Berlin. Die Gasumlage steht vor dem Aus. Nun erhöht Bundesfinanzminister Christian Lindner den Druck. Dabei aber lässt er eine Frage offen.

Dass die umstrittene Gasumlage kommt, wird immer unwahrscheinlicher. Nun prescht auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor und stellt die „wirtschaftliche Sinnfrage“ hinter dem Instrument. Es brauche eine Bremse, die den Gaspreis senke, anstatt einer Umlage, die den Preis erhöhe.

Es ist eine Watsche an Lindners Kabinettskollegen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dessen Haus die umstrittene Abgabe zur Stützung strauchelnder Gasversorger erdacht hatte. Nach der Verstaatlichung von Uniper und SEFE, ehemals Gazprom Germania, wäre eine Erhebung der Gasumlage geradezu absurd: Gaskunden würden dann ein von Steuergeldern gerettetes Unternehmen zusätzlich finanzieren. Habeck, der das kommunikative Fiasko hinter der Umlage zu verantworten hat, sprach von „finanzverfassungsrechtlichen“ Zweifeln – und spielte den Ball so in Lindners Hälfte. Der FDP-Chef passt ihn nicht nur zurück, er schießt ihn Habeck regelrecht um die Ohren.

Gas: Lindner attackiert Habeck

Mit dem Stellen der „wirtschaftlichen Sinnfrage“ hält Lindner Habeck öffentlich vor, für wie unsinnig er das Konstrukt hält. Kaum jemand glaubt noch daran, dass die Gasumlage wirklich kommt. In allen Regierungsparteien mehren sich die Stimmen, dass sie gekippt werden muss. Zugleich fordert Lindner Habeck dazu auf, wirksam Unternehmen und Verbraucher zu entlasten – eben mit einer Gaspreisbremse.

Interessant ist in diesem Kontext vor allem, was der Bundesfinanzminister nicht sagt: Wie das eigentlich finanziert werden soll. An der Schuldenbremse will Lindner nicht rütteln, das macht er mehr als deutlich: „Die Schuldenbremse für den Bundeshaushalt steht.“ Was Lindner hier versucht, ist nicht weniger als die Quadratur des Kreises. Er fordert wirksame Kriseninstrumente, will diese aber nicht bezahlen.

Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent.
Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Deckelung der Gaspreise würde Milliarden kosten

Zum Vergleich: Großbritannien lässt sich seinen Deckel auf den Gaspreis ersten Schätzungen zufolge in etwa 90 Milliarden Pfund, also rund 100 Milliarden Euro, kosten. Selbst, wenn der Bund zunächst nur den Bedarf ausgleichen würde, den die Versorger über die Gasumlage angemeldet haben, würde das im Haushalt ein Loch von 36 Milliarden Euro reißen – die Schuldenbremse wäre in einem solchen Szenario unmöglich zu halten.

Lindner hat gerade erst angemerkt, dass es in puncto Schuldenbremse um ihn herum einsam werde. Selbst die Union hat das Instrument mittlerweile begraben und fordert stattdessen einen Gaspreisdeckel – was besonders bemerkenswert ist, schließlich sind die Christdemokraten vehemente Gegner von Deckeln jeglicher Art (ausgenommen Bierdeckel, auf denen man Steuererklärungen schreibt). Bei SPD und Grünen ist die Forderung nach einem Aussetzen der Schuldenbremse längst zu einem Grundrauschen geworden.

Für die FDP ist die Schuldenbremse ein Aushängeschild

Zwei Jahre lang war die Schuldenbremse im Zuge der Corona-Pandemie ausgesetzt. Es wurde geklotzt statt gekleckert. Der Plan, nach dieser Zeit zu soliden Staatsfinanzen zurückzukehren, war richtig. Für die FDP aber ist sie besonders wichtig. Die Schuldenbremse ist eines der Hauptaushängeschilder der Partei. Kippt sie, erhöht sich der Druck auf Lindner. Nur ist die jetzige Krise womöglich noch gefährlicher als die Corona-Krise – für die Wirtschaft, aber auch für den sozialen Zusammenhalt im Land.

Sich in dieser Situation gegenseitig in die Ecke zu drängen, wird den Regierungspartnern der Ampel-Koalition nicht helfen. Es ist ein Zeichen von Hilflosigkeit in einer Zeit, in der es Führungsstärke bräuchte. Lindner und Habeck müssen sich zusammenraufen – und gemeinsam tragfähige Lösungen präsentieren, wie sie das Land aus der Krise führen wollen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.