Washington. Die Indizien für eine Anklage gegen den früheren US-Präsidenten mehren sich. Dabei hat Jack Smith noch gar nicht richtig angefangen.

Auch wenn er wegen eines Sturzes vom Fahrrad gehandicapt ist und nach einer Knie-Operation noch in den Niederlanden weilt, zeigt Jack Smith seinem künftigen Gegenspieler in Washington auf dem Postweg bereits Grenzen auf.

In seiner neuen Funktion als vom US-Justizminister eingesetzter Sonder-Ermittler gegen Ex-Präsident Donald Trump fegte der Staatsanwalt Versuche von Trumps Anwälten vom Tisch, die Untersuchungen wegen rund 13.000 teils hoch sensiblen Dokumenten und Staatsgeheimnissen weiter zu verschleppen. Sie waren im Sommer in Trumps Privat-Residenz Mar-a-Lago während einer gerichtlich angeordneten FBI-Razzia sichergestellt worden. Trump hatte die Papiere einfach mitgenommen und trotz mehrfacher Aufforderung des Nations-Archivs für sich behalten.

Zuletzt hatte Smith Kriegsverbrechen im Kosovo aufgeklärt. Nun also der Kampf gegen Trump.

Donald Trump tobt auf "Truth Social"

"Nichts davon ist wahr", lautete der Schlüsselsatz Smiths in einer Replik an ein Berufungsgericht in Washington, die allein deshalb für Aufsehen sorgte, weil sie so kurz und schroff war.

Trump revanchierte sich drastisch. Auf seinem Nischen-Kurzmitteilungsdienst "Truth Social" nannte der 76-Jährige den parteilosen Karriere-Juristen einen "Trump-Hasser" und "politischen Auftragskiller", der "total kompromittiert" sei und aufgrund seiner Voreingenommenheit nicht mal in die Nähe des Justizministeriums gelassen werden dürfe, in dem "links-radikale Monster" den Ton angäben. Lesen Sie auch: US-Präsidentschaft 2024: Kanye West will mit Trump antreten

Noch bevor Smith in den nächsten Wochen nach ausgiebiger Tätigkeit für ein Sondergericht in Den Haag wieder amerikanischen Boden betreten wird, überzog Trump ihn und dessen ganze Familie mit pauschalen Anwürfen, die an Verleumdung grenzen.

Sonderermittler gegen Trump: Smiths Frau hat für Biden gespendet

Nur ein Detail: Smiths Frau, die Filme-Macherin Katy Chevigny, hat an der "Becoming"-Dokumentation von Ex-First Lady Michelle Obama mitgewirkt und außerdem 2020 rund 2000 Dollar für den Wahlkampf des heutigen demokratischen Präsidenten Joe Biden gespendet. Korrupter, so Trumps verbogene Lesart, geht’s doch wohl nimmer. Auch interessant: Melanie Trump plötzlich zärtlich: Die geheime Strategie der Ex-First Lady

Jack Smith ist ein erfahrener Staatsanwalt.
Jack Smith ist ein erfahrener Staatsanwalt. © Robin Van Lonkhuijsen/Pool ANP/AP/dpa

Smith hat auf die Attacken bisher nicht reagiert. Sie dürften nur ein lauwarmer Vorgeschmack auf das sein, was ihm droht, falls er Justizminister Merrick Garland irgendwann auf der Strecke von Januar 2023 bis vermutlich Anfang 2024 empfehlen sollte, was es in Amerika so noch nie gegeben hat: strafrechtlich Anklage zu erheben gegen einen ehemaligen Präsidenten, der sich anschickt, in zwei Jahren erneut die republikanische Kandidatur für das Weiße Haus zu erringen.

Dazu sind zwei Tatkomplexe, über die bereits sehr viel bekannt und vorermittelt ist, in seine Hände gelegt. Neben dem Dokumenten-Skandal, bei dem rechtswidrig unter anderem top-geschützte militärische Geheimnisse über China und den Iran in Trumps Privat-Domizil gelangten, wo sie niemals hätten sein dürfen, ist das die Rolle Trumps als Ideengeber und heimlicher Regisseur des blutigen Sturms auf den Kongress in Washington am 6. Januar 2021.

