Düsseldorf. Die Abschiebung von Ahmet Y. ist ein Novum. Nicht mal der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt wurde so von den Behörden behandelt.

Aus Nordrhein-Westfalen wurde erstmals ein Mensch abgeschoben, der keine Straftat begangen hat, aber polizeilich als Gefährder eingestuft war. Die Abschiebung nach Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes sei bereits Ende des vergangenen Jahres erfolgt, so NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP). Der ausreisepflichtige Mann wurde in die Türkei gebracht. Ahmet Y. galt als Musterbeispiel gelungener Integration.

Der in Paderborn geborene Junge türkischer Eltern machte vor drei Jahren sein Abitur am Gymnasium in Bad Driburg, spielte Fußball in der Jugendabteilung des SC Paderborn und dachte an ein Informatikstudium. Am 22. Dezember 2017 wurde ausgerechnet dieser Ahmet Y. zum Präzedenzfall der Landesregierung. Der „Terrorparagraf“ ist das schärfste Schwert des Rechtsstaats gegen ausländische Gefährder „zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“.

Ahmet Y. nahm an der Koran-Verteilaktion „Lies“ in Bielefeld

Der Fall Anis Amri -- Chronik eines Terroranschlags

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    Geschrieben wurde der Paragraf 2001 unter dem Eindruck der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center. Angewendet wurde er in NRW nie. Nicht einmal beim Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri. Nun hat die Polizei ausgerechnet Ahmet Y. als ersten „58a-Fall“ ins Flugzeug nach Istanbul gesetzt. Nach dem Abitur 2014 muss der junge Mann über eine salafistische Moschee in Paderborn in Islamistenkreise gelangt sein. Ahmet Y. kappte die Drähte in sein bisheriges Leben, nahm an der Koran-Verteilaktion „Lies“ in der Bielefelder Fußgängerzone teil und pflegte Kontakt zu Islamisten, die der NRW-Verfassungsschutz auf dem Radar hat.

    Der Staatsschutz war durch die Eltern von Ahmet Y. auf die Radikalisierung des Sohnes aufmerksam gemacht worden. Als er im Frühjahr 2017 am Frankfurter Flughafen mit 6000 Euro in bar, einem Logo der Terrormiliz „Islamischer Staat“ und Handyvideos von Hinrichtungen aufgegriffen wurde, erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Landgericht Dortmund wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Wie ein Gerichtssprecher am Donnerstag bestätigte, konnte das Verfahren während der Beweisaufnahme beendet werden, weil die Landesregierung die Abschiebung in die Türkei durchsetzte.