Berlin. Wie geht es mit dem 9-Euro-Ticket weiter? An diesem Montag treffen sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern. Wo es jetzt hakt.

Das 9-Euro-Ticket war ein voller Erfolg, da sind sich sowohl die Bundesländer als auch die Ampelkoalitionsparteien einig. Weniger konsensreif ist hingegen die Frage, wie die Finanzierung eines bundesweiten Nachfolge-Tickets zwischen beiden Seiten aufgeteilt werden kann. Während sich die Länder nach der Sondersitzung der Verkehrsminister am 26. August darauf einigten, die Bundesregierung müsse für die vollständige Finanzierung aufkommen, kündigte diese im dritten Entlastungspaket an, eine Nachfolgeregelung des 9-Euro-Tickets – ein 49- bis 69-Euro-Ticket – mit 1,5 Milliarden Euro zu bezuschussen. Die gleiche Summe müsse jedoch von den Ländern aufgebracht werden.

Am Montag treffen sich die Verkehrsministerinnen und -minister erneut, um mit ihrem Amtskollegen auf Bundesebene, Volker Wissing (FDP), über eine Lösung des Finanzierungsdilemmas zu sprechen. In einer Umfrage dieser Redaktion unter den Ländern wird deutlich: Der Vorstoß des Bundes stößt bei manchen sauer auf.

Kritik am Vorstoß der Bundesregierung zur Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern

„Bedauerlich ist, dass ein Teil der Koalition in Berlin offenbar nicht den Mut hatte, die Finanzierung einer Nachfolgeregelung durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen, wie dem Dienstwagenprivileg zu finanzieren, sondern die Kosten zur Hälfte den Ländern und Kommunen zuschiebt“, erklärt das Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) attestiert der Bundesregierung schlechten Stil, weil sie sich für ein Entlastungspaket feiern lasse, „das nun die Länder ohne vorherige Abstimmung mitfinanzieren sollen. So kann man nicht miteinander umgehen. Die Krise, in der wir uns befinden, ist viel zu ernst für parteitaktische Spielchen.“

Thüringens Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke) pocht darauf, dass ein Nachfolgeticket vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden müsse, und verweist auf den Beschluss der Sondersitzung der Verkehrsministerien.

Länder fordern erhöhte Zuschüsse für Infrastruktur

Andere Bundesländer zeigen hingegen größere Verhandlungsbereitschaft, sehen aber den Bund zunächst in der Pflicht, alte Versprechen einzuhalten und aufgrund der Energiekrise zusätzliche Hilfe zu leisten. „Die zur Diskussion stehende Preisspanne würde den Menschen in Hamburg und im Umland dauerhaft eine sehr deutliche Entlastung bringen und gleichzeitig nachhaltig die Mobilitätswende unterstützen“, freut sich Hamburgs Verkehrssenatorin Anjes Tjarks (Grüne) über die Pläne der Ampelkoalition. „Hamburg wird diese Diskussion konstruktiv begleiten.“

Dennoch betont sie, dass das 9-Euro-Ticket Schwächen in der bestehenden Infrastruktur aufgezeigt habe. „Auch hierfür benötigen die Länder ausreichende finanzielle Mittel, der Bund steht bei den Regionalisierungsmitteln in der Pflicht. Das sind zwei Seiten derselben Medaille.“

Eine Forderung, die von den anderen Bundesländern geteilt wird und Teil des Beschlusses nach der jüngsten Verkehrsministerkonferenz war. Die im Koalitionsvertrag für das Jahr 2022 zugesagte Erhöhung der Regionalisierungsmittel für die Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) der Länder in Höhe von 1,5 Milliarden Euro müsse alsbald umgesetzt werden. Zusätzlich sei aufgrund der enormen Kostensteigerungen im Bereich Energie und Kraftstoffe in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine eine weitere Finanzspritze notwendig: Jeweils 1,65 Milliarden Euro für die Jahre 2022 und 2023. „Wir dürfen die ÖPNV-Infrastruktur nicht vernachlässigen, der Preis macht hier nicht allein das Angebot“, heißt es aus Rheinland-Pfalz.

Bremen: Kostenaufteilung nach Schlüssel

Erst wenn diese finanzielle Basis geschaffen werde, könne verhandelt werden. „Es ist nicht zielführend, nur über die Nachfolge des 9-Euro-Tickets zu debattieren und parallel müssen Verkehre aufgrund der gestiegenen Kosten abbestellt werden“, gibt Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) zu bedenken. In Schleswig-Holstein herrscht gar die Sorge, „dass mittel- und langfristig Verkehrsleistungen abbestellt werden müssen, weil das dafür nötige Geld zugunsten eines Billig-Tickets verwendet wurde“, wie es aus dem zuständigen Ministerium in Kiel heißt.

Doch in welcher Höhe wären die Länder bereit, sich zu beteiligen? Dahingehend gab es vor der Sondersitzung am Montag keine konkreten Aussagen. Lediglich aus Bremen kamen vage Andeutungen: „Teilt man dies [1,5 Milliarden Euro des Bundes, Anm.d.Red.] nach dem Schlüssel auf, wie wir es beim Corona-Rettungsschirm gemacht haben, würde Bremen eine solche Finanzierung mittragen“, erklärt die Pressestelle des Mobilitätssenats.

Übergangslösungen und Alleingänge in den Bundesländern

Die Höhe des Bundeszuschusses wird dort kritisch bewertet, da 49 Euro im Monat „immer noch eine Stange Geld sind“. Auch im Saarland ist man sich sicher, dass die in Aussicht gestellte Summe der Ampelkoalition für ein bundesweites Ticket „dynamisiert“ werden müsse, um ein langfristiges Tarifangebot zu gewährleisten. „Mein Vorschlag ist und bleibt, ein 31-Euro-Ticket für Bedürftige und ein 69-Euro-Ticket für alle anderen einzuführen“, wirft wiederum der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in den Raum.

Während beispielsweise in Hessen oder Niedersachsen bereits vergünstigte ÖPNV-Angebote für bestimmte Zielgruppen, wie Schülerinnen und Schüler sowie Rentnerinnen und Rentner, bestehen, wollen manche Bundesländer ihre Bürgerinnen und Bürger mit einer Übergangslösung bis zur Einführung des bundesweiten Tickets entlasten. So ist im Hamburger Verkehrsverbund unter anderem eine 5er-Tageskarte für einen 23 Prozent günstigeren Preis als für fünf einzelne Tageskarten vorgesehen.

In Berlin wurde sich kürzlich auf ein 29-Euro-Ticket pro Monat geeinigt. In Mecklenburg-Vorpommern bringt Wirtschafts- und Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) mehr als eine Übergangslösung ins Spiel: „Eine vorstellbare Lösung für Mecklenburg-Vorpommern wäre ein 365-Euro-Ticket, welches für ein Jahr gelten würde. Ein Euro pro Tag im Jahr.“