Berlin. Politiker sehen den Zoll als „sicherheitspolitische Katastrophe“. Beim Kampf gegen Geldwäsche sollen die Beamten von Polizisten lernen.

An jedem Werktag erreichen die Zollfahnder in Köln 300 Meldungen – Tendenz steigend. Sie kommen von fast immer von Banken, in seltenen Fällen auch von Notaren, Wirtschaftsprüfern oder Immobilienmaklern. Der Verdacht: Geldwäsche. Im Prinzip ist seit Jahrzehnten ein ganzer Wirtschaftszweig mit dunklem Geld aus Straftaten gewachsen, es geht um etliche Milliarden Euro.

Allein im Immobiliensektor schätzen Experten den Anteil von Geldwäschegeschäften auf sieben bis zehn Prozent, rund 25 Milliarden Euro jedes Jahr. Deutschland, sagen Finanzermittler und Kriminalbeamte, ist längst eine Oase für Geldwäsche: weil die Wirtschaft wächst, weil Gesetze Investoren schützen – und weil die Ermittler hinterherhinken.

Financial Intelligence Unit gegründet

2016 hatte die Bundesregierung deshalb eine Idee: Der Zoll soll die Jagd auf Geldwäscher führen. Und nicht, wie bisher, das Bundeskriminalamt. Unter dem Dach der Generalzolldirektion gründeten Beamte die Financial Intelligence Unit (FIU) im Sommer 2017 neu.

Die Mitarbeiter der FIU, so der Gedanke, könnten Finanzbeamte und Polizisten in einem Amt sein. Außerdem würde das Kriminalamt entlastet und muss nicht den Tausenden Verdachtsfällen nachgehen, von denen sich ein großer Teil nach ersten Ermittlungen oft als falsch erweist.

Doch ein Jahr nach der Gründung der Anti-Geldwäsche-Einheit endete der Plan der Bundesregierung im Chaos. In diesem Sommer musste der Chef der FIU gehen. Mehrere wichtige Verfahren etwa im Bereich der Terrorfinanzierung und der Organisierten Kriminalität konnten nicht bearbeitet werden.

Grünen-Politikerin über Zoll: „Tickende Zeitbombe“

In den ersten Monaten funktionierte die Technik der neuen Behörde mit Sitz in Köln nicht, Fälle mussten per Fax geschickt und händisch ins System eingetragen werden. Der Stapel der rückständigen Fälle wuchs auf mehr als 30.000 an. Der FIU fehlte Personal – vor allem Experten, die nicht nur etwas von Volkswirtschaft und Steuern verstehen, sondern auch vom Handeln der Verbrecher.

Bis heute sind Zoll, aber auch die Politik damit befasst, der Spezialeinheit beim Zoll einen Neustart zu ermöglichen. Gestern war die FIU noch einmal Debatte im Finanzausschuss des Bundestags. Oppositionspolitiker wie der Linken-Finanzexperte Fabio De Masi sprechen von einer „sicherheitspolitischen Katastrophe“. Die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus nennt die FIU eine „tickende Zeitbombe“. Auch die Bundesregierung erkannte in den vergangenen Monaten die Not.

Aushilfen sind überfordert

In den nächsten Jahren soll die Truppe auf fast 500 Mitarbeiter anwachsen. Derzeit sind es nach Informationen dieser Redaktion 130, plus 230 Aushilfen. Doch Verfahren der Geldwäsche sind zu komplex für Aushilfen. Oftmals geht es um Kriminelle, die ihr Geld über Banken in mehreren Ländern waschen. Oftmals kommen die Einnahmen aus Überfällen, Betrug, Drogengeschäften. Doch Täter und Geldwäscher verwischen ihre Verbindungen.

Die neue Leitung der FIU hat nun einen Plan entwickelt, um der Behörde auf die Beine zu helfen, einen „Managementplan“, der unserer Redaktion vorliegt. Mit Mehrarbeit und Sonderprüfungen will die FIU Ordnung in die Verfahren bringen.

