Berlin. Der Wohnungsbau steckt in einer Krise. Die Ampel-Koalition wird ihre Ziele wohl krachend verfehlen. Für Mieterhaushalte ist das bitter.

400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 Sozialwohnungen – dieses Ziel hat Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf versprochen und daran hält seine Bauministerin Klara Geywitz fest – allen Unkenrufen zum Trotz. Dabei ist nach nicht einmal einem Jahr mehr als absehbar: Die Ampel-Koalition wird ihr Vorhaben krachend verfehlen.

Gebaut wird in diesen Tagen kaum noch. Schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine war die Situation für den Wohnungsbau kompliziert. Noch immer ruckelten Lieferketten, es fehlte an Material. Dann stiegen die Bauzinsen so rasant wie nie. Garniert wurde diese Entwicklung von einem doppelten Zusammenbruch der Förderpolitik der Ampel-Koalition – ein Fehler, auf den die Regierung bis heute nur unzureichende Antworten gefunden hat. Mit der Energiekrise verteuerten sich die Preise für Baumaterialien weiter. In den Statistiken war die tiefe Krise, auf die der Wohnungsbau zusteuert, zunächst im privaten Bereich zu beobachten. Die Baugenehmigungen von Ein- und Zweifamilienhäusern brachen ein.

Wohnen: Im Wohnungsbau droht der Kollaps

Nun bahnt sich der Kollaps auch im Baugeschehen von Mietwohnungen an. Gerade bei kommunalen und genossenschaftlichen Trägern geht in diesen Tagen die Angst um, durch Zahlungsausfälle von Mietern im Zuge der Energiekrise selbst in Liquiditätsprobleme zu geraten. An neue Bauprojekte ist in einer solchen Phase nicht zu denken. Bekommt die Ampel-Koalition die Energiekrise nicht in den Griff, würgt sie den Neubau völlig ab.

Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent.
Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Das ist zunächst vor allem für Mieterinnen und Mieter in den nach wie vor angespannten Wohnungsmärkten der Großstädte ein Problem. Zwar tritt die Belastung durch die Kaltmiete angesichts horrender Zahlungen bei den Nebenkosten derzeit für viele an zweite Stelle – gelöst ist das Problem aber keineswegs. Mietervereine berichten von einer erhöhten Anzahl von Indexmietverträgen, bei denen die Mietsteigerungen im Rahmen der Inflationsrate angepasst werden können.

Wer in einem angespannten Wohnungsmarkt lebt, hat oft keine andere Wahl, als einen solchen Mietvertrag zu akzeptieren – das Angebot ist rar. Die Teuerungsrate wird so schnell nicht aber auf ihren erwünschten Rahmen von zwei Prozent pro Jahr zurückgehen. Für manche Mieterhaushalte wird es neben den Energiekosten also auch bei den Mietanpassungen richtig teuer werden.

Rekordpreise für Immobilien nützen vielen Eigentümern wenig

Viele Eigentümer können sich derzeit zumindest darüber freuen, dass ihre Immobilien Rekordpreise erzielen würden, wie der Immobilienverband Deutschland gerade herausgefunden hat. Das allerdings nützt oft auch nur auf dem Papier etwas. Wer keine weiteren Rücklagen hat, den trifft die Energiekrise hart. Und viele wollen ihr Eigenheim natürlich nicht verkaufen – Rekordpreise hin oder her.

Hinzu kommt: Wie lange die Nachfrage die Preise stützt, ist völlig unklar. Gerade ältere Immobilien, die im Zuge der anrollenden Sanierungswelle eher früher als später kostspielig saniert werden müssen, werden zunehmend schwerer zu veräußern sein. Werden sie aber perspektivisch nicht saniert, dann kann der Bund neben seinen Neubauzielen seine Klimaziele im Gebäudesektor gleich mit begraben.

Seit Jahren haben Mieterbund und Wohnungswirtschaft gemeinsam darauf hingewiesen, dass Deutschlands Gebäude energetisch nicht fit sind und die Zeche für viele Haushalte immer höher ausfällt. Bund und Länder zuckten die Schultern. Als absurd hoch wurden die Forderungen nach einer effizienteren Förderung zurückgewiesen. Nun ist das Chaos perfekt. Vielen Haushalten droht die finanzielle Überlastung. Und aus den schlecht gedämmten Häusern entweicht die Energie, die der Staat so dringend einsparen will.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.