Berlin. NoCovid oder Stufenplan: Bei „Anne Will“ wurde über die Corona-Perspektive gestritten. Eine Unternehmerin forderte sofortige Öffnungen.

Endlich, die Zahl der Corona-Neuinfektionen sinkt wieder. Doch rosig sieht es für die nächsten Wochen dennoch nicht aus: Lockerungen stehen infrage, weil Mutanten des Virus im Land Einzug halten. Das trieb am Sonntagabend auch die Runde bei „Anne Will“ um. Lesen sie dazu: Corona-Mutationen: Diese verschiedenen Varianten gibt es

„Ein Jahr Corona-Pandemie – Zeit für neue Perspektiven?“, war die Sendung überschrieben.

Corona-Talk bei "Anne Will": Das waren die Gäste

  • Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
  • Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen
  • Corinna Pietsch, Leiterin des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Leipzig
  • Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
  • Brigitte Meier, Unternehmerin im Einzelhandel

Altmaier: Lockdown-Verlängerung auch bei Inzidenz-Werten von unter 50 denkbar

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    So ist die Mutanten-Lage

    Die aktuelle Situation schilderte Corinna Pietsch. Noch seien die bekannten Virusmutanten übersichtlich verbreitet, erklärte die Virologin von der Uniklinik Leipzig. Die britische Variante sei allerdings schon in jedem Bundesland, die südafrikanische in etwa sechs nachgewiesen. Insgesamt gehe man davon aus, dass etwa ein Prozent der Neuinfektionen auf Mutanten zurückzuführen sind.

    Anne Will (2. v. r.) blickte mit ihren Gästen Brigitte Meier (l.), Peter Altmaier, Corinna Pietsch sowie den zugeschalteten Stephan Weil und Clemes Fuest auf
    Anne Will (2. v. r.) blickte mit ihren Gästen Brigitte Meier (l.), Peter Altmaier, Corinna Pietsch sowie den zugeschalteten Stephan Weil und Clemes Fuest auf "Ein Jahr Corona-Pandemie" zurück. © NDR/Wolfgang Borrs

    Also alles halbwegs gut? Nicht so ganz, denn die Verhältnisse werden sich schnell verschieben. Wie auch andere Virologen geht Pietsch davon aus, dass mutierte Varianten wegen ihrer höheren Ansteckungsrate schon bald dominieren werden. „Deshalb sage ich auch, dass wir niedrige Infektionszahlen brauchen“, erklärte Pietsch. Planbarkeit sei erst bei einer Inzidenz ab unter 10 möglich. Lesen Sie auch: Corona: Was wir wirklich über die Virusmutation wissen

    Was für und gegen „NoCovid“ spricht

    Da war sie also wieder, die Forderung nach „NoCovid“: Die Inzidenz weit herunterbringen, um dann in einem äußerst entspannten Umfeld öffnen zu können. Mit Clemens Fuest saß auch ein Mit-Iniatiator des Ansatzes in der Runde. Der Schritt sei notwendig, weil bei einem zu frühen Öffnen schnell eine dritte Welle drohe, warnte der Chef des ifo-Instituts.

    Gegen den Ansatz stellte sich Stephan Weil. Man könne das im Herzen von Europa liegende und eng verflochtene Deutschland nicht mit Australien oder Neuseeland vergleichen, sagte der SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen. Zugleich warnte er, dass eine Umsetzung die Akzeptanz in der Bevölkerung schmälern werde. Stattdessen warb Weil für einen Stufenplan, der anhand von unterschiedlichen Inzidenzen unterschiedliche Lockerungen und Gegenmaßnahmen vorsieht.

    Eine Unternehmerin klagt an

    Auf so einen Stufenplan könnte es mittelfristig hinauslaufen. Jedenfalls arbeiten auch andere Bundesländer an ähnlichen Vorschlägen. Für Brigitte Meier kommen sie allerdings zu spät. „Ich fordere, dass wir jetzt mit klugen und vorsichtigen Maßnahmen wieder an den Start gehen können, bitte sofort“, sagte die Einzelhandelsunternehmerin.

    Dabei hatte Meier durchaus Argumente. So kritisierte sie etwa, dass es in vielen Bereichen – etwa bei privaten Treffen – lange Zeit lasch zugegangen sei, während die Einzelhändler trotz Hygienekonzepten zumachen mussten.

    Einen echten Punkt hatte sie aber, als sie feststellte, dass wir nach wie vor wenig über die Orte und Umstände der Ansteckungen wissen. „Warum wird im Falle einer Infektion nicht mal der Beruf abgefragt“, ärgerte sich Meier. Eine Kritik, auf die auch Peter Altmaier als Bundeswirtschaftsminister keine rechte Erklärung erwidern konnte.

    Eine staatlich verordnete Impfstoffproduktion?

    An anderer Stelle trat Altmaier aber überraschend resolut auf. Bei der Frage, ob der Staat die betroffenen Branchen nicht mit mehr Zwang zu einer schnellen Impfstoffproduktion bringen müsse, deutete der CDU-Politiker dies durchaus an. Auch interessant: Impfteam-Chef: „Viele Senioren erfasst fast schon Euphorie“

    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) trat bei
    Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) trat bei "Anne Will" zum Thema Impfstoffproduktion resolut auf. © NDR/Wolfgang Borrs

    In Fällen, wo Unternehmen ihre Kapazitäten nicht zur Verfügung stellten, müsse über strengere Maßnahmen nachgedacht werden. Ein Ausblick auf den Impfgipfel, der an diesem Montag stattfinden wird? Lesen Sie dazu: Impfgipfel: Diese fünf großen Probleme müssen gelöst werden

    Das Fazit

    Am Ende machte die Diskussion deutlich, wo wir stehen: Um die Lockerungen wird dieses Mal besonders hart gerungen werden, weil die Mutanten große Unwägbarkeiten darstellen. Ist es sinnvoller, möglichst bald vorsichtig zu öffnen – oder sollte man in Richtung "NoCovid" gehen? Und welche Bereiche sind im Falle von Öffnungen wann dran? Diese Fragen bergen riesiges Konfliktpotenzial.

    Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek