Berlin. Deutschland entsendet nun doch Panzer in die Ukraine. Warum die späte Entscheidung ein wichtiger Kurswechsel der Bundesregierung ist.

Also doch. Gut zwei Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine genehmigt Deutschland erstmals die Lieferung schwerer Waffen nach Kiew. Die Verschickung des Flugabwehrpanzers Gepard und die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland sind ein wichtiger Wendepunkt im Kurs der Bundesregierung.

Die Frage stellt sich jedoch, warum der Meinungsbildungsprozess so lange gedauert hat. Die Bundesregierung hat sich schwergetan und oft nach Ausflüchten gesucht. Emissären aus Kiew wurde zu Beginn des Krieges in Berlin bedeutet, dass Waffenlieferungen tabu seien – die Ukraine werde ohnehin in wenigen Tagen überrannt. Danach pochte die Koalition auf Geheimhaltung, obwohl die Ukraine ihre Wünsche offen geäußert hatte und andere Länder die Entsendung ihrer Waffen auflisteten.

Schließlich hieß es, dass die Bundeswehr blank sei und das Training ukrainischer Kräfte zu lange dauere. Es drängte sich der Verdacht auf, dass die Bundesregierung – vor allem von SPD-Seite – den russischen Präsidenten Wladimir Putin unter keinen Umständen provozieren wollte. Eine moralisch fragwürdige Position, da dessen Truppen einen brutalen Vernichtungskrieg angezettelt hatten.

Ukraine-Krieg: In der Regierung herrschte lange das große Schweigen

Flankiert wurde die deutsche Zögerlichkeit durch einen führungsschwachen Bundeskanzler. Olaf Scholz hatte am 27. Februar zwar in einem mutigen Wurf die „Zeitenwende“ eingeläutet. Das Bekenntnis zu einer starken Verteidigung und die deutliche Antwort auf Russlands Einmarsch waren richtungsweisend. Aber die konkreten Schritte blieben aus. Während die Briten Anti-Schiffs-Raketen und Polen sowie Tschechen Kampfpanzer in die Ukraine schickten, tauchte Scholz ab. Kriegszeiten sind Kommunikationszeiten – der Kanzler muss einer beunruhigten Bevölkerung Wegweisung, Erklärung und Ermutigung geben. Stattdessen regierte das große Schweigen.

Das Vakuum füllten Spitzenpolitiker der SPD-Koalitionspartner aus: Insbesondere Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) machten sich für die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine stark. Sie wurden zu Schrittmachern der deutschen Debatte, Scholz war Getriebener.

Allerdings stellt sich die Frage: Wenn Deutschland Gepard-Flugabwehrpanzer in die Ukraine entsendet – wäre es dann nicht auch legitim, Marder-Schützenpanzer oder Leopard-Kampfpanzer zu schicken? Es handelt sich in allen Fällen um Waffen, die von der Bundeswehr ausgemustert wurden. Die Logik ist überall gleich: Die Ukraine wurde von Russland attackiert. Sie hat das Recht zur Selbstverteidigung. Der Westen kämpft nicht gegen Russland. Er hilft der Ukraine, ihre Souveränität zu wahren.

Der Westen muss fest und geschlossen gegen Moskau auftreten

Das Moskauer Propaganda-Narrativ ist hingegen viel größer angelegt. Der Freiheitskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer wird bewusst ausgeblendet. Die Regierung in Kiew gilt als Marionetten-Regime des Westens, ein künstliches Produkt ohne wirkliche Daseinsberechtigung. Dahinter steckt ein imperiales Denken in Einflusssphären. Moskau nimmt für sich in Anspruch, willkürlich Grenzen zu verschieben. Gestern auf der Krim, heute im Donbass und morgen vielleicht in Litauen.

Die Amerikaner wollen genau das verhindern. Sie reagieren auf den russischen Aggressionskurs mit einer Eindämmungsstrategie, die über die Ukraine hinausgeht. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bringt die Wende seiner Regierung auf den Punkt: Moskau soll durch die Stärkung der ukrainischen Verteidigung derart geschwächt werden, dass es weitere Invasionsabenteuer künftig unterlässt. Das ist nicht ohne Risiko – aber es wird umso geringer, je fester und geschlossener der Westen auftritt.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.