Berlin. Das Rentensystem in Deutschland ist kompliziert. Kein Wunder, dass sich hartnäckige Mythen halten. Doch was davon trifft wirklich zu?

  • Um die gesetzliche Rente ranken sich in Deutschland viele Mythen
  • Bei welchen davon handelt es sich um Irrtümer und welche stimmen?
  • Wir klären die größten Mythen bei der Rente auf

Wie verhält es sich wirklich mit Rente und Steuer? Wie entscheidend sind die letzten Berufsjahre für die Rente? Ist die Witwenrente wirklich nur für Witwen? Hartnäckig halten sich in Deutschland Irrtümer als Antwort auf diese Fragen. Kein Wunder, denn das Rentensystem ist alles andere als einfach zu durchschauen. Unser Überblick über die größten Renten-Mythen klärt auf.

Irrtum Rente Nr.1: Rentner und Rentnerinnen müssen keine Steuern zahlen

Das ist falsch. Zwar zahlen viele Rentner und Rentnerinnen keine Steuern. Dass liegt aber nicht daran, dass sie es prinzipiell nicht müssen. Wie für jeden anderen Bürger in Deutschland auch werden für Rentner und Rentnerinnen dann Einkommensteuern fällig, wenn sie nach Abzug aller absetzbaren Kosten den Grundfreibetrag überschreiten. Der liegt 2022 bei 10.347 Euro für Alleinstehende. Für Paare gilt der doppelte Wert.

Für Rentner und Rentnerinnen gibt es aber in der Tat eine Besonderheit. Denn nur ein Teil ihrer gesetzlichen Rente wird für die Berechnung der Einkommenssteuer herangezogen. Das ist der steuerpflichtige Rentenanteil. Für alle, die 2022 in den Ruhestand gehen, liegt er bei 82 Prozent.

Der steuerpflichtige Rentenanteil ist für jeden Jahrgang unterschiedlich. Denn die Renten sollen nach den Reformplänen der Ampel-Koalition bis 2060 zu 100 Prozent besteuert werden. Daher wird der steuerpflichtige Anteil Jahr für Jahr um einen halben Prozentpunkt erhöht. Zusammen mit der Rentenerhöhung sorgt dass dafür, dass immer mehr Rentner und Rentnerinnen den Grundfreibetrag übersteigen und Steuern zahlen müssen.

Irrtum Rente Nr. 2: Die Rente kommt im Ruhestand automatisch auf das Konto

Den allerletzten Tag auf der Arbeit und im nächsten Monat trudelt das Geld von der Rentenversicherung automatisch auf das Konto? Da denken Sie leider falsch. Prinzipiell gilt in Deutschland: Wer die gesetzliche Rente nicht beantragt, bekommt sie nicht. Die Rentenversicherung empfiehlt, den Antrag mindestens drei Monate vor dem gewünschten Eintritt in den Ruhestand zu stellten.


Irrtum Rente Nr. 3: Nur Angestellte haben Anspruch auf die gesetzliche Rente

Es ist richtig, dass Angestellte in Deutschland verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das heißt aber andersherum nicht, dass alle anderen automatisch ausgeschlossen sind. Selbstständige, Freiberufler und Co. können freiwillig in die gesetzliche Rente einzahlen. Genauer gesagt ist das für jeden möglich, der mindestens 16 Jahre alt ist, in Deutschland wohnt und noch keine Altersrente erhält. Auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die im Ausland leben, können freiwillig einzahlen.

Die Höhe dieser Beiträge können die freiwillig Versicherten im Gegensatz zu den Angestellten frei bestimmen. Aktuell sind es monatlich zwischen 83,70 Euro und 1311,30 Euro. Die Höhe der freiwilligen Beiträge kann zudem jederzeit geändert werden. Auch das nachträgliche Zahlen dieser Beiträge ist möglich. Freiwillige können dies immer bis zum 31. März des aktuellen Jahres rückwirkend für das vorangegangene Jahr tun.

