Berlin. Schönheits-Operationen stehen in der Kritik – ob bei Jane Fonda oder einem deutschen Designer. Ein Chirurg erklärt, was passiert ist.

Schönheit, Jugend – Attribute, auf die kaum einer verzichten will. Aber zunehmend mehren sich kritische Stimmen: Hollywoodstar Jane Fonda gibt zu, auf ihre Schönheitsoperationen im Gesicht, „nicht stolz“ zu sein. „Ich hatte ein Facelifting und habe damit aufgehört, weil ich nicht deformiert aussehen möchte. Ich bin nicht stolz darauf, dass ich eines hatte“, so Fonda im Interview mit „Vogue“.

Viele Frauen seien süchtig nach Schönheits-Operationen und würden „furchtbar“ aussehen, gibt die Schauspielerin zu bedenken. „Ich gebe es zu ,und ich sage nur, man kann süchtig danach werden. Macht es nicht weiter.“

Dr. Klaus Hoffmann, Leiter des Hautteams und der Abteilung für ästhetisch operative Medizin und kosmetische Dermatologie am Bochumer Universitätsklinikum St. Josef Hospital, kann Fonda durchaus verstehen. „Vorab ist zunächst einmal festhalten muss, dass, wenn man so will, es eine Art ,amerikanischen Operationsstil’ gibt und einen Stil, der eher europäischen oder deutschen Standards entspricht“, so der Arzt. Lesen Sie hier: Führen Selfies bei Instagram zu mehr Schönheits-Operationen?

Was ist der Unterschied der OP-Methoden in Europa und den USA?

Dr. Klaus Hoffmann: Die Amerikaner möchten gern, dass man auch sieht, dass etwas passiert ist, in Europa ist man da deutlich zurückhaltender. Viele werden sich an die Gesichter von Mikey Rourke oder auch Sylvester Stallone erinnern. Ein weiteres gutes Beispiel für eine Überoperation ist für mich auch Wolfgang Joop. Das ist jedoch nicht, was man einen deutschen oder europäischen Standard nennen kann. In aller Regel ist man hier deutlich zurückhaltender.

Was passiert beim einem Facelift?

Hoffmann: Bei einem Facelift wird durch einen Schnitt der vor dem Ohr und hinter dem Ohr verläuft die Haut eröffnet, diese von der darunter liegenden Fettschicht abgelöst und angehoben. Je nachdem wieviel Haut man löst, spricht man von einem Minilift, einem Mittelgesichtslift oder auch einem vollständigen Facelift, dies schließt dann zuweilen sogar die Stirn mit ein. Nun ist es wichtig die Anatomie, mit der man ein Facelift angeht, noch einmal zu betrachten. Dass man die Haut straffen muss ist klar. Nun will man aber keine Narben hinterlassen und auch kein künstliches Gesicht erzeugen. Daher versucht man eine bindegewebige Struktur, die alle Gesichtsmuskeln überdeckt und die abgekürzt SMASS heißt, zu straffen.

Dr. Klaus Hoffmann vom Bochumer Universitätsklinikum St. Josef Hospital
Dr. Klaus Hoffmann vom Bochumer Universitätsklinikum St. Josef Hospital © Hautteam Bochum

Was heißt das genau?

Hoffmann: Genauer nimmt man einen kleinen Streifen dieser bindegewebigen Struktur heraus und näht diese dann mit resorbierbaren Fäden wieder zusammen. Dadurch kommt es zu einer Straffung der tiefen Gesichtsstrukturen und wenn man dann die Haut auf das Ohr zurückklappt, kann man diese spannungsfrei vernähen. Da Menschen ab dem vierzigsten bis fünfzigsten Lebensjahr eine feine Falte vor dem Ohrknorpel über dem Gehörgang haben, kann man hier sehr schön die Schnittführung „verstecken“ und nach einiger Zeit, im Gesicht heilen alle Wunden relativ gut, sieht man dann die Narbe nicht mehr. Strafft man übermäßig, kann es zu Deformierungen kommen. Ich hatte zuvor schon einige Namen genannt, ich halte diese Operationen für nicht gelungen.

Was kann noch passieren?

Hoffmann: Eher selten sind schwere Blutungen und/oder aber auch Wundheilungsstörungen. Das Gesicht ist gut durchblutet und deswegen kommt es eher nicht zu Entzündungsreaktionen. Eine narbige Abheilung ist aber immer möglich. Wundheilungsstörungen sind bei jeder Operation denkbar und müssen daher besprochen werden. Selbst beim besten Operateur kann es einmal zu Nebenwirkungen kommen.

Kann es auch zum Verlust der Mimik kommen? Bei einer übermäßigen Straffung, gerade dann wenn man eben die bindegewebige Struktur in der Tiefe mitnimmt, kann es zu Bewegungseinschränkungen im Gesicht kommen. Diese übermäßige Straffung sieht aus meiner Sicht unmöglich aus und kann niemals das Ziel einer ordentlich durchgeführten Operation sein. Promis lassen sich das Gesicht ja häufig mehrfach liften.

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Ist das gut?

Hoffmann: Es gibt keine fixe Anzahl von der Anzahl, wie oft man ein Facelift durchführen sollte. In aller Regel sollte es bei einmal verbleiben. In seltenen Fällen wird man ein zweites Facelift durchführen. Ein Facelift kann auch nicht alle Probleme der Alterungsvorgänge im Gesicht lösen. So verbleiben z.B. die feinen Fältchen um den Mund, durchaus noch eine vertiefte Falte, die man Marionettenfalte nennt (die Marionette klappt das Kinn auf und zu, so nennt man die Verbindung vom unteren Mundwinkel Richtung Kinn die Marionettenfalte).

Kann man von einer Sucht sprechen?

Hoffmann: Was Deutschland betrifft: Aus meiner Sicht denke ich nicht. Es gibt heute auch andere Methoden, die häufiger eingesetzt werden.

Methoden, die geeigneter sind?

Hoffmann: Es ist so, dass wenn man mit einem Facelift das mittlere oder untere Gesicht gestrafft hat, die Bewegung auf der Stirn, in der Zornesfalte oder den Krähenfüßen noch verbleibt, so dass hier Botox eingesetzt werden kann. Ganz nebenbei bemerkt: Die häufigste Schönheitsbehandlung überhaupt. Wenn man es genau nimmt ist es daher so, dass man immer verschiedene Behandlungen benötigt und die Kombination aus denselben zum bestmöglichen Ergebnis führt. Nun liegt es im Auge des Betrachters, ob man hier von einer Sucht oder von einer Optimierung sprechen möchte. Ich würde eher von dem Versuch zum Erreichen eines optimalen Ergebnisses sprechen.

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Klingt nach vielen Schmerzen im Gesicht.

Hoffmann: Operationen im Gesicht sind überraschend wenig schmerzhaft.

Alles soll wieder straff sein – auch das Augenlid.
Alles soll wieder straff sein – auch das Augenlid. © dpa

Wie werden die OPs durchgeführt?

Hoffmann: Minilifts werden in aller Regel ambulant und in lokaler Anästhesie durchgeführt. Auf Wunsch kann ein leichter Dämmerschlaf hinzugefügt werden. In dem Augenblick wo man sehr groß und invasiv tätig wird, d.h. das gesamte Gesicht strafft und sogar die Stirnmuskulatur in Richtung Haaransatz nach oben zieht, wird man eine Vollnarkose brauchen. Diese sehr aufwendige Operation beherrschen in Europa und in Deutschland nur sehr wenige Operateure wirklich gut. Derartige Operationen sind auch sehr teuer, diese können schnell 25.000 bis 35.000 Euro kosten. Ein Minilift hingegen kostet ca. 7.000 Euro. Wir hier in Bochum operieren in aller Regel, wie gesagt, ein Minilift und kombinieren dies mit Laserbehandlungen und Fillern, dies allerdings in den letzten 24 Monaten wieder deutlich häufiger.

Hat die Pandemie den Wunsch nach Schönheit verstärkt?

Hoffmann: Insgesamt hat Corona zu einer Mehrnachfrage bei Schönheitsprozeduren geführt. Dies gilt insbesondere für Augenoperationen, Fettabsaugungen (der durchschnittliche Deutsche hat während der Corona-Zeit einige Kilo zugenommen), aber eben auch für Facelifts.

Der Trend, so heißt es, geht zum Filler?

Hoffmann: Ein anderes Stichwort ist das „Liquidlifting“, hier setzt man Filler ein, um zu Beispiel über dem Jochbein, der Kinnlinie, in der Nasolabialfalte oder der sogenannten Marionettenfalte das Volumen, das durch den Verlust von Muskulatur, Fett und Knochensubstanz am Kopf eintritt, wieder zurückzugeben. Geschätzt werden hier in Europa allein mit diesen Eingriffen gut die Hälfte aller Facelifts „eingespart“.

Sind Menschen zunehmend süchtig nach einem schönen Körper?

Hoffmann: Schönheitsbehandlungen durchführen zu lassen, ist aus meiner Sicht mindestens zum Teil auch eine Einstellung zum eigenen Körper. Man kann seinen eigenen Körper pflegen und solange es hier nicht um hoch interventionelle Eingriffe geht, halte ich es für etwas Positives, wenn man auch Schönheitsbehandlungen ins Auge fasst. Gerade wir Deutschen liegen bei Schönheitsbehandlungen eher im Mittelfeld, in den Industriestaaten eher weiter hinten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.