Hamburg. Annegret Kramp-Karrenbauer ist die neue Vorsitzende der CDU. Ihr Weg dorthin war verblüffend unspektakulär. Ein Portrait.

Annegret Kramp-Karrenbauer. Kann man mit diesem Namen Karriere machen? Sie kann, hat sich mit AKK ein Markenzeichen gesetzt. Und das zog am Freitag bei den 1000 Delegierten. AKK ist die neue Vorsitzende der CDU. Wieder eine Frau, allen Unkenrufen zum Trotz.

Was ist ihre größte Stärke, wurde sie kurz nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur gefragt: „Ich rege mich selten auf. Ich habe gute Nerven“ kam prompt von der 56-Jährigen zurück. Was ist ihr wirklich wichtig? „Meine Familie“. Nun mag ein Teil der nach außen getragenen Bodenständigkeit aufgesetzt sein, doch ihre Unaufgeregtheit ist tatsächlich groß. Wenig spektakulär, fast langweilig manchmal, aber immer verlässlich.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich von Merkel distanziert

AKKs nüchterne Art ließ viele zweifeln, ob sie den Willen zur Macht wirklich besitzt. Doch das machte sie nicht zuletzt in den vergangenen drei Wochen mehr als deutlich. Kramp-Karrenbauer gelang es, sich von Merkel zu distanzieren. Respekt vor der Person, aber eine Abkehr von einer „bleiernen Zeit“ – eine harte Ansage an eine Chefin, die AKK schließlich nach Berlin geholt hat.

Kramp-Karrenbauer war, nach intensiven Gesprächen mit Merkel im Februar 2018 als Generalsekretärin nach Berlin gekommen, verließ dafür das Saarland, obwohl sie dort ihre Macht als Regierungschefin 2017 erfolgreich verteidigt hatte. Die Partei dankte es ihr. Sie wurde mit 98,87 Prozent der Stimmen zur CDU-Generalsekretärin gewählt, das beste Ergebnis, das es für diesen Posten jemals gegeben hatte. „Ich kann, ich will und ich werde“, sagte sie damals nach der Wahl.

Sie ist eine Optimistin

„Unaufgeregt“ und „uneitel“ gehören zu den Adjektiven, die Kramp-Karrenbauers Weg begleiten. „Viele glücklichen Zufälle haben mir dabei geholfen“, sagt die Mutter von drei erwachsenen Kindern. Eigentlich wollte sie vor dem Abi Hebamme werden, danach dachte sie an einen Beruf als Lehrerin. Mit 18 trat sie in die CDU ein - und entdeckte ihre Leidenschaft für Politik. Später studierte sie Jura und Politik.

Sie ist eine Optimistin: „Ich bin von Hause aus immer zuversichtlich, sonst wäre ich nicht in der Politik“, hat sie einmal gesagt.

Ihre Karriere begann sie im Stadtrat ihres Heimatortes Püttlingen. Der frühere Saar-Regierungschef Peter Müller (CDU) rief sie 2000 bundesweit als erste Innenministerin in sein Kabinett. Nach verschiedenen Ministerjobs wurde sie 2011 erste Ministerpräsidentin des kleinsten Flächenstaates.

Im März 2017 gewann sie auf dem Zenit der Beliebtheit von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die Landtagswahl im Saarland haushoch für die CDU. Schon damals hatte sie sich mit bestimmten Themen positioniert: Sie plädierte für einen härteren Umgang mit Asylbewerbern, die Behörden über ihre Identität täuschen - und fordert konsequentes staatliches Handeln bei Abschiebungen.

Sie trat ein für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ist für Priesterinnen in der katholischen Kirche und gegen Werbung für Abtreibung. An Karneval trat sie als „Putzfrau Gretel vom Landtag“ auf, zog Politiker aller Couleur durch den Kakao. Vor allem aber sich selbst.

