Berlin. Die Ernte und die Spargelstecher beschäftigen selbst den Krisenstab im Kanzleramt. Denn viele Erntehelfer kommen aus Risikogebieten.

  • Die Omikron-Welle beschäftigt auch die Spargelbauern
  • Selbst der Krisenstab der Bundesregierung befasst sich mit Einreiseregeln, Impfangeboten und Quarantäne für Saisonarbeiter
  • Ist die deutsche Spargelernte gefährdet?

Zum Glück ist tiefster Winter. Frank Saalfeld ist noch tiefenentspannt. Die Spargelstecher reisen in der zweiten Märzhälfte an. "Im Moment sind nicht so viele in den Betrieben", sagt Saalfeld, der für das "Netzwerk der Spargel- und Bauernverbände" spricht, unserer Redaktion.

Ob Omikron die Reihen der Saisonarbeiter dezimiert und den Bauern quasi die Ernte verhagelt, ist offen. Saalfeld, klingt nicht beunruhigt, keine Spur.

Der Spargel löst jeden Frühling einen nationalen Hype aus – wann schießt er? Daran wird auch Omikron nichts ändern. Die Versorgung mit Lebensmitteln treibt die Bundesregierung um. "An dem Thema wird aktuell gearbeitet", teilte der Krisenstab unsere Redaktion mit.

Erntehelfer: Ihre Sicherheit ist Thema im Krisenstab

Gerade haben sie sich über Tabellen und Faktenpapiere gebeugt, die Abfolge der Ernten studiert, sich mit Gemüse und Obst, aber auch mit den Erntehelfern befasst: mit Fragen zu Einreise, Impfangeboten und Quarantäne.

Erntehelfer beim Spargelstechen. Symbolbild.
Erntehelfer beim Spargelstechen. Symbolbild. © dpa

Ein Fachmann für die kritische Infrastruktur kümmert sich im Krisenstab eigens um die Lebensmittelversorgung. Reine Vorsichtsmaßnahme. Denn nach allen Modellrechnungen erreicht die Omikron-Welle Mitte Februar ihren Scheitelpunkt. Ende Februar/ Anfang März sollte sie abebben.

Fast ein Drittel der über 930.000 Beschäftigten in der deutschen Landwirtschaft sind Saisonarbeiter. Sie werden gebraucht, wo eine Ernte mit Maschinen gar nicht geht oder mehr schlecht als recht klappt.

Die Spargelstecher kommen aus Hochrisikogebieten

Mit dem Spargelstechen geht es etwa Mitte April los (je nach Wetter), traditionell bis zum 24. Juni. "Im Mai fangen wir mit den Erdbeeren an", erzählt Saalfeld. Nahtlos geht es über zu Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren, Kirschen im Mai, Pfirsiche und Pflaumen im Juni und Juli, ab August sind die ersten Äpfel dran, und danach naht die Weinlese.

Woche für Woche kann man sich beim Robert Koch-Institut über die internationalen Risikogebiete erkundigen – oder stattdessen auf die Seite des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände schauen.

Dort stehen sie, unübersehbar in der Signalfarbe Rot: die für die Branche relevanten Hochrisikogebiete. Bulgarien, Georgien, Moldau, Polen, Rumänien. Da kommen die Erntehelfer her.

Niedrige Impfquoten in Bulgarien und Rumänen

Die kurzfristigen, mitunter erratisch anmutenden Ländereinstufungen sind nur ein Problem von vielen. Dass der Genesenenstatus plötzlich nur drei statt sechs Monate gilt, treibt die Landwirtschaft um; gerade weil sich in Rumänien und Bulgarien – pro eine Million Einwohner – mehr Menschen als hierzulande angesteckt haben. Viele wähnten sich sicher, nun läuft der Genesenenstatus unversehens schneller als gedacht ab.

Obendrein zeichnet sich eine Impfpflicht ab. Je nach Ausgestaltung kann sie zum Problem werden. In Bulgarien etwa beträgt die Impfquote nicht mal 30 Prozent, in Rumänien immerhin 41 Prozent, aber abseits der Großstädte und der Tourismusregionen ist das Angebot bescheiden.

Deswegen bietet die Arbeit in Deutschland für viele Erntehelfer nicht zuletzt die Aussicht auf eine Impfung. Gern empfohlen wurde das Vakzin von Johnson&Johnson, von dem es anfangs hieß: Eine Dosis reicht.

Corona-Impfung – die Bauern werben dafür

Das bot sich an für Frauen und Männer, die nur wenige Wochen bleiben und deren Arbeitsstatus als kurzfristig Beschäftigte ohnehin auf 70 Tage begrenzt ist. Die Wahl für Johnson&Johnson war zudem eine Frage der Akzeptanz. "Wir wissen ja, dass in Rumänien die Zustimmung zu mRNA-Impfstoffen gering ist", erläutert Saalfeld. In wenigen Wochen kommt der Totimpfstoff Novavax. "Da wird es interessant."

Eine Signalwirkung hat schon die Einführung der Impfpflicht in Österreich, weil viele Saisonarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer auch dort beschäftigt sind. Man müsse mal schauen, ob es hierzulande überhaupt eine Impfpflicht geben werde, sagt der langjährige CSU-Abgeordnete Max Straubinger, der für seine Partei im Landwirtschaftsausschuss sitzt. Bis eine Impfpflicht greift, sind die meisten Erntehelfer wieder weg

Eine Impfpflicht sollte kein Problem sein

Straubingers Erfahrung ist, dass jeder Arbeitgeber seine Erntehelfer dazu anhalte, sich impfen zu lassen. "Ich sehe da kein Problem", sagte er unserer Redaktion. Das kann Saalfeld bestätigen. "Die kleinen Betriebe haben mit ihren Mitarbeitern vereinbart, dass sie geimpft kommen."

Im Januar wurden zwei klassische Herkunftsländer der Erntehelfer zu Hochrisikogebieten erklärt: Bulgarien und Rumänien. Wer von dort kommt und nicht geimpft ist, muss nach dem Gesetz nach Einreise für zehn Tage in Quarantäne gehen, die er frühestens nach fünf Tagen abkürzen kann.

Letzter Ausweg: Erntehelfer in Arbeitsquarantäne

Die Hoffnung der Spargelbauern ist, dass die Coronawelle bis Ende März europaweit abflacht und für beide Staaten Entwarnung gegeben wird. Und wenn nicht? Dann gehen die Erntehelfer in Arbeitsquarantäne.

"Zum Glück gibt es die noch", sagt Saalfeld. Arbeitsquarantäne bedeutet, dass die Menschen einreisen, aber nicht die Unterkunft verlassen dürfen. Sie wohnen, arbeiten und überstehen zusammen die Quarantäne. Dem Spargel macht das nichts aus.