Zoll soll mehr über organisiertes Verbrechen lernen

Neue Abteilungen sollen Risiken verringern, dass brisante Fälle nicht schnell genug bearbeitet werden. Zudem sollen Mitarbeiter der Zollbehörde besser geschult werden – und bei der Kriminalpolizei „hospitieren“, um besser gemeinsam zusammenzuarbeiten und mehr über organisierte Verbrechen zu lernen.

„Der FIU fehlt es an kriminalistischer Expertise, weil etwa Pensionen nicht so attraktiv sind wie beim BKA oder den Landeskriminalämtern“, sagt Linken-Politiker De Masi. Und die Sondereinheit des Zolls verfüge über kein umfangreiches polizeiliches Lagebild.

Schlechter Zugang zu Daten

Denn ein gravierendes Problem ist vor allem der Datenaustausch zwischen Polizei und Zoll. Die FIU hat keinen direkten Zugriff auf Akten der Landeskriminalämter, was auch daran liegt, dass viele Bundesländer mit unterschiedlicher IT arbeiten. Mühsam muss die Zoll-Einheit nun Akten bei den Kriminalbeamten anfordern.

Gerade in brisanten Fällen wie etwa Mafia-Gruppen oder Terroristen ist der Zugang zu Daten noch restriktiver. Die Bundesregierung moniert in einem aktuellen Bericht, der unserer Redaktion vorliegt, dass die „Rückmeldequote“ der Polizei an den Zoll „noch deutlich zu niedrig“ sei.

„Managementplan“ soll die Situation verbessern

Zu wenige Daten, zu wenig Personal, zu wenig Befugnisse – das ist die Bilanz der Geldwäsche-Jäger nach mehr als einem Jahr. Nun steht die Behörde vor einem Neuanfang. Kann der gelingen? Die Bundesregierung schreibt nun noch einmal in dem aktuellen Sachstandsbericht, dass die mehr als 30.000 „Altfälle vollständig abgearbeitet“ seien.

Und nicht nur Mitarbeiter, sondern auch der neue Leiter Christoph Schulte will bis März alle Landeskriminalämter vor Ort besuchen und die Zusammenarbeit verbessern. Gerade die Kriminalpolizisten hatten laut einem Bericht von Spiegel Online und dem Bayerischen Rundfunk intern ihre Wut geäußert über verspätete oder mangelhafte Berichte der FIU an die Strafverfolger.

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    Im nun ausgearbeiteten „Managementplan“ heißt es zudem, dass ein „Gremium“ aufgebaut werde, in dem sich Mitarbeiter von Bundesinnenministerium, Bundesfinanzministerium, BKA und FIU „fachlich“ austauschen und Maßnahmen abstimmen. Weiterhin sieht der Plan der neuen FIU-Leitung die Einrichtung einer „unmittelbar an die Leitung angeschlossenen Einheit Risikomanagement“ vor.

    Verschläft die Bundesregierung den Kampf?

    Doch noch immer ist der Stapel der aktuellen Fälle hoch: rund 20.000 Verdachtsmeldungen liegen derzeit auf den Tischen der FIU-Mitarbeiter, manche werden aufgrund ihrer Brisanz aktuell ermittelt, andere sind im „Monitoring“, wieder andere werden nicht bearbeitet.

    Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei arbeitet selbst beim Zoll. Er ist überzeugt, dass die Behörde den Kampf gegen Geldwäsche meistern kann. Allerdings nicht allein und ohne Hilfe von Polizei und vor allem der Politik. „Im Kampf gegen Geldwäsche bin ich maßlos von der Bundesregierung enttäuscht.

    Anstatt nun ausschließlich die Schäden bei der FIU zu reparieren, braucht es einen Nationalen Aktionsplan gegen Geldwäsche und andere Straftaten, der Rocker, Organisierte Kriminelle, Schmuggler, Finanzkriminelle und Terroristen in den Fokus nimmt.“

    Das Finanzministerium unter Minister Olaf Scholz (SPD) lasse diese Anstrengungen jedoch vermissen, kritisiert Buckenhofer. Fast könne man den Eindruck gewinnen, die Bundesregierung sei froh, dass Geld aus „dunklen Kanälen die deutsche Wirtschaft ankurbelt“.