Washington. Star-Unternehmer Elon Musk setzt beim Kurzmitteilungsdienst Twitter den Rotstift an – und entlässt wohl Tausende Mitarbeiter.

Um den von ihm überteuert gekauften Kurzmitteilungsdienst Twitter (44 Milliarden Dollar, 44,4 Milliarden Euro) aus den roten Zahlen zu führen, setzte der Mega-Unternehmer Elon Musk am Freitag wohl über die Hälfte der Twitter-Belegschaft vor die Tür. Gegen 17 Uhr deutscher Zeit sollten laut Medienberichten rund 3700 Mitarbeiter via E-Mail die Kündigung erhalten.

Der „schwierige Prozess der Personalreduktion“ sei notwendig, ließ Musk das Fußvolk vorher wissen, um Twitter auf einen „gesunden Pfad“ zu führen. Bei Twitter mehrten sich umgehend Tweets bisheriger Beschäftigter, die von ihrer Kündigung berichteten.

Den Betroffenen wurde ad hoc der Zugang zu ihren Büros wie zu ihren Computer-System blockiert. Damit sollte verhindert werden, was sich 2017 ereignete hatte. Ein frustrierter Twitter-Angestellter hatte an seinem letzten Arbeitstag den Twitter-Account des damaligen US-Präsidenten Donald Trump technisch lahmgelegt.

Twitter: Hunderte Angestellte klagen gegen ihre Entlassung

Der drastische Personalabbau, dem der Rauswurf des kompletten Top-Managements um den früheren CEO Parag Agrawal vorausgegangen war, hat mit Blick auf die Kongresswahlen am kommenden Dienstag in den USA Unruhe ausgelöst. Twitter-Insider schließen nicht aus, dass ohne ausreichendes Personal der Datenverkehr auf der Plattform in der Wahlnacht kollabieren könnte.

Wie aus Unternehmenskreisen verlautete, haben Hunderte Twitter-Angestellte vor einem Bundesgericht in Kalifornien Klage gegen ihre Kündigung eingereicht. Kernvorwurf: hemdsärmeliges Vorgehen des Chefs Elon Musk.

Der mit rund 260 Milliarden Dollar Vermögen reichste Mann der Welt steht sich wie so oft selbst im Weg. Musks Beruhigungsversuche in Richtung Werbe-Wirtschaft, die zu 90 Prozent zum Umsatz von Twitter beiträgt, sind erst wenige Tage alt.

Da sagte der 51-Jährige, unter seiner Führung werde die von zuletzt 240 Millionen Menschen genutzte Plattform kein Krawall-Organ, sondern die „am meisten respektierte Werbeplattform weltweit”.

Als Beleg für seine Haltung kündigte Musk an, dass von Twitter verbannte Personen wie etwa Ex-Präsident Donald Trump bis auf weiteres nicht wieder zugelassen werden. Darüber soll ein noch neu zu schaffendes Gremium urteilen, dass – ähnlich wie bei Facebook – darüber entscheidet, wie und wo den Meinungsäußerungen Leitplanken gesetzt werden und ab wann einem Twitter-Nutzer das Megafon abgestellt wird.

Wichtige Werbekunden haben ihre Budgets bei Twitter eingefroren

Genau genommen, finden Analysten, hätte Musk am Wochenende gleich bei sich anfangen müssen. Der Tesla-Boss hatte seinen 113 Millionen Twitter-Abonnenten im Zusammenhang mit dem Attentat auf den Ehemann der demokratischen Top-Politikerin Nancy Pelosi eine hanebüchene Verschwörungstheorie weitergeleitet. „Womöglich steckt hinter der Geschichte mehr, als man auf den ersten Blick glaubt“, schrieb Musk wörtlich. Als eine Welle der Empörung über ihn hereinbrach, löschte der für seine Impulsivität bekannte Unternehmer den Eintrag.

Für viele Werbekunden Twitters könnte das und die offene Frage, wie künftig Inhalte auf der Plattform moderiert oder zensiert werden, den Ausschlag gegeben haben, massiv auf die Bremse zu treten.

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Der Autohersteller General Motors, der Pharmakonzern Pfizer und der US-Lebensmittel-Riese General Mills haben ihre Werbe-Budgets bis auf weiteres eingefroren. Auch global aktive Werbe-Multis wie Havas Media und Interpublic Group (IPG), die milliardenschwere Etats verantworten, empfehlen ihren Kunden, vorläufig die Finger von Twitter zu lassen.

„Zurzeit können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass Twitter ein sicherer Ort für Marken ist“, erklärtet IPG. Dem folgte am Freitag auch der deutsche Volkswagen-Konzern, der nicht nur in den USA in direkter Konkurrenz zu Musks E-Mobil-Firma Tesla steht.

Musk verspricht Investoren Verfünffachung des Umsatzes

Anzeigen-Partner, die das Weite suchen aus Sorge vor einem für sie unvorteilhaften Umfeld – das kann Elon Musk sich nicht lange leisten. Durch seinen Kauf sind Twitter quasi über Nacht rund 13 Milliarden Dollar weitere Schulden entstanden. Um allein den Zinsdienst dafür zu bedienen, muss der Unternehmer rund eine Milliarde Dollar im Jahr einsparen.

Das ist nach Einschätzung von Markt-Beobachtern ein Grund für den jüngsten Versuch Musks, die Twitter-Endverbraucher zur Kasse zu bitten. Bereits ab der nächste Woche soll ein umstrittenes Abo für acht Dollar Monatsgebühr eingeführt werden. Nutzer, die das zahlen, erhalten ein sichtbare Häkchen an ihrem Konto-Foto, das sie als „echt” („verifiziert”) ausweist. Außerdem soll ihnen weniger Werbung aufgehängt werden.

Zunächst hatte Musk 20 Dollar pro Monat gefordert. Als der weltbekannte Horror-Roman-Autor Stephen King darauf empört mit Rückzug auf Twitter drohte, ging Musk wie auf einem Basar im Nahen Osten mit dem Preis herunter. Musk hatte Investoren zuvor versprochen, den Jahresumsatz bei Twitter von zuletzt fünf Milliarden auf rund 27 Milliarden Dollar im Jahr 2028 zu steigern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de