New York. In New York steht der mexikanische Drogenpate Joaquín „El Chapo“ Guzmán vor Gericht. Die Verteidigung sieht in ihm nur einen Mitläufer.

Joaquín „El Chapo“ Guzmán soll einen „blutigen Krieg“ geführt haben, jahrzehntelang, um sein riesiges Drogenschmuggel-Imperium zu verteidigen. So sieht es die Staatsanwaltschaft, die dem berüchtigten Drogenboss aus Mexiko in New York den Prozess macht.

Hunderte Menschen seien in dieses Kartell verwickelt gewesen, aber Guzmán sei ein Chef gewesen, der die Dinge auch selbst in die Hand genommen habe, sagte Staatsanwalt Adam Fels am Dienstag in seinem Eröffnungsplädoyer. Wenn „El Chapo“ jemanden loswerden wollte, habe er Auftragskiller gebeten oder selbst geschossen, sagte Fels weiter. Beobachtern wurde schnell klar, wie wenig Zweifel die Ankläger an der Schuld des einst mächtigsten Kartellchefs der Welt haben.

Zwei Jury-Mitglieder mussten ausgetauscht werden

Zuvor hatten sich die Eröffnungsplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung verzögert, weil zwei Mitglieder der Jury ausgetauscht werden mussten. Eine Frau hatte in einem Brief an den Richter geschrieben, sie sei zu nervös, um an dem Prozess teilzunehmen. Ein anderes Jury-Mitglied hatte angegeben, als Selbstständiger zu arbeiten – der Verdienstausfall während der Prozesszeit sei zu hoch.

Diese Eskorte begleitete „El Chapo“ zum ersten Prozesstag.
Diese Eskorte begleitete „El Chapo“ zum ersten Prozesstag. © REUTERS | MIKE SEGAR

Die Jury-Mitglieder sollen auf Anordnung des Richters zu ihrer eigenen Sicherheit anonym bleiben und wurden zuvor geheim ausgewählt. Zu groß ist die Angst vor dem langen Arm des Angeklagten.

Dementsprechend streng waren die Sicherheitsvorkehrungen in New York City, als der Prozess am Dienstag im Stadtteil Brooklyn begonnen hatte. Ganze Straßenzüge werden für den Prozess zeitweise abgesperrt. Trotzdem hatten sich bei strömendem Regen schon am frühen Morgen Dutzende Journalisten und Schaulustige vor dem Gericht angestellt, um einen Platz im Prozesssaal zu bekommen.

Verteidigung stellt „El Chapo“ als Mitläufer dar

Die Verteidigung hingegen malte in ihrem ersten Plädoyer ein völlig anderes Bild von „El Chapo“: Guzmán sei nie der Boss des Kartells gewesen, er habe nur das Scheinwerferlicht genossen, sagte Anwalt Jeffrey Lichtman.

Guzmáns früherer Partner Ismael „El Mayo“ Zambada habe die Geschäfte geleitet, dieser habe auch früheren und dem derzeitigen Präsidenten Mexikos Schmiergeld in Millionenhöhe bezahlt, damit sich diese nicht in die Geschäfte des Kartells einmischten.

Jeffrey Lichtman, der Anwalt von Joaquin „El Chapo“ Guzmán.
Jeffrey Lichtman, der Anwalt von Joaquin „El Chapo“ Guzmán. © dpa | Mary Altaffer

Die Staatsanwaltschaft stellte noch in der Nacht zum Mittwoch in einem ungewöhnlichen Vorgang einen Antrag darauf, das komplette Eröffnungsplädoyer der Verteidigung zu streichen. Begründung: Es basiere nur auf Hörensagen und verletze die Prozessordnung.

Mexikos Präsident Peña Nieto wies die Vorwürfe der Verteidigung gegen sich umgehend zurück. „Die Regierung von Enrique Peña Nieto hat den Kriminellen Joaquín Guzmán verfolgt, gefasst und ausgeliefert. Die Behauptungen seines Anwalts sind komplett falsch und diffamierend“, schrieb der mexikanische Regierungssprecher Eduardo Sánchez auf Twitter.

Auch Mexikos Ex-Präsident Felipe Calderón wies die Anschuldigungen zurück. „Weder er, noch das Sinaloa-Kartell, noch irgendjemand anderes hat Zahlungen an mich geleistet“, schrieb er auf Twitter.

Guzmán verfolgte den Prozessauftakt mit spanischer Simultanübersetzung im Ohr und stoischem Gesichtsausdruck von der Anklagebank aus, gekleidet in einen dunkelblauen Anzug. Seine Ehefrau, die frühere Schönheitskönigin Emma Coronel, war ebenfalls in den Gerichtssaal gekommen. Richter Brian Cogan hatte Guzmán zuvor untersagt, sie zu umarmen.

Drogenboss „El Chapo“ droht lebenslange Haft

Bis zu einem Urteil kann es nach Einschätzung von Richter Brian Cogan noch mehrere Monate dauern. Bei einer Verurteilung droht Guzmán eine lebenslange Haftstrafe. Die Todesstrafe ist nach einer Einigung zwischen Mexiko und den USA ausgeschlossen.

Die US-Justiz wirft dem wegen seiner Körpergröße von etwas mehr als 1,60 Meter „El Chapo“ (Der Kurze) genannten Guzmán unter anderem Drogenhandel, Geldwäsche und das Führen einer kriminellen Organisation, nämlich des mexikanischen Drogenkartells Sinaloa, vor.

Emma Coronel, die Frau von Joaquin Guzmán, vor Prozessbeginn am Bundesgericht in Brooklyn.
Emma Coronel, die Frau von Joaquin Guzmán, vor Prozessbeginn am Bundesgericht in Brooklyn. © dpa | Mark Lennihan

Guzmán soll tonnenweise Kokain und Heroin in die USA geschmuggelt und damit Milliarden verdient haben. Zudem soll der 61-Jährige für bis zu 3000 Morde verantwortlich sein. Guzmán, dem in Mexiko mehrere spektakuläre Gefängnisausbrüche gelungen waren, wurde Anfang 2017 in die USA ausgeliefert und sitzt seitdem in einem Hochsicherheitsgefängnis in Manhattan.

Während des Prozesses soll er dorthin nur an den Wochenenden zurückkehren und werktags in einer Zelle am Gericht in Brooklyn übernachten. Für jeden Transport Guzmáns muss aus Sicherheitsgründen die viel befahrene Brooklyn Bridge komplett gesperrt werden.

An dem Fall arbeiten rund ein Dutzend Staatsanwälte. 16 Zeugen – darunter mexikanische und kolumbianische Dealer, die in US-Gefängnissen sitzen – sollen gegen „El Chapo“ auszusagen. Guzmán hat mehrere Star-Verteidiger angeheuert. (W.B./ba/dpa)