Ex-Justizminister Barr sieht Anklage kommen

Ein von den Demokraten initiierter Untersuchungs-Ausschuss, an dem nur zwei Republikaner teilnehmen, hatte über Monate Beweise für Trumps Beteiligung an dem versuchten Staatsstreich zutage gefördert.

Über 1000 Zeugenbefragungen ergaben, dass Trump eindeutig der Antreiber war, um das Wahlergebnis von 2020 nachträglich zu manipulieren und die Zertifizierung von Joe Biden als neuem Präsidenten von einem gewalttätigen Mob hintertreiben zu lassen. Mit dem Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus zugunsten der Republikaner wird das Gremium Anfang Januar 2023 eingestampft.

In beiden Handlungssträngen stehen die Zeichen, auch wenn noch nichts endgültig oder gar offiziell ist, zunehmend auf Anklage. Das sagen nicht nur Demokraten, die sich erhoffen, dass Trump darüber auf dem Weg zur Kandidatur unrettbar strauchelt. Nein, das sagen auch führende Republikaner. Etwa Trumps ehemaliger Justiz-Minister Bill Barr.

Der Vorgänger des derzeitigen Amtsinhabers Garland hatte sich, wenn auch spät, mit dem krachledernen Satz vernehmen lassen, dass Trumps Behauptung von der 2020 "gestohlenen Wahl" von A bis Z "bullshit" gewesen sei.

Erst vor wenigen Tagen setzte Bill Barr im TV-Sender PBS nach und erklärte, dass Justizminister Merrick Garland "sehr wahrscheinlich die Grundlage dafür hat, Trump berechtigterweise anzuklagen". Dabei hatte der Top-Jurist Barr lange Zeit loyal zu Trump gestanden. Auch interessant: Kanye West lobt Hitler – dramatischer Fall eines Superstars

USA: Anklage gegen Trump dürfte Sturm der Entrüstung bei den Rechten auslösen

Allein dieser Schritt der Anklage, sollte er von Smith tatsächlich angeraten und von Garland, der das letzte Wort hat, abgesegnet werden, wird in den überpolarisierten Vereinigten Staaten auf der politischen Rechten einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Schon heute bläut Trump seinen Anhängern ein, dass die Demokraten die Justiz "als Waffe gegen mich einsetzen wollen, um mich mundtot zu machen". Indirekt fordert Trump bereits heute dazu auf, gegen den "übergriffigen Staat" aufzustehen. Ausgang offen.

US-Justizminister ernennt Sonderermittler zu Trump

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    Jack Smith bringt den Blick von außen ein. Schließlich hat er viele Jahre in Den Haag gearbeitet, um Gräuel-Taten während der Balkan-Kriege aufzuklären. Insider aus dem Maschinenraum des "Department of Justice" (DOJ) sind überzeugt: Es wird nur dann Anklage erhoben, wenn man sich eines Erfolges sicher sind. Sprich: einer Verurteilung.

    Trump könnte sich nach 2024 selbst begnadigen

    Ob es aber jemals dazu kommen wird, ist heute reine Spekulation. Angenommen, die Klage kommt und wird zugelassen, möglichst weit vor dem Urnengang 2024, um nicht als Wahlkampf-Hilfe für die Demokraten zu gelten, könnte Trump einen "plea deal" eingehen - vereinfacht gesagt: Haftverschonung gegen Schuldeingeständnis.

    Denkbar ist aber auch, dass sich in einem Prozess am Ende einer von zwölf Geschworenen als Trump-Fan outet, das Prinzip der Einstimmigkeit sprengt und den New Yorker Immobilien-Unternehmer so davonkommen lässt. Auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist die letzte Option: Trump holt die Kandidatur, gewinnt 2024 die Wahl - und begnadigt sich selbst.

    Jack Smith behagt diese Perspektive dem Vernehmen nach überhaupt nicht.

    Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.