Michelle Obama veröffentlicht Memoiren – mit intimen Details
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Von Dirk Hautkapp
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Washington. In „Becoming“ plaudert Michelle Obama über ihre Ehe mit Barack, eine Fehlgeburt und Donald Trump. Die Biografie ist heute erschienen.
Wer nach über 400 Seiten beim anrührenden Epilog der Autobiographie von Michelle Obama angekommen ist, der empfindet ein rares Gefühl der emotionalen wie intellektuellen Sättigung.
Die öffentlich inszenierte Präsidentengattin, die seit zehn Jahren auch aufgrund ihrer Hautfarbe täglich unter dem Mikroskop der Mediengesellschaft seziert wurde, ist mit der privaten in bemerkenswerter Weise identisch.
Humor, Zielstrebigkeit, Herzenswärme, Eleganz, Würde, Authentizität, Verletzlichkeit und Prinzipientreue – Qualitäten, die die 54-Jährige in ihrer Rolle als „First Lady“ und „Mom-in-Chief“ der Vereinigten Staaten von Amerika an der Seite von Barack Obama mit angeborener Umverkrampftheit demonstrierte, ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr auch ins Deutsche übersetztes Buch mit Titel „Becoming“. Was so viel wie „Werden“ bedeutet. Und was wird, das entwickelt sich und ist noch lange nicht fertig.
Michelle Obama räumt mit Spekulationen um eigene Politik-Ambitionen auf
Aus der Andeutung auf dem Buchdeckel des mit einem zweistelligen Millionenbetrag dotierten und in über 20 Sprachen verlegten Bestellers-in-spe wollten Bewunderer früh herauslesen, dass Michelle Obama eines Tages selbst nach dem höchsten Amt streben könnte. Gerade heute, wo die von ihr 2016 in Philadelphia mit natürlicher Autorität ausgegebene Verhaltensregel – „When they go low, we go high“/Je tiefer die anderen sinken, desto höher streben wir“ – angesichts nicht enden wollender Trumpiaden für viele Amerikaner zeitgemäßer denn je erscheint.
Aber Pustekuchen. „Ich sage es ganz klar“, schreibt sie, „ich habe keine Absicht, jemals für ein Amt zu kandidieren. Ich war nie ein Fan der Politik, und das, was ich in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe, hat nicht dazu beigetragen, dass ich meine Meinung geändert hätte.“
Das sind die First Ladys seit 1945
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Dass daran auch der amtierende Commander-in-Chief seinen Anteil hat, wird Michelle Obama in den nächsten Tagen bei einer bei Ticketpreisen bis zu 3000 Dollar ausverkauften Lese-Reise in Rockkonzert-Format vor jeweils bis zu 20.000 Gästen gewiss mündlich ausführen. Im Text betrachtet die an Elite-Universitäten wie Princeton und Harvard ausgebildete Juristin Barack Obama vor allem durch das Prisma Familie.
Michelle Obama: Trump hat Sicherheit meiner Familie aufs Spiel gesetzt
Dass Trump sich, um die „Verrückten anzustacheln“, als Verstärker der Verschwörungstheorie hergab, wonach Barack Obama ein illegitimer Präsident sei, weil gar nicht in Amerika geboren, nennt sie „borniert“ und „fremdenfeindlich“. Aber es geht ihr um mehr: „Was, wenn jemand mit unstabiler Psyche eine Waffe geladen und nach Washington gefahren wäre? Was, wenn diese Person es auf unsere Mädchen abgesehen hätte?“ Für Michelle Obama steht fest, dass Donald Trump mit seinen „lauten und rücksichtslosen Anspielungen die Sicherheit meiner Familie aufs Spiel gesetzt hat. Und das werde ich ihm nie verzeihen.“
Seit sie Privatperson ist, gesteht sie am Ende des Buches, liege sie nachts wach, „wütend über Berichte in den Medien, die mir den Magen umdrehen“. Weil das „Verhalten“ und die „politische Agenda“ Trumps dafür gesorgt hätten, dass „viele Amerikaner an sich zweifeln und sich voreinander fürchten“. Wie geht das aus? „Manchmal frage ich mich, wie tief er noch sinken kann.“
„Becoming“ ist in drei teils private Teile gegliedert
Ihrem Hang zum „Kontrollfreak“ folgend hat Michelle Obama das in leicht konsumierbarem und oft unter die Haut gehenden Ton geschriebene Buch in drei chronologisch aufgebaute Kapitel gegliedert. Und so teilt sich Michelle Obamas Autobiografie in folgende große Kapitel:
• „Ich werden“ kündet von den Anfängen als Tochter eines Mittelschichts-Haushalts in Chicagos prekärer „South Side“, wo man sich auch als Mädchen mitunter mit den Fäusten gegen schnippische Geschlechtsgenossinnen (du erinnerst Dich, Deedee?) durchsetzen musste. Und dem Ehrgeiz, ihre Begabungen an die besten Hochschulen des Landes zu tragen und später in eine angesehene Anwaltskanzlei.
• „Wir werden“ beginnt mit den ersten Begegnungen mit Barack Obama, den sie, zunächst skeptisch und um ihre Autonomie besorgt, lange zappeln ließ. Als sie sich ihm öffnete, setzte eine „überwältigende Welle von Lust, Dankbarkeit, Erfüllung und Bewunderung“ ein, die bis heute nicht abgeebbt sei. Dass die Ehe wegen unterschiedlicher Prioritäten (er ging schnell auf in der Politik, ihr ging sie auf die Nerven) früh bis in die Paar-Therapie musste, wird nicht verschwiegen. Wie auch der bis vor kurzem unbekannte Weg zum zweifachen Mutterglück. Nach einer Fehlgeburt empfingen die Obamas ihre Töchter Sasha und Malia durch künstliche Befruchtung.
• „Mehr werden“ schließlich reflektiert ihre acht ereignisreichen Jahren als erste schwarze First Lady im Weißen Haus. Eine Adresse, über die sie einmal sagte, es handelte sich um ein „wirklich schönes Gefängnis mit eigenem Küchenchef“.
Die Obamas zeigen ihre Weihnachts-Deko
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Wie sie sich dort schlug, erst als „wütende schwarze Frau“ abgekanzelt, später bis weit hinein ins konservative Lager als empathische Stil- und Charakter-Ikone verehrt, die das Wohl ihrer Mädchen immer an die erste Stelle rückte, ist lohnende Lektüre. Und erklärt, warum die coolste Präsidentengattin seit Jackie Kennedy Amerika ans Herz gewachsen ist.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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