Brüssel/Bratislava. Ein Video von Polizeigewalt erschüttert Belgien. Darin zeigt eine Beamtin den Hitlergruß – während der Festgenommene wiederbelebt wird.

Ein Video eines Polizeieinsatzes, in dessen Folge ein Mann gestorben ist, erschüttert Belgien. Es geht um einen brutalen Fall, der bereits im Februar 2018 geschah. Das von einer Überwachungskamera aufgezeichnete Video, das erst jetzt von der belgischen Zeitung „Het Laatste Nieuws“ verbreitet wurde, zeigt den Slowaken Jozef Chovanec in einer Arrestzelle.

Der 38-Jährige wurde zuvor aus einem Flugzeug im Flughafen von Charleroi abgeführt, weil er sich geweigert hatte, beim Boarding sein Ticket vorzuzeigen. In dem Video ist zu sehen, wie Chovanec in der Arrestzelle seinen Kopf gegen die Wand schlägt, bis sein Gesicht stark blutet.

Polizeieinsatz mit Todesfolge in Belgien – Polizistin zeigte Hitlergruß

Später betreten mehrere Polizeibeamte die Zelle, um Chovanec Handschellen anzulegen. Als er sich weiterhin nicht beruhigt, kehren die Beamten zurück und halten ihn fest. Einer der Beamten setzt sich dabei 16 Minuten lang auf den Brustkorb des Mannes. Zu sehen ist auch eine Polizistin, wie sie in der Zelle tanzt und den Hitlergruß zeigt.

Medienberichten zufolge erlitt der Mann einen Herzstillstand. Es ist zu sehen, wie versucht wird, ihn wiederzubeleben. Chovanec kam anschließend ins Krankenhaus, wo er am nächsten Tag nach offiziellen Angaben an einem Herzinfarkt starb.

Behörden in Belgien ziehen erste Konsequenzen – Vizechef legt sein Amt nieder

Die Behörden in Belgien haben inzwischen erste Konsequenzen gezogen. André Desenfants, Nummer zwei in der belgischen Polizeihierarchie, legte am Donnerstag für die Dauer der Ermittlungen sein Amt nieder. Er sagte auf einer Pressekonferenz, dass die Aufzeichnungen ihn „tief“ getroffen und „schockiert“ hätten. Das Video habe er vorher nicht gekannt.

Gegen die betroffenen Beamten würden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet, teilte das belgische Innenministerium mit. Die Beamtin, die den Hitlergruß gezeigt habe, sei strafversetzt worden. „Wir werden auch herausfinden müssen, warum diese Aufnahmen nie an die höchsten Instanzen weitergeleitet wurden“, sagte der Sprecher Erik Eenaerts.

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Ehefrau des Opfers veröffentlichte Video der Überwachungskamera

Publik wurde der Fall von Chovanec nur, weil seine Witwe Henrieta Chovancova das Video gegen den Rat ihrer Anwälte veröffentlicht habe, wie diese mitteilten. Chovancova habe sich nicht davon abhalten lassen, da sie wegen der inzwischen seit zwei Jahren andauernden Ermittlungen frustriert sei. „Unsere Mandantin wollte diese Bilder der Welt zeigen, weil sie kein Vertrauen in die strafrechtlichen Ermittlungen hat“, sagte einer ihrer Anwälte.

Sie sei traurig, so Chovancova gegenüber der belgischen Zeitung „De Morgen“. Die Behörden hätten versucht, den Tod ihres Mannes „unter den Teppich zu kehren, als ob er Müll wäre, der verschwinden musste“, sagte sie. Über das Video hatte zuerst die belgische Zeitung „Het Laatste Nieuws“ berichtet. Die Frau des Toten fordert Aufklärung: „Warum haben sie ihn so behandelt – schlechter noch als ein Tier?“

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Slowakei reagiert empört auf das Video aus Belgien

Slowakische Politiker reagierten empört auf das Video. „Wie die gesamte slowakische Öffentlichkeit bin auch ich schockiert von den Aufnahmen und von der Brutalität, mit der sich die belgischen Polizisten gegenüber unserem Staatsbürger Jozef Chovanec verhalten haben“, erklärte Außenminister Ivan Korcok am Freitag am Rande eines Treffens mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas in Bratislava.

Praktiken, wie sie das Video zeige, dürften in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben, sagte der Minister. Die slowakische Regierung habe daher sofort nach der Veröffentlichung des Videos eine Protestnote an Belgien geschickt.

Darin werde die unverzügliche und gründliche Aufklärung des Vorgehens der belgischen Polizei gefordert. Die Slowakei habe sehr gute Beziehungen zu Belgien, eine Aufklärung sei aber auch deshalb wichtig, weil eine große Anzahl slowakischer Staatsbürger in Belgien tätig sei.

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis Ende Mai demonstrieren nach wie vor täglich Tausende Menschen in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt.
Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis Ende Mai demonstrieren nach wie vor täglich Tausende Menschen in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt. © AFP | Brandon Bell

Belgischer Fall erinnert an Tod von Afroamerikaner George Floyd

Dass der Vorfall in Belgien bereits personelle Konsequenzen bei der Polizei nach sich gezogen habe, wertete Korcok positiv. „Explizit möchte ich den belgischen Medien danken, die diesen Fall aufgedeckt haben“, fügte er hinzu. Zuvor hatte Ex-Premier Robert Fico eine energischere Reaktion verlangt.

Unter dem Slogan „Slovak lives matter“, hatte der Sozialdemokrat kritisiert, die gegenwärtige Regierung trage mit ihrer außenpolitischen Inkompetenz und Unterwürfigkeit dazu bei, dass Slowaken im Ausland nicht respektiert würden.

Der Vorfall erinnert an den Tod des Afroamerikaners George Floyd in der US-Stadt Minneapolis Ende Mai. Er war gestorben, nachdem ihm ein Polizist fast neun Minuten lang das Knie in den Nacken gepresst hatte. Der Fall hatte weltweit Anti-Rassismus-Proteste ausgelöst.

(amw/dpa/afp)