Berlin. Beim Kampf um die Kohle sind Klimabewegung und Grüne auf derselben Seite. Warum das Dorf Lützerath für die Grünen ein Problem ist.

Der Ort Lützerath ist für Grüne in diesen Tagen schwieriges Terrain. Denn wenn im Rheinland bald Räumungskommandos anfangen, gegen Klimaaktivisten und -aktivistinnen vorzugehen, die das Dorf besetzen, dann finden sich die Grünen dieses Mal auf der Seite der Polizei. Auf der anderen Seite der Barrikaden dagegen stehen große Teile der grünen Basis. Und sie sind sauer.

Denn es ist eine Landesregierung mit grüner Beteiligung, die Ansprüche des Konzerns da durchsetzen lassen will. Mehr noch: Es waren die grüne Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur und der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die den Deal mit dem Energiekonzern RWE ausgehandelt haben, dem Lützerath jetzt zum Opfer fällt.

Fridays for Future werfen den Grünen vor: „Ihr habt euch verrechnet“

Im Gegenzug sagte der Konzern zu, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen. Doch in der Klimabewegung glaubt man nicht, dass mit diesem Deal wirklich dem Klima geholfen ist. „Ihr habt euch verrechnet“ stand am Wochenende über einem Gastbeitrag der Fridays for Future-Aktivistinnen Luisa Neubauer und Pauline Brünger in der „taz“, und gemeint war die grüne Partei. FFF und andere halten den Grünen vor, dass die Menge an Kohle, die bis 2030 verbrannt werden kann, nicht begrenzt sei. Sie berufen sich auf Gutachten, die nahelegen würden, dass deshalb unterm Strich keine Emissionen eingespart werden.

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„Ein Problem dieses Deals ist, dass er einen Riss verursacht zwischen der Bewegung und der Partei“, sagte Kathrin Henneberger, grüne Bundestagsabgeordnete und selbst lange bei Ende Gelände aktiv. „Und das können wir uns nicht leisten im Streit gegen die Klimakrise. Dafür ist die Macht auf der anderen Seite zu gewaltig.“ Viele innerhalb der Partei, gerade auch hier in der Region der Tagebaue, seien eng verbunden mit dem Kampf gegen die Kohle. Basismitglieder würden vor Ort Unterstützung für den Erhalt des Dorfes. „Das ist auch innerparteilich eine Zerreißprobe“, sagte Henneberger, die selbst vor Ort ist.

Schon auf dem Parteitag im Oktober spaltete das Thema die Partei

Wie schwer sich die Partei mit dem Deal um Lützerath tut, war bereits beim Parteitag im Oktober zu besichtigen. Auch damals warnten zahlreiche Delegierte, dass die Grünen mit der Klimabewegung ihre vielleicht wichtigsten Verbündeten vergrätzen würden. Ein Antrag der Grünen Jugend auf einen Moratorium für Lützerath wurde hitzig diskutiert, am Ende konnte sich der Parteivorstand nur mit 19 Stimmen Vorsprung dagegen durchsetzen.

Parteichefin Ricarda Lang erklärte am Montag, sie habe Verständnis für die Menschen, die jetzt in Lützerath demonstrieren würden. „Natürlich ist das für uns eine schmerzliche Entscheidung.“ Doch sie verwies auf den früheren Ausstieg als Erfolg, und auch darauf, dass RWE rechtlich ausgeurteilte Ansprüche im Dorf habe. Den hinter den Protesten stehenden Wunsch nach mehr Klimaschutz könne man erfüllen, sagte Lang. Jetzt müsse es um den Ausstieg bis 2030 in ganz Deutschland gehen – also auch im Osten.

Bundestagabgeordnete fürchtet Verletzte bei Räumung

Kathrin Henneberger hofft noch immer, dass es einen friedlichen Weg nach vorn gibt – und das Dorf erhalten bleibt. Alle Akteure müssten sich jetzt an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, sagt sie. „Ich habe große Sorge, dass es sonst wieder zu Verletzten oder sogar Todesfällen kommt, wie im Hambacher Forst.“