Washington. Amerika wählt und stellt die Weichen für die kommende US-Präsidentschaft. Es geht um mehr als Senatoren, Abgeordnete und Gouverneure.

An diesem Dienstag wählen die USA Neue Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus sind bei den Midterms zu vergeben. Der Ausgang der Zwischenwahl entscheidet über die politische Beinfreiheit von Präsident Joe Biden (Demokraten) bis 2025. Und über den Stellenwert seines Vorgängers Donald Trump (Republikaner), der voraussichtlich in zwei Jahren erneut für das Weiße Haus antreten will. Das Wichtigste auf einen Blick:

Was wird bei den „Midterms” gewählt?

Bei den Zwischen- oder Halbzeitwahlen am 8. November – zur Hälfte der Amtszeit von Biden – wird zum 118. Mal der US-Kongress gewählt. Er ist der Gesetzgeber der Vereinigten Staaten. Mit Sitz im Kapitol in Washington. Der Kongress besteht aus zwei Kammern: Repräsentantenhaus und Senat. Die beiden Kammern teilen sich parlamentarische Zuständigkeiten wie das Abstimmen über Gesetze, die Oberhoheit über die Staatsfinanzen (Haushalt), die Kontrolle der Regierung und die Ernennung von Ministern und hohen Richtern.

Wie wird der Kongress gewählt?

Das Repräsentantenhaus verfügt über 435 Sitze. Alle stehen am 8. November zur Wahl. Die neuen Abgeordneten bekommen ein Mandat für zwei Jahre. Die Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundesstaates entscheidet darüber, wie viele Sitze er im Repräsentantenhaus bekommt. Im Senat haben unabhängig von der Bevölkerungsdichte alle 50 Bundesstaaten je zwei Senatoren. Ein Drittel der 100 Senatorinnen und Senatoren muss sich alle zwei Jahre neu zur Abstimmung stellen. Wer gewählt ist, amtiert für sechs Jahre.

VolkswahlMidterms 2022 (Halbzeitwahlen)
DatumDienstag, 8. November 2022
OrtUSA
Gewählt werdenRepräsentantenhaus, 35 der 100 US-Senatoren und in 36 Staaten die Gouverneure
Gewählt wirdalle zwei Jahre

Wer ist wahlberechtigt?

Rund 250 Millionen US-Amerikaner über 18 Jahren, die sich in die Wählerverzeichnisse als Demokraten, Republikaner oder parteiunabhängig eintragen ließen.

Warum sind die „Midterms” wichtig?

Weil die Regierungspartei und der Präsident zur Hälfte seiner Amtsperiode ein erstes offizielles Zwischenzeugnis ausgestellt bekommen. Historisch betrachtet, meist ein schlechtes. Seit George W. Bush bekamen alle Präsidenten, republikanische wie demokratische, und ihre Parteien bei den Zwischenwahlen ihr Fett weg. Die Demokraten Bill Clinton und Barack Obama verloren 54 beziehungsweise 63 Sitze, Donald Trump 2018 exakt 40.

Wie sind die aktuellen Mehrheitsverhältnisse?

Zurzeit kommen die Republikaner alles zusammengerechnet auf 213 Abgeordnete, die Demokraten haben 222. Die Mehrheit liegt bei 218 Sitzen. Fünf Sitze mehr reichen den Republikanern zum Wachwechsel. Im Senat herrscht ein 50:50-Patt, das durch die Stimme der demokratischen Vizepräsidentin Kamala Harris in strittigen Fragen meist mit einem Sieg der Demokraten endet.

Was sagen die Umfragen, wie geht das Rennen aus?

Die allermeisten Meinungsforscher gehen im Repräsentantenhaus von einem Erfolg der Republikaner aus; zwischen fünf und 35 Sitze zusätzlich werden ihnen zugetraut. Noch im Sommer sah es danach aus, als könnten die Demokraten weiter den Ton angeben.

Die wirtschaftliche Lage (hohe Inflation), die Präsident Biden angelastet wird, hat das Bild nachhaltig verändert. 216 Sitze werden bereits vor der Wahl den Republikanern zugeschrieben. In 194 Wahlbezirken gilt ein Sieg der Demokraten als sicher oder wahrscheinlich. Cirka 25 Wahlbezirke sind strittig.

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Beim Senat ist das Bild entschieden unschärfer. In sechs Schlüsselbundesstaaten lagen die Kandidaten/-innen zuletzt im Bereich der Irrtums-Marge von drei Prozent Kopf-an-Kopf. Bis zur Vorlage eines amtlichen Endergebnisses kann es bedingt durch Nachzählungen, Anfechtungsklagen und Nachwahlen (wenn nötig, in Georgia am 6. Dezember) Wochen dauern, bis die Mehrheitsverhältnisse endgültig klar sind.

Was wird heute außerdem gewählt?

Unter anderem in 36 Bundesstaaten die Gouverneure, die in etwa mit deutschen Ministerpräsidenten zu vergleichen sind. Dazu kommen Bundesstaats-Parlamente, die „Secretaries of State”, die für die Durchführung von Wahlen verantwortlich sind, und auf kommunaler Ebene viele Polizeichefs und Elternbeiräte in den Schulen.

Welche Rolle spielt die Wahl für Joe Biden und Donald Trump?

Ohne demokratische Mehrheiten im Kongress wird Joe Biden zur „lahmen Ente”. Ihm droht der politische Erstickungstod. Die Republikaner würden seine Rest-Präsidentschaft bis Januar 2025 sabotieren. Der Druck auf Biden würde zunehmen, 2024 den Weg für eine neue Generation von Anführern freizumachen.

Ex-Präsident Donald Trump hat de facto das Gros der republikanischen Kandidaten bestimmt. Ihr wichtiges Merkmal: Sie teilen seine Lüge vom Wahlbetrug 2020. Kommen sie durch, festigt das seine Position für eine dritte Kandidatur 2024. Er könnte sie schon in wenigen Tagen offiziell machen. Fallen sie durch, werden jüngere Kräfte bei den Republikanern, etwa Floridas Gouverneur Ron DeSantis, ihren Machtanspruch erheben.

Was interessiert die Wähler am meisten?

Ganz klar: Inflation. Die bei 8,2 Prozent liegende Teuerungsrate, die sich an der Tankstelle wie im Supermarkt bemerkbar macht, überlagert alles anderes. Danach kommen Kriminalität, Einwanderung und Abtreibung.

Worauf kommt es heute an?

Auf den „turnout“, auf die Wahlbeteiligung. Erfahrungsgemäß eher niedrig bei „midterms”, zeichnet sich diesmal ein Anstieg ab. Über 41 Millionen Amerikaner haben bereits (Stand Sonntagabend) vorab gewählt. An diesem Dienstag kommt es darauf an, wer seine Anhänger besser mobilisieren kann: Die Republikaner, die von Donald Trump angeführt werden, und Biden für einen illegitimen Präsidenten halten. Oder die Demokraten, die eine Rückkehr von Trump 2024 unbedingt verhindern wollen?

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.