere Rentenbeiträge für Kinderlose aussehen könnte. Auch das Gesundheitsministerium konnte keine konkreten Umsetzungsmöglichkeiten benennen.

Wo sonst zahlen Kinderlose mehr?

Laut einer OECD-Studie zahlen kinderlose Singles 39,9 Prozent Steuern und Sozialabgaben auf ihr Einkommen. Werden die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Sozialbeiträge noch dazugerechnet, sind es sogar 49,7 Prozent. Nur Belgien bittet Singles ohne Nachwuchs noch höher zur Kasse.

Ein Ehepaar mit zwei Kindern kommt in Deutschland auf nur 21,7 Prozent und mit den Sozialbeiträgen, die vom Arbeitgeber bezahlt werden, auf 34,5 Prozent an Steuern und Sozialabgaben. Den größten Faktor für die Unterschiede bildet die Einkommensteuer. Alleinstehende zahlen im Schnitt 16 Prozent Einkommensteuer, Familien mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen zahlen nur 1,4 Prozent.

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    Kinder sind nicht nur ein wichtiger Faktor zum Erhalt des derzeitigen Systems, sie kosten auch viel Geld. Laut Statistikamt kostet ein Kind ein Paar durchschnittlich 660 Euro im Monat. Das macht hochgerechnet auf 18 Jahre 142.560 Euro. Diese hohen Ausgaben schränken auch den eigenen Lebensstil ein.

    Drastisch wird das bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern. 220.000 Euro investieren sie in den Lebensunterhalt ihrer Kinder, das macht fast die Hälfte aller eigenen Haushaltsausgaben aus. Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Existenzminimumsbericht liegt das Minimum an Kosten, die mit einem Kind bis zu dessen 18. Lebensjahr einhergehen, bei knapp 65.000 Euro.

    Unterstützt der Staat Familien?

    Familien werden mit den Kosten für ihr Kind nicht alleingelassen. Jede Familie erhält entweder monatlich Kindergeld in Höhe von 194 Euro pro Kind oder aber einen steuerlich absetzbaren Kinderfreibetrag in Höhe von 7428 Euro pro Kind. Auch gibt es das Elterngeld, das fehlendes Einkommen in den Monaten nach der Geburt ausgleicht und mindestens 300 Euro monatlich bringt.

    Bis zu 13 Euro pro Tag können Mütter in der Zeit um die Geburt über das Mutterschaftsgeld bekommen, das mit dem Elterngeld verrechnet wird. Auch erhalten Mütter und Väter Rentenpunkte. Eltern mit Kindern, die nach 1992 geboren wurden, erhalten drei Rentenpunkte, alle anderen bekommen zweieinhalb Rentenpunkte. Familien mit wenig Geld werden gesondert gefördert. Sie können Wohngeld erhalten und den Kinderzuschlag in Höhe von maximal 170 Euro monatlich beantragen. Auch gibt es unter anderem Unterstützung bei Kosten für den Schulbedarf oder beim Schulmittagessen des Kindes.

    Höhere Abgaben für Kinderlose? Ein Pro und Contra:

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    Contra: Warum Kinderlose nicht mehr zahlen sollten als Eltern