Irrtum Rente Nr. 4: Nur wer einzahlt, kann gesetzliche Rente beziehen

Entscheidend für den Erhalt der Rente ist nicht die Höhe der Einzahlung in die Rentenversicherung, sondern die Anzahl der Monate in denen Beiträge eingezahlt wurden. Die sogenannte Mindestversicherungszeit beträgt fünf Jahre. Und diese Zeit lässt sich tatsächlich erreichen, ohne je einen Cent in die Rentenversicherung eingezahlt zu haben. Eltern können zum Beispiel Kindererziehungszeiten anrechnen lassen. Für jedes Kind, dass vor 1992 geboren wurde, kann sich ein Elternteil zweieinhalb Jahre anrechnen lassen. Für jedes Kind, dass später geboren wurde, sind drei Jahre anrechenbar.

Die Rentenversicherung geht für diese Zeit praktisch davon aus, dass das Elternteil ungefähr den Durchschnittslohn verdient hätte und schreibt dementsprechend Entgeltpunkte für das Rentenkonto gut. Bei zwei Kindern kann es demnach schon einen Anspruch auf die gesetzliche Rente geben.

  • Neben der Kindererziehungszeit lassen sich noch weitere Zeiten als Beitragsmonate anrechnen:
  • Monate, in denen man sich ohne Bezahlung der häuslichen Pflege von Angehörigen gewidmet hat
  • Monate aus dem Rentensplitting von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnerschaften
  • Unter bestimmten Voraussetzungen zählen auch Monate, in denen man Kranken-, Arbeitslosen-, oder Übergangsgeld bezogen hat

Irrtum Rente Nr. 5: Nur Frauen haben Anspruch auf die Witwenrente

Dieser Irrtum kommt nicht von ungefähr. Denn de facto hatten bis 1986 tatsächlich nur Frauen nach dem Tod des Ehepartners Anspruch auf die Witwenrente. Seitdem sind Männer und Frauen bei der Rentenversicherung jedoch gleichgestellt, was die Hinterbliebenenrente angeht, zu der neben der Witwen- und Witwer- auch die Waisen- und Erziehungsrente gehören.

Voraussetzung für den Erhalt der Witwer- oder Witwenrente ist, dass der oder die Verstorbene die Mindestversicherungszeit erreicht hat.

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Infos zur Waisenrente

  • Waisenrenten werden in Deutschland seit dem 1. Juli 2015 nicht mehr mit anderweitigem Erwerbseinkommen der Betroffenen verrechnet
  • Das ist besonders für Auszubildende oder Studierende mit einem Nebenjob von Bedeutung
  • Seit 2017 müssen Halb- und Vollwaisen von ihrer Rente zudem auch keine Beiträge mehr für die Kranken- und die Pflegeversicherung abführen

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Irrtum Rente Nr. 5: Die letzten fünf Jahre vor der Rente sind entscheidend

Die Höhe der Rente wird nicht allein abhängig vom Gehalt der letzten fünf Berufsjahre berechnet, sondern über die gesamte Dauer des Arbeitslebens. Jedes Jahr setzt die Rentenversicherung das Jahresgehalt der oder des Versicherten in Relation zum Durchschnittsgehalt aller Versicherten. Liegen beide Gehälter gleich auf, wandert exakt ein Entgeltpunkt aufs Rentenkonto. Liegen die Gehälter unterschiedlich hoch, gibt es auch prozentual mehr oder weniger Entgeltpunkte. Aus diesen über das ganze Arbeitsleben gesammelten Entgeltpunkten errechnet sich nach dem Renteneintritt die Höhe der Bezüge.

Dieser Mythos hat jedoch einen realen Hintergrund. Denn für die Pensionen von Beamten hat das Gehalt aus den letzten Jahren vor dem Ruhestand im Gegensatz zu normalen Angestellten durchaus eine hohe Bedeutung. Pro Dienstjahr erhalten Beamte eine Pensionsanspruch von 1,79375 Prozent der anrechenbaren Dienstbezüge. Bei diesen anrechenbaren Dienstbezügen handelt es sich in der Regel um das Gehalt aus den letzten zwei Dienstjahren. (jasc)

Dieser Artikel erschien zuerst bei waz.de.