Berlin. Die Ermittlungen gegen die Reichsbürger-Gruppe fördern neue Details ans Licht – darunter konkrete Pläne für einen gewaltsamen Umsturz.

Die vergangene Woche ausgehobene "Reichsbürger"-Gruppierung hatte offensichtlich noch deutlich mehr Mitwissende als bislang bekannt. Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags berichteten am Montag nach einer Sondersitzung in Berlin, die Ermittelnden hätten eine dreistellige Zahl sogenannter "Verschwiegenheitserklärungen" mit Unterschriften von Menschen gefunden, die von der Gruppe angesprochen worden seien.

Zudem hieß es in einem Bericht der "Welt", die Gruppe habe weitaus mehr Waffen besessen als bisher bekannt. Demnach hätten die Ermittelnden insgesamt 93 Waffen sichergestellt, darunter 19 Faustfeuerwaffen und 25 Langfeuerwaffen. Die Zeitung beruft sich bei den Angaben auf Teilnehmende der Sondersitzung. Zusätzlich kämen 200 legale Waffen eines beschuldigten Waffenhändlers hinzu, heißt es.

Auch die Pläne der "Reichsbürger" seien ausgereifter gewesen als bisher angenommen: Nach Angaben der Abgeordneten des Rechtsausschusses hatten die mutmaßlichen Verschwörer geplant, bundesweit 286 "Heimatschutzkompanien" zu bilden. Diese hätten nach Auskunft eines Vertreters der Bundesanwaltschaft im Falle eines Umsturzes Menschen "festnehmen und exekutieren" sollen, sagte Ausschussmitglied Clara Bünger (Linke).

Wie Bünger weiter erklärte, habe es in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg bereits konkrete Vorbereitungen dafür gegeben. Mehrere Verdächtige hätten in Bayern an einem Schießtraining teilgenommen.

"Reichsbürger": Hohe Geldsummen und viele Waffen

Bei den Durchsuchungen seien mehr als 400.000 Euro in bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden, sagte Bünger. Außerdem solle es ein Schließfach geben, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollten. Für den engeren Kreis der Verschwörer habe es Satelliten-Telefone gegeben, um intern sicher zu kommunizieren. In einer von den Sicherheitsbehörden abgefangenen Kommunikation sei es um den Zugang zum Bundestag gegangen, berichtete Bünger aus der Sitzung.

Dem Vernehmen nach interessierte sich die Gruppe bei ihren Planungen für den von ihnen erwarteten Umsturz auch für Kasernen der Bundeswehr. Auch wenn es keinen Hinweis gebe, dass ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden habe, sei die Bedrohung hier wegen der hohen Gewaltbereitschaft der Beteiligten ernst zu nehmen, betonte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU). Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, der Fall sei "erschreckend", sowohl was die Anzahl der Beteiligten angehe, als auch die Finanzmittel der Gruppe.

Wie am Montag außerdem bekannt wurde, sollen bei den Ermittlungen auch Magazine für Waffen entdeckt worden sein, die bei der Razzia nicht entdeckt wurden. In den aufgefundenen "Verschwiegenheitserklärungen", seien den Unterzeichnern erhebliche Sanktionen bis hin zum Tod angedroht worden, erfuhren die Mitglieder des Innenausschusses nach Angaben von Teilnehmern bei einer Sondersitzung am Abend.

Heinrich XIII Prinz Reuß gilt als Rädelsführer der aufgedeckten Reichsbürger-Gruppe.
Heinrich XIII Prinz Reuß gilt als Rädelsführer der aufgedeckten Reichsbürger-Gruppe. © dpa | Boris Roessler

Die erste Zusammenkunft der Gruppierung, von der die Sicherheitsbehörden wissen, soll im vergangenen November stattgefunden haben. Man traf sich unter anderem auch auf dem Jagdschloss von Heinrich XIII. Prinz Reuß. Er wird verdächtigt, einer von zwei Rädelsführern zu sein.

"Reichsbürger"-Razzia: Über Auslieferung eines Ex-Offiziers wird entschieden

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Die Bundesanwaltschaft hatte am vergangenen Mittwoch 25 mutmaßliche "Reichsbürger" festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere und Polizeibeamte. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft.

Über die Auslieferung eines 64-jährigen deutschen Ex-Offiziers, der nahe der italienischen Stadt Perugia festgenommen worden war, soll nächste Woche entschieden werden. Im Hotelzimmer des früheren Oberst einer Spezialeinheit der Bundeswehr fanden die Polizisten "diverses Material, das rückführbar auf die staatsfeindlichen Umtriebe der terroristischen Organisation ist", wie mitgeteilt wurde.

Laut Bundesanwaltschaft gibt es in dem Ermittlungsverfahren neben den Festgenommenen noch 27 weitere Beschuldigte. Bei den Durchsuchungen am Mittwoch waren Dutzende Waffen gefunden worden, darunter drei scharfe Schusswaffen.

Lesen Sie auch zum Thema Reichsbürger:

"Reichsbürger": Grüne warnen – CDU-Politiker auf Liste

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte, man müsse nicht nur darauf hinweisen, dass im Zuge der Ermittlungen mit Birgit Malsack-Winkemann eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete nun in Untersuchungshaft genommen wurde, "sondern dass, wenn man sich anschaut, welche Ideologien da zusammenkommen, dann die AfD tatsächlich der parlamentarische Arm derjenigen ist, die diese Republik nicht wollen". Alarmierend sei, dass unter den Verdächtigen in diesem Fall auch Angehörige der Bundeswehr und Polizisten seien.#

Die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann.
Die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Bei einem der Beschuldigten war bei einer Durchsuchung im Frühjahr eine Liste mit Namen von Prominenten gefunden worden, darunter Politikerinnen und Politiker. Was er mit der Liste bezweckte, ist noch unklar. Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan sagte, dass auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet auf dieser Liste stehen, zeige, "die Gefahr von rechts gilt auch der Union". Es sei wichtig, "als Demokraten gemeinsam gegen die Bedrohungen und Angriffe von rechts vorzugehen".

Der Unionsabgeordnete Günter Krings (CDU) sagte, es müsse geklärt werden, ob vor den Durchsuchungen Informationen gezielt an verschiedene Medien weitergegeben worden seien oder ob diese womöglich unabsichtlich herausgesickert seien. "Durchgestochene Ermittlungsinterna gefährden die Ermittlungen und schaden dem Rechtsstaat", sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion dem Nachrichtenportal "t-online".

"Sofern Medienvertreter von den durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen und Festnahmen vorab informiert gewesen sein sollten, muss dies untersucht und aufgeklärt werden", forderte Krings. (dpa/reba)