Hoher Preis für den Umzug nach Berlin

Sie zahlte für ihren Umzug nach Berlin einen hohen Preis. Sie wusste das. Als sie noch Ministerpräsidentin war und zwischen dem Saarland und den Berliner Koalitionsverhandlungen hin und her pendelte, kam es im Januar zu einem Unfall. Ihr Dienstwagen fuhr bei Potsdam auf einen Lastwagen auf - drei Tage lag sie im Krankenhaus. Ihre Familie, ihr Mann, war schwer geschockt.Und doch traf sie wenig später die Entscheidung: Ja, ich gehe nach Berlin.

Und dort baute sie ihre Macht systematisch auf. Baute das Konrad-Adenauer-Haus um, installierte ein paar wenige Vertraute an Schlüsselpositionen. Sie ging auf Zuhör-Tour in die CDU-Verbände, quer durchs ganze Land. Sie forderte die Mitglieder zu Diskussionen auf über das, was sich verändern muss in der Partei.

Das sind die CDU-Vorsitzenden seit 1946

Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU. Der aus Köln stammende Jurist war von 1950 bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender. Seit 1946 war er bereits Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone. Von 1949 bis 1963 war Adenauer der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel: Seit 1946 standen sechs Männer und eine Frau an der Spitze der CDU. Hier stellen wir sie vor.
Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU. Der aus Köln stammende Jurist war von 1950 bis 1966 CDU-Bundesvorsitzender. Seit 1946 war er bereits Vorsitzender der CDU in der britischen Besatzungszone. Von 1949 bis 1963 war Adenauer der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Konrad Adenauer bis Angela Merkel: Seit 1946 standen sechs Männer und eine Frau an der Spitze der CDU. Hier stellen wir sie vor. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Ludwig Erhard, Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und zweiter Bundeskanzler (1963 bis 1966), hatte den CDU-Vorsitz von 1966 bis 1967 inne.
Ludwig Erhard, Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und zweiter Bundeskanzler (1963 bis 1966), hatte den CDU-Vorsitz von 1966 bis 1967 inne. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Kurt Georg Kiesinger, dritter Bundeskanzler (1966 bis 1969), war von 1967 bis 1971 CDU-Chef. Schon 1933, im Jahr von Hitlers Machtübernahme, war Kiesinger in die NSDAP eingetreten. Das wurde ihm in den 1960er-Jahren vor allem von der „Außerparlamentarischen Opposition“ immer wieder vorgehalten.
Kurt Georg Kiesinger, dritter Bundeskanzler (1966 bis 1969), war von 1967 bis 1971 CDU-Chef. Schon 1933, im Jahr von Hitlers Machtübernahme, war Kiesinger in die NSDAP eingetreten. Das wurde ihm in den 1960er-Jahren vor allem von der „Außerparlamentarischen Opposition“ immer wieder vorgehalten. © imago/United Archives International | Personalities
Rainer Candidus Barzel war von 1971 bis 1973 CDU-Parteivorsitzender.
Rainer Candidus Barzel war von 1971 bis 1973 CDU-Parteivorsitzender. © imago | SVEN SIMON
Helmut Kohl war von 1973 bis 1998 CDU-Parteivorsitzender.
Helmut Kohl war von 1973 bis 1998 CDU-Parteivorsitzender. © imago/WEREK | imago stock&people
Kohl führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der BRD eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Kanzler mit der längsten Amtszeit.
Kohl führte von 1982 bis 1998 als sechster Bundeskanzler der BRD eine CDU/CSU/FDP-Koalition und ist damit der Kanzler mit der längsten Amtszeit. © imago/imagebroker | imago stock&people
Wolfgang Schäuble, aktueller Bundestagspräsident, war von 1998 bis 2000 CDU-Parteivorsitzender.
Wolfgang Schäuble, aktueller Bundestagspräsident, war von 1998 bis 2000 CDU-Parteivorsitzender. © imago/ZUMA Press | Emmanuele Contini
Angela Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende. Seit 22. November 2005 ist die studierte Physikerin Bundeskanzlerin.
Angela Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende. Seit 22. November 2005 ist die studierte Physikerin Bundeskanzlerin. © Getty Images | Carsten Koall
Annegret Kramp-Karrenbauer war vom 7. Dezember 2018 bis Januar 2021 die Bundesvorsitzende der Partei.
Annegret Kramp-Karrenbauer war vom 7. Dezember 2018 bis Januar 2021 die Bundesvorsitzende der Partei. © dpa | Sebastian Gollnow
Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich Anfang 2021 gegen seine Konkurrenten Norbert Röttgen und Friedrich Merz durch. Er wurde CDU-Vorsitzender und trat als Spitzenkandidat im Bundestagwahlkampf 2021 an. Die Union verlor die Wahl. Laschet zog als einfacher Abgeordneter in den Bundestag ein und machte den Weg frei für eine neue CDU-Spitze.
Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich Anfang 2021 gegen seine Konkurrenten Norbert Röttgen und Friedrich Merz durch. Er wurde CDU-Vorsitzender und trat als Spitzenkandidat im Bundestagwahlkampf 2021 an. Die Union verlor die Wahl. Laschet zog als einfacher Abgeordneter in den Bundestag ein und machte den Weg frei für eine neue CDU-Spitze. © dpa | Bernd Weißbrod
Friedrich Merz folgt auf Armin Laschet. Der Sauerländer (*11. November 1955 in Brilon) ist seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU. Seit 2021 sitzt Merz auch für die Partei im Bundestag.
Friedrich Merz folgt auf Armin Laschet. Der Sauerländer (*11. November 1955 in Brilon) ist seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der CDU. Seit 2021 sitzt Merz auch für die Partei im Bundestag. © dpa
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Sie hörte genau zu, allen Strömungen, auch denen, die sich von Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik verraten fühlten. AKK identifizierte den Wohlstand im digitalen Zeitalter, die Sicherheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft als die drei wichtigsten aktuellen Fragen. Aus der eigenen Partei habe sie in den vergangenen Monaten Stolz, aber auch Frust, Sorge und Verunsicherung gehört.

