Fall Maaßen: Welchen Plan hat Innenminister Horst Seehofer?
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Lesezeit: 5 Minuten
Von Miguel Sanches
Berlin. Die Spitzen der großen Koalition wollen den Fall Maaßen neu verhandeln. Dabei kommt es vor allem auf Innenminister Horst Seehofer an.
Hans-Georg Maaßen ist Jurist, kein Ingenieur. Sonst wüsste er vom Wert der Sollbruchstelle: Sie bricht, um das System zu schützen; wie die Sicherung, die durchbrennt und den Stromkreis unterbricht, um einen größeren Schaden abzuwenden.
Nach wochenlangem Streit um seine Person ist der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz die Sollbruchstelle der Koalition. Er soll abtreten. Andernfalls würde das Bündnis von Union und SPD womöglich auseinanderfliegen. Keiner will das wirklich, zwei Männer haben es in der Hand. Der eine ist Maaßen, er könnte zurücktreten. Der andere ist Innenminister Horst Seehofer (CSU) – er könnte ihn in den Ruhestand versetzen.
Kramp-Karrenbauer appelliert an die Parteispitzen
Annegret Kramp-Karrenbauer ist CDU-Generalsekretärin, eine wichtige Stütze von Kanzlerin Angela Merkel, für viele auch erste Anwärterin auf die Nachfolge. „AKK“, wie sie in der Partei genannt wird, ist alarmiert. Zum zweiten Mal binnen weniger Tage schrieb sie den 430.000 CDU-Mitgliedern und machte klar, was auf dem Spiel steht.
Seehofer, Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles müssten klären, „ob sich alle Koalitionsparteien weiter hinter dem gemeinsamen Auftrag versammeln können“, schrieb sie. Es dürfe keine Zweifel mehr daran geben, dass alle Regierungsparteien in der Lage und willens seien, „sich um das zu kümmern, was den Menschen wirklich am Herzen liegt“.
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SPD-Chefin Nahles bat um Neuverhandlung
Die Menschen hatten nicht verstanden, dass ein Behördenchef, der nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den „Hetzjagden“ in Chemnitz als untragbar galt, zum Staatssekretär aufsteigen sollte. Seehofer, Merkel und Nahles hatten die Stimmung verkannt oder unterschätzt. Um Schadensbegrenzung bemüht, bat Nahles in einem Brief um Neuverhandlungen. Es ist das Eingeständnis eines gemeinschaftlichen Realitätsverlustes.
Wie Kramp-Karrenbauer verhehlt die SPD nicht die Dramatik. Am Montag kommen der Vorstand und die Fraktion zusammen. Bis dahin soll eine „tragfähige Lösung“ her. Offiziell heißt es, die drei Parteichefs wollten sich im Umfeld des für Sonntagnachmittag im Kanzleramt geplanten Dieselgipfels treffen. In Wahrheit ist nicht mal das gesichert. Wenn Seehofer vorab keine Einigungslinie aufzeigt, wird es kein Treffen geben.
Klingbeil schließt Maaßen-Verbleib im Staatsdienst nicht aus
„Klar ist, dass Herr Maaßen mit seinem Verhalten weder als Verfassungsschutzchef noch als Staatssekretär im Innenministerium geeignet ist“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil unserer Redaktion. Fast genauso interessant ist, was Klingbeil nicht fordert, nämlich den Behördenchef aus dem Staatsdienst zu entlassen.
Seehofer hätte nie Maaßens Versetzung betrieben, „zu keiner Minute“. Er versteht die SPD nicht. Aber der Minister akzeptiert, dass es Konsequenzen haben muss, wenn ein Partner kein Vertrauen mehr in einen Behördenchef hat.
Klingbeils Minimalziel eröffnet für Seehofer Spielräume
Er hat Maaßen darum gebeten, im Amt zu bleiben, bis die Nachfolge geklärt ist. Seehofer will einen geordneten Übergang. Maaßen macht jetzt exakt das, worum ihm sein Dienstherr gebeten hat. Es ist für ihn eine Frage der Loyalität, nicht zurückzutreten. Mit 55 Jahren ist er überdies zu jung, um den Ruhestand zu beantragen. Er ist nur versorgt, wenn Seehofer ihn in den Ruhestand versetzt – das wäre zugleich die teuerste Lösung für den Steuerzahler.
Klingbeils Minimalziel eröffnet für Seehofer Spielräume. Eine Bedingung hat er schon erfüllt – Verfassungsschutzpräsident bleibt Maaßen nicht. Die zweite Bedingung ist, dass er nicht belohnt wird. Es gibt Alternativen zu einer Beförderung, viele Optionen, einige davon hatte der Minister bereits in der vergangenen Woche sondiert.
Welche Lösungen gibt es?
Denkbar wäre ein Aufgabentausch mit anderen Behördenchefs (Bundeskriminalamt, Bundespolizei), im Innenministerium mit dem Abteilungsleiter, der für den Verfassungsschutz zuständig ist, oder im Kanzleramt mit dem Geheimdienstkoordinator, Beauftragter für die internationale Zusammenarbeit bei der Sicherheit. Denkbar wäre auch ein Botschafterposten.
Erst vor ein paar Tagen hat Seehofer seinem Behördenchef das Vertrauen ausgesprochen, dessen Verdienste gelobt. Seehofer will sein Gesicht wahren. Er weiß auch, dass Maaßen im Sicherheitsapparat und in der Union Unterstützer hat. Ihn in den Ruhestand zu schicken, käme in diesen Kreisen nicht gut an.
Seehofer will keinen Koalitionsbruch in Berlin, vielmehr will er die Chancen der CSU bei der bayerischen Landtagswahl in drei Wochen wahren. Seine christsozialen Parteifreunde dringen mit ihrer Agenda nicht durch, solange die Berliner Skandalwochen anhalten. Der Innenminister sucht eine austarierte Lösung – die derzeit anspruchsvollste Anforderung.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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