Berlin. Die Autoindustrie ist im Umbruch. Das muss sie auch sein – viel zu lange wurde einfach weitergemacht. Das rächt sich nun vielerorts.

Der Umbruch in der Automobilindustrie kommt mit Macht und niemand wird ihn aufhalten können. Die Nachricht, dass Volkswagen in der Verwaltung bis zu 7000 Stellen abbauen will, ist nur ein lauer Vorgeschmack auf das, was bei allen großen Herstellern noch folgen wird: eine gewaltige Umstrukturierung mit dem Wegfall von Zehntausenden Ar­beitsplätzen.

Die Elektromobilität wird nicht nur den Straßenverkehr revolutionieren. Sie wird auch den größten und wichtigsten deutschen Industriezweig disruptiv verändern. Rund 800.000 Arbeitnehmer arbeiten derzeit noch für Volkswagen, Mercedes und Co.

Mindestens 300.000 Jobs hängen in der Zulieferindustrie bei den Autoherstellern noch mit dran. Jetzt müssen – vorsichtig geschätzt – für mindestens 75.000 Beschäftigte neue Aufgaben gefunden werden. Ja, es werden dank neuer Technologien auch neue Jobs entstehen. Ob diese die wegfallenden Arbeitsplätze wettmachen können, ist aber mehr als fraglich.

Simplere Herstellung – weniger Personalbedarf

Die Rechnung ist ziemlich einfach. In einem modernen Verbrennungsmotor müssen rund 1200 Teile verbaut werden, im simplen Elektromotor dagegen nur 200 Bauteile. Auch die Technik ist viel weniger komplex. Da braucht es weniger begnadete Mechaniker, sondern billigst produzierte E-Antriebe.

Viele davon werden aus Chinas Massenfabriken kommen. In den Forschungslabors werden nicht mehr die besten Nockenwellen, sondern die standhaftesten Akkus und die bestentwickelten Algorithmen die Zukunft sichern. Noch schärfere Abgasvorgaben in Europa werden den Verbrennungsmotor spätestens ab 2030 endgültig zum Nischenprodukt machen. Darin sind sich viele Experten einig.

Deutsche Automobilbranche muss entschlossen umgebaut werden

Es nützt wenig, den Umbruch zu bedauern. Die einzige Chance für die deutschen Automobilhersteller ist, den Stier mutig zu reiten und den technologischen Vorsprung mit klugen Investitionen zu halten. Sicherheit, Konnektivität, Komfort, Design – sogar das Image – werden auch bei den Fahrzeugen der Zukunft eine Rolle spielen.

Damit diese Autos auch künftig von deutschen Herstellern kommen, muss die Branche entschlossen umgebaut werden. Dazu braucht es viel Geld, kluge Management-Entscheidungen und verantwortungsvolle Gewerkschaften. VW-Betriebsratschef: Konzern hat „Milliarden versenkt“.

Denn die Operation ist äußerst heikel: Bewährte Erlösquellen wie das Verbrenner-Auto müssen so lange gepflegt werden, bis die neuen Erlösfelder E-Mobilität oder andere alternative Antriebe genug Gewinn abwerfen. Das falsche Timing in diesem Change-Prozess kann tödlich sein.

Es braucht höhere Entscheidungsgeschwindigkeit, mehr echte Experten

Der selbst verschuldete Dieselskandal ist bei diesem dramatischen Umbruch in der Automobilindustrie ein ärgerliches Handicap. Deshalb muss der Fall endlich aufgeklärt und im Sinne der betrogenen Kunden schnell abgeschlossen werden. Die ganze Affäre liegt schon zu lange wie Mehltau auf der ganzen Branche. BGH erkennt Schummel-Software von VW als Sachmangel an.

Zusätzlich braucht es eine Politik, die die Industrie nicht gängelt, sondern unterstützt. Und die möglichst schnell die Infrastruktur für den gewaltigen Umbruch schafft.

Mit einem überzeugenden Konzept für Ladestationen, intelligenten Verkehrssystemen und den schnellsten Datennetzen – auch „an jeder Milchkanne“. Dazu braucht es höhere Entscheidungsgeschwindigkeit, mehr echte Experten, klare Zuständigkeiten und weniger Bürokratie. Nur acht Mitarbeiter arbeiten für Elektro-Mobilität im Ministerium.

Was die Politik auf diesen Feldern inhaltlich und personell bislang gezeigt hat, ist enttäuschend und reicht nicht aus, um Deutschlands wichtigsten Industriezweig an der Weltspitze zu halten. Es ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten, dass die EU Deutschland sogar drohen muss, damit die flächendeckende Versorgung von E-Autos mit Ladesäulen auch bei uns endlich vorankommt.