Der CDU, der ganzen Union, müsse es gelingen, zusammenzubleiben und sich nicht auseinanderdividieren zu lassen, das gemeinsame über das Trennende zu stellen. Dafür stehe sie.

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Deswegen schwor sie im Asylstreit mit der CSU im Sommer schwor sie die Partei mit einem Brief auf die Linie der Kanzlerin ein: „Ich werde jetzt nicht, nur um einen Wettbewerbsvorteil zu haben, mich künstlich von jemanden absetzen, den ich in einem hohen Maße schätze.“ Und konstatierte für sich, dass die Angriffe aus der CSU direkt auf Merkel zielten. Eine erste Ahnung, dass es vielleicht schneller gehen müsste mit der Bewerbung um die Nachfolge.

Von Merkels Plänen will sie nichts gewusst haben

Sie beteuert im Gespräch, dass sie von Merkels Plänen nichts gewusst habe, auch davon ausgegangen sei, dass die Kanzlerin für den Parteitag in Hamburg noch einmal kandidiere. Sie wurde also genauso überrascht wie alle anderen, hatte keine Zeit zur gezielten Vorbereitung auf diesen Montag nach der Hessenwahl. Sauer auf Merkel? AKK winkt ab. „Es war ein heilsamer Schock für alle – und alle hatten die gleichen Startchancen.“ Das hatte Merkel so gewollt. Auch aus Angst, dass ein zu starker Einsatz für AKK dieser geschadet hätte.

AKK setzte alles auf eine Karte. Sie ließ ihr Amt als Generalsekretärin ruhen, machte klar, dass sie auf diesen Posten auch nicht zurückkehre werde. Sie wolle für die Partei nur noch „ehrenamtlich“ tätig sein. Was genau das heißt, das blieb dann offen.

Merkels Abschiedsrede: Die besten Szenen

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    Was sie in den Tagen vor dem Parteitag gemacht hat? „Weihnachtsdeko“. Sie vertraue ihrem Mann in diesem Punkt nicht. Nun, er wird künftig öfter auf die Unterstützung seine Frau verzichten müssen.