Essen. Arte dokumentiert sehenswert, wie das Emirat mit „Millionen für Europas Islam“ Fundamentalisten unterstützt – auch in Deutschland.

Katar hat sich die Fußball-WM 2022 gekauft, Katar finanziert seit Jahrzehnten das arabische TV-Sprachrohr Al Jazeera, Katar gibt sich im Gegensatz zum rückwärts gewandten, dominanten Nachbarn Saudi Arabien vergleichsweise weltoffen.

Doch die rundum gelungene Arte-Dokumentation „Millionen für Europas Islam“ (Dinetsag 20.15 Uhr, vorab online) fügt der Aufzählung eine andere Note an: Katar unterstützt massiv illegal die radikal-islamischen Muslimbrüder in Europa bei ihrem Bestreben einer aggressiven Missionierung von Sizilien bis Berlin.

So viel Glück muss man als Fernsehjournalist haben: Christian Chesnot und Georges Malbrunot wurden von einem Whistleblower Tausende Dokumente über „Qatar Charity“ zugespielt. Die vorgeblich unabhängige, aber klar erkennbar von der Herrscherfamilie des Golf-Staats gesteuerte Wohltätigkeitsorganisation sammelt offiziell Privatspenden, um sie an islamische Projekte weiterzuleiten.

Inoffiziell unterstützt sie die Muslimbrüder in Europa und versucht mit Millionen aus der Staatskasse, der eher kleinen radikalen Minderheit Einfluss zu verschaffen.

Katar und die Muslimbrüder: 140 Projekte mit 260 Millionen Euro gefördert

Mit ihrem Material sind die beiden französischen Journalisten der Spur des Geldes aus der absolutistischen Öl-Monarchie gefolgt. 140 Projekte des politischen Islam stehen auf der Liste, gefördert mit 260 Millionen Euro, davon 120 Millionen Euro von Katar: in Italien, dort vor allem auf Sizilien, in Frankreich, der Schweiz und auch in Deutschland. Und wer Geld von „Qatar Charity“ annimmt, muss den Einfluss der Radikalen dulden.

Das ist dann absolut sehenswert, wenn die sich leutselig gebenden Verantwortlichen für Moscheebauten in Europa mit dem geheimen Material konfrontiert werden. Das ist so überzeugend, so detailliert, dass niemand seine Echtheit in Zweifel zieht. Stattdessen flüchten sich die Ertappten in Entschuldigungen, Lügen, angebliche Missverständnisse, dass es eine Freude für den Zuschauer ist.

Gesetz würde erlauben, Homosexuelle zu ermorden, Frauen zu schlagen

Dahinter steckt jedoch ein ernster Hintergrund. Die von Katar geförderten Muslimbrüder stehen zwar nicht für die radikalste Auslegung des Islam, dieser Spitzenplatz gebührt den saudi-arabischen Wahhabiten.

Doch die als antikoloniale Bewegung 1928 im von Großbritannien besetzten Ägypten gegründete Muslimbruderschaft strebt grundsätzlich einen undemokratischen theokratischen Staat an. Die Ziele: Die Scharia als Gesetz, das es etwa erlaubt, Frauen nach Belieben des Mannes zu schlagen und Homo­sexuelle zu ermorden. So wie Brunei es kürzlich beschlossen hatte – die Steinigung Schwuler dann aber doch nicht durchziehen wollte.

Rückeroberung Europas mit einem politischen Islam?

Dass das neue, riesige Zentrum der Muslimbrüder im französischen Poitiers (der Punkt des weitesten militärischen Vordringens des frühen Islam im 8. Jahrhundert) „Moschee der Märtyrer“ heißt, könnte man sogar als Ausdruck einer angestrebten Rückeroberung Europas deuten, diesmal nicht durch einen militärischen, sondern einen politischen Islam.

Dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Macht derzeit bröckelt, als überzeugter Muslimbruder gilt und die Türkei das einzige bedeutende muslimische Land ist, das Katar im Machtkampf mit Saudi-Arabien unterstützt, erscheint da ebenso wenig als Zufall.

Eingebettet ist die auch filmisch überzeugende Dokumentation in zwei weitere Erstausstrahlungen an diesem Islam-Abend bei Arte, im Anschluss um 21.45 Uhr „Libanon – Ein Land als Geisel“ und danach um 22.40 Uhr „Helfen im Namen Allahs“.

Der Film ist bereits vor Ausstrahlung in der Arte-Mediathek zu sehen.