Berlin. Die neue CDU-Chefin sprach über ihre Ambitionen auf das Kanzleramt – und knöpfte sich einen ihrer Kritiker vor laufenden Kameras vor.

Wolfgang Kubicki ist besorgt. Es könnte doch tatsächlich sein, dass Angela Merkel bis 2021 Kanzerlin bleibt. Eine Horrorvorstellung für die Liberalen: Schließlich hat die Kanzlerin die FDP in der schwarz-gelben Koalition erst kleinregiert und ihr dann – so die Legende – in den „Jamaika“-Verhandlungen keine Erfolge gegönnt.

Und jetzt auch noch das: Die Union wählte auf ihrem Parteitag am Wochenende nicht den marktliberalen Friedrich Merz an die Spitze. Dabei hatte Kubicki doch vorher noch in jede Kamera gesagt: Wenn die CDU in Zukunft wieder Wahlen gewinnen wolle, müsse sie Merz zum Parteichef machen. Doch die Delegierten entschieden sich für Annegret Kramp-Karrenbauer. Auf Merkel folgt also eine Merkel-Vertraute.

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Am Sonntagabend saß FDP-Vize Kubicki bei Anne Will (Thema: CDU mit neuer Chefin – reicht das für einen Neustart?) und sollte die neue Situation bewerten. „Die Frau steckt ja voller Überraschungen“, sagte Kubicki über die Kanzlerin. Sie entscheide selber, wann sie das Kanzleramt verlasse. Wer jetzt anfange, Merkel aus dem Amt zu drängen, gelte als Königsmörder – und nicht als Nachfolger.

AKK legte erwartbaren Auftritt hin

Beste Chancen auf die Merkel-Nachfolge hat Annegret-Kramp-Karrenbauer. AKK betonte bei Anne Will ihr gutes Verhältnis zur Kanzlerin – und dass sie für den Erfolg der schwarz-roten Koalition arbeite. Die neue CDU-Chefin machte aber auch deutlich, dass sie bereit wäre, die Merkel-Nachfolge anzutreten. Wer sich das Kanzleramt nicht zutraue, dürfe sich nicht um den CDU-Vorsitz bewerben, sagte sie.

AKK legte bei Anne Will einen erwartbaren Auftritt hin: Sie versprach, ihre ehemaligen Konkurrenten Jens Spahn und Friedrich Merz in Zukunft einbinden zu wollen. Sie bestritt, dass die Union eine gespaltene Partei sei. Denn: Die drei Kandidaten seien sich inhaltlich oft sehr nahe gewesen. Und natürlich widersprach sie dem Eindruck, eine Art „Mini-Merkel“ zu sein. „Ich bin nicht das pure Weiter-so“, sagte Kramp-Karrenbauer.

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Doch was ändert sich nun unter einer Vorsitzenden AKK? Wolfgang Kubicki lag sicherlich richtig mit der Bemerkung, dass die Kanzlerin ihre Politik nicht grundlegend korrigieren werde – und die SPD nicht bereit sei, Zugeständnisse zu machen. Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages werde es auch mit Kramp-Karrenbauer in dieser Legislaturperiode nicht geben.

Die „Spiegel“-Journalistin Christiane Hoffmann ging sogar noch einen Schritt weiter: Weder Union, noch SPD könnten sich weitere Kompromisse leisten.

Das Konfliktpotential zeigte sich auch gleich in Wills Runde: Der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz forderte eine Reform des Paragraphen 219a, der es Ärzten verbietet, für Schwangerschaftsabrüche zu werben. Die Koalition sucht dafür gerade einen Kompromiss.

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    Kramp-Karrenbauer blieb wachsweich, sagte, dass die Verhandlungen darüber laufen – ohne sich weiter festlegen zu wollen. Schulz verlangte, die Abstimmung im Bundestag als Gewissensentscheidung freizugeben.

    Was der Streit um ein vermeintlich kleines Problem zeigte: Die Regierungsarbeit ist nach wie vor schwierig, sie zwingt zu Kompromissen. Und die verwässern wiederum das Profil der Parteien. Kramp-Karrenbauer muss erst noch zeigen, wie sie diesen Widerspruch überwinden will. Was sie inhaltlich mit der Partei vorhat, verriet sie bei Anne Will nicht.

    Dass die neue CDU-Chefin trotzdem einen starken Auftritt hinlegte, verdankt sie Gabor Steingart. Der ehemalige „Handelsblatt“-Chefredakteur hatte die ehemalige saarländische Ministerpräsidentin in der Vergangenheit hart attackiert. Sie habe keine Visionen und ihr fehle das Format für ein politisches Spitzenamt.

    Als Ministerpräsidentin des Saarlandes sei sie eine Art bessere Bürgermeisterin gewesen. Steingart legte bei Anne Will nach: „Ich bin Ökonom. Ich schaue mir Fundamentaldaten an. Und das Bruttosozialprodukt des Saarlandes ist armselig“. Was wohl heißen sollte: Seht her, „AKK“ kann’s nicht.

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    Steingart zeigte mit seinem Auftritt aber vor allem eines: dass er die Provinz belächelt – und die Politiker, die sie hervorbringt. Kramp-Karrenbauer konterte die Vorwürfte mit Sachkenntnis – und zeigte, wie leidenschaftlich sie sein kann.

    „Ich empfinde das gegenüber den Saarländern in einem höchstmaß despektierlich“, sagte sie. Ein Großteil der Deutschen wohne in der Provinz, und nicht in Großstädten. Das Saarland durchlebe einen harten Strukturwandel. Der Haushalt sei inzwischen ausgeglichen, es werde wieder investiert. Kramp-Karrenbauer knöpfte sich Steingart so leidenschaftlich vor, dass Ex-SPD-Chef Schulz ihr dafür Respekt zollte. „Ich finde es toll, wie eine ehemalige Ministerpräsidentin um ihr Land kämpft“, sagte Martin Schulz. Und Gabor Steingart? Der erschien auf einmal selber ein paar Nummern kleiner.

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    Jetzt muss Annegret Kramp-Karrenbauer nur noch zeigen, dass sie den CDU-Vorsitz mit der gleichen Leidenschaft ausfüllt.

    Übrigens: Für Irritation sorgte zwischenzeitlich das Verschwinden von Martin Schulz aus der Talkrunde. Nach ein paar Minuten kehrte er zurück. Eine Begründung für die Unterbrechung gab es nicht.