Brüssel. In Brüssel startet die zweite Stufe der Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens. Festgefahren ist der Streit um Flüchtlingspolitik.

Startschuss für die zweite Stufe der Brexit-Verhandlungen, erste Weichenstellung für eine Reform der Euro-Zone: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel Fortschritte auf wichtigen Feldern erzielt. Doch der Streit um die künftige Asylpolitik der EU überschattete das Treffen: Der Gipfel brachte wie erwartet keine Annäherung in der Flüchtlingsfrage.

„Die unterschiedlichen Standpunkte unter den Mitgliedstaaten haben sich nicht verändert“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Es sei noch „ein großes Stück Arbeit zu tun.“ Zum Abschluss des Gipfels demonstrierte Merkel einen engen Schulterschluss mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. In einer gemeinsamen Pressekonferenz kündigten beide an, bis März würden ihre beiden Regierungen eine gemeinsame Position zur Reform der Eurozone erarbeiten. Die Ergebnisse:

Brexit: Der Gipfel gab den Startschuss für die Ausweitung der Verhandlungen zum britischen EU-Austritt 2019: Nachdem „ausreichende Fortschritte“ bei den Vereinbarungen zu den Austrittsmodalitäten erzielt worden seien, könne in der zweiten Stufe jetzt auch über ein Handelsabkommen und die Regeln für eine mehrjährige Übergangsphase nach dem Brexit gesprochen werden.

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    Ab Januar soll über die Bedingungen gesprochen werden, zu denen Großbritannien mindestens bis Ende 2020 noch Mitglied des Binnenmarktes und der Zollunion bleibt; im März soll ein EU-Gipfel dann Leitlinien für ein Handelsabkommen festlegen, das aus Brüsseler Sicht 2019 noch nicht fertig sein wird.

    Nachdem die britische Regierung die erzielten Vereinbarungen zwischenzeitlich wieder relativierte, ist in Brüssel die Sorge vor neuen Verwerfungen groß. EU-Kommissar Günther Oettinger sagte, man sei nicht sicher, dass May ihre Zusagen an die EU gegenüber ihren Partnern durchsetzen könne. Ungeklärt ist unter anderem, wie aufwendige Kontrollen an der EU-Außengrenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können.

    Die britische Erwartung, die EU solle der Insel beim Handelsabkommen Vorzugsbedingungen einräumen, wird in Brüssel bereits zurückgewiesen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: „Die zweite Phase ist wesentlich schwieriger als die erste – und die erste war sehr schwer.“ Für May gab es beim Dinner aber eine ungewöhnlich freundliche Geste: Die Regierungschefs würdigten ihren Einsatz mit Applaus.

    EU beschließt Start der zweiten Phase der Brexit-Verhandlungen

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      Flüchtlinge: Die EU-Staats- und Regierungschefs ringen um die Frage, ob Flüchtlinge in bestimmten Krisenfällen künftig per Quote auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden sollen – auch gegen den Willen betroffener Staaten. Den Streit um einen entsprechenden Kommissionsvorschlag hatte vor dem Gipfel Ratspräsident Donald Tusk angeheizt, indem er eine Quotenverteilung als ineffektiv und spaltend ablehnte.

      Merkel, Macron und andere Regierungschefs drängten in der Debatte aber auf Solidarität aller EU-Staaten bei der Flüchtlingsaufnahme. Die nächtlichen Beratungen verliefen nach Teilnehmerangaben konstruktiv, doch eine Einigung ist nicht absehbar, obwohl die Reform im Juni 2018 beschlossen werden soll.

      Es könne nicht sein, dass sich die osteuropäischen Staaten nur die Politikbereiche aus der EU herauspickten, die ihnen nutzten, klagte Österreichs Kanzler Christian Kern. Polen und Tschechien bekräftigten dagegen, dass sie schon das geltende Umverteilungssystem für bislang 30.000, höchstens 160.000 Flüchtlinge nicht umsetzen wollten.

      Tusk versicherte zum Abschluss, er bleibe bei seiner Kritik an der Quotenlösung: „Was wir brauchen, ist eine effektive Methode, die illegale Migration zu reduzieren. Verpflichtende Quoten sind wichtig, aber nicht die Lösung für das Problem.“ Der Gipfel verwies aber auch auf erste Erfolge beim Schutz der Außengrenzen und der Bekämpfung der Fluchtursachen.

      Russland-Sanktionen: Die EU will die im Ukraine-Konflikt verhängten Russland-Sanktionen, die bis Ende Januar 2018 befristet waren, um weitere sechs Monate verlängern. Sie hatte festgelegt, dass die Handels- und Investitionsbeschränkungen erst aufgehoben werden, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes vollständig umgesetzt sind.

      Merkel und Macron machten der Gipfelrunde in einem Bericht über den Stand des Abkommens deutlich, dass die Fortschritte nicht ausreichen, um die Sanktionen zu lockern; dem schlossen sich die übrigen Regierungschefs an.

      Reform der Währungsunion: Die Regierungschefs sprachen erstmals über Vorschläge der EU-Kommission und von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die Eurozone widerstandsfähiger gegen neue Krisen zu machen: Dazu gehören die Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms zu einem Europäischen Währungsfonds, ein EU-Finanzminister und neue Finanztöpfe zur Stützung von Ländern, die unverschuldet in eine Krise rutschen. Die Debatte bestätigte Vorbehalte in einer Reihe von Mitgliedstaaten.

      Auch die Bundesregierung hat schon Bedenken zu einzelnen Punkten geäußert. Ob es eine umfassende Reform bis zum kommenden Sommer geben wird, ist unklar, auch wenn Merkel und Macron jetzt eng zusammen arbeiten wollen: „Der Wille zu einer gemeinsamen Lösung ist da“, sagte Merkel. Die besten Chancen hat noch die Einrichtung des Währungsfonds – und die Vollendung der sogenannten Bankenunion, die Bankpleiten möglichst verhindern und im Krisenfall besser abfedern soll.