Berlin. Lange wurde über das Bürgergeld gestritten – nach Kompromissen im Vermittlungsausschuss stimmen Bundestag und Bundesrat dem Gesetz zu.

  • Hartz IV, auch bekannt als Arbeitslosengeld II, wird durch das neue Bürgergeld ersetzt
  • Bundestag und Bundesrat stimmen dem Gesetzentwurf zu
  • Diese Kompromisse wurden im Vermittlungsausschuss ausgehandelt

Entscheidung zum Bürgergeld: Der Bundestag hat dem Bürgergeld erneut zugestimmt. 557 Abgeordnete votierten für die Pläne der Regierung, 98 dagegen. Auch der Bundesrat stimmt mit großer Mehrheit der geplanten Reform des Hartz-IV-Systems zu.

Bereits vor zwei Wochen hatte im Bundestag eine Mehrheit für das Gesetzt votiert. Weil der Bundesrat es aber abgelehnt hatte, wurde es in einem Vermittlungsausschuss überarbeitet.

SPD nennt Bürgergeld größte Sozialstaatsreform seit Jahrzehnten

Vor der Abstimmung hat die SPD erneut im Bundestag für das geplante Bürgergeld geworben. "Es geht um die größte Sozialstaatsreform seit Jahrzehnten", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast.

Der CDU-Sozialpolitiker Hermann Gröhe sagte, das Vermittlungsergebnis habe Hubertus Heils Pläne "in ganz grundsätzlicher Weise" geändert. So sei eine ursprüngliche geplante "Vertrauenszeit" abgeschafft worden, in der Arbeitslose zu Beginn des Leistungsbezugs keine Geldkürzungen bei Pflichtverletzungen fürchten sollten.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), lobte das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens und die breite Zustimmung im Bundestag und Bundesrat als "Sternstunde der Demokratie". Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, alle Beteiligten hätten bewiesen, dass man in kurzer Zeit zu einer guten Lösung kommen könne.

Bürgergeld soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten

Mit dem Bürgergeld wird Hartz IV nach 18 Jahren zum 1. Januar 2023 abgeschafft. Innerhalb der Ampel-Koalition ist die Reform der Grundsicherung eines der zentralen Vorhaben der SPD. Von Anfang an hatte die Union es kritisiert und schließlich eine Zustimmung zum Gesetz im Bundesrat verhindert.

Der Bundestag hat der überarbeiteten Bürgergeld-Gesetz zugestimmt.
Der Bundestag hat der überarbeiteten Bürgergeld-Gesetz zugestimmt.

Die Kritik der Unionsparteien entzündete sich vor allem an der sogenannten Vertrauenszeit. Sie war im ersten Entwurf des Gesetzes vorgesehen und hätte Empfängerinnen und Empfänger im ersten halben Jahr des Bürgergeldbezugs weitestgehend vor Sanktionen geschützt. Um CDU und CSU im Vermittlungsausschuss zur Zustimmung zu bewegen, verzichtete die Ampel-Koalition nun aber auf diese Regelung.

Mit der Einführung des Bürgergelds wird der Regelsatz um rund 50 Euro steigen. Zudem wird eine Karenzzeit eingeführt: Im ersten Jahr des Bezugs gelten höhere Vermögensgrenzen und quasi keine Regeln für die Größe der Wohnung. Ursprünglich war dafür eine Zeitspanne von zwei Jahren vorgesehen gewesen. Im Streit mit der Union stimmte die Ampel-Koalition dann aber der verkürzten Zeit zu.

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Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar 2023

Bereits zum 1. Januar soll die Umstellung von Hartz IV auf das Bürgergeld erfolgen. Derzeit deutet allerdings vieles darauf hin, dass dann noch nicht alle Neuerungen von den Jobcentern unmittelbar umgesetzt werden. Vielmehr wird es wohl eine stufenweise Einführung geben. In jedem Fall sollen aber die Regelsätze zum Jahreswechsel steigen.

Nach der Zustimmung im Bundestag und Bundesrat ist das Bürgergeld nun endgültig beschlossen worden. Eine Zustimmung in beiden Parlamenten galt nach der Einigung im Vermittlungsausschuss als sicher.

Wissler: Regelsätze sollen "um mindestens 200 Euro" steigen

Vor der Abstimmung in Bundestag und Bundesrat über den Bürgergeld-Kompromiss hat Linken-Chefin Janine Wissler deutlich höhere Regelsätze gefordert. Dringend notwendig sei "eine sofortige Erhöhung um mindestens 200 Euro", sagte sie unserer Redaktion.

Wissler kündigte das Nein der Linken zu der Grundsicherungsreform an: "Die Ampel hatte die Überwindung von Hartz IV versprochen, dieses Versprechen hat sie nicht eingehalten. Hartz IV bleibt Hartz IV", sagte sie. "Der Ursprungsentwurf blieb schon weit hinter den Erwartungen zurück, die Union hat ihn im Vermittlungsausschuss noch mal deutlich verschlechtert."

Nach dem Beschluss des Bürgergeldes hat die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, weitere sozialpolitische Reformen gefordert. "Diese Reform ist ein erster wichtiger Schritt. Es müssen aber schnell weitere folgen", sagte Engelmeier unserer Redaktion. "Wir richten den Blick jetzt nach vorne und ich sage ganz deutlich: Arbeit muss sich lohnen! Darum sagen wir dem Niedriglohnsektor und niedrigen Renten den Kampf an."

Engelmeier forderte zudem die Rückkehr zu einer "Sachdiskussion". "Die spalterische Rhetorik, die unterschiedliche Gruppen gegeneinander aufhetzt, muss endlich beendet werden", sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende.(fmg/rs)

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.