Berlin. Die Ukraine-Krise könnte für die Gasversorgung zum Problem werden. Warum die Politik viele Fehler in der Energieversorgung gemacht hat.

Eine alte Börsenweisheit gilt nicht nur für Finanzanlagen, sondern auch fürs Leben: „Legen Sie nie alle Eier in einen Korb.“ Verteile das Risikokapital auf verschiedene Aktien, dann bleibt dir auch beim Ausfall eines Unternehmens noch etwas erhalten. Wer trotzdem alles auf eine Karte setzt, darf sich in Krisen wie dem Ukraine-Krieg nicht wundern, wenn sein Lebensmodell zusammenbricht. Größtmögliche Sicherheit und Handlungsfreiheit bewahren sich nur jene, die breit aufgestellt sind.

Und hier hat Deutschland bei der Energieversorgung schwerste Fehler gemacht und blauäugig versagt. Seit den 1970er-Jahren – beginnend mit dem Erdgasröhren-Geschäft unter Willy Brandt – haben die früheren Bundesregierungen auf die Sowjetunion und später auf Russland als Energielieferanten gesetzt und die Beziehungen stetig ausgebaut. Politisch wurde auf „friedliche Koexistenz und Entspannung“ oder „Wandel durch Handel“ vertraut. Gleichzeitig hat man sich wie ein Junkie in immer stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit eines despotischen Systems begeben. Die Droge hieß: Energie für günstiges Geld.

Doch wie hoch der Preis tatsächlich ist, entpuppt sich jetzt im Ukraine-Krieg: Deutschland ist in Europa das einzige westliche Land, das die Sanktionen für einen Gasbezugsstopp aus Russland nicht mittragen will und kann, da hierzulande sonst schlimmste volkswirtschaftliche Einbrüche drohen. Putin nutzt im Krieg gezielt seine Energie- und Rohstofflieferungen als politische Waffe. Das hat zwar nie jemand gehofft, aber es kommt auch nicht überraschend.

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Ukraine-Krieg: Viele haben vor Putin gewarnt – ohne Erfolg

Beate Kranz ist Wirtschaftsredakteurin der Funke Medien Gruppe
Beate Kranz ist Wirtschaftsredakteurin der Funke Medien Gruppe © Reto Klar | Reto Klar

Niemand darf behaupten, Deutschland wurde nicht gewarnt. US-Regierungen, EU-Länder, aber auch Ökonomen haben die deutsche Politik immer wieder dafür kritisiert, sich von Russland abhängig zu machen.

Deutschland wurde für seine Gasimporte als geopolitisches Machtinstrument in der Hand des Kremls angeprangert. Doch die Kritik verpuffte bei Sozial- und Christdemokraten gleichermaßen. Deutsche Politiker verteidigten selbst Nord Stream 2 bis zuletzt als „rein wirtschaftliches“ Projekt – als harmlos.

Aktuell bekommt Deutschland noch 40 Prozent seines Gases aus Russland, 2021 waren es noch 55 Prozent. Es ist die Achillesferse der deutschen Wirtschaft. Wird der Gaszufluss gestoppt, trifft dies die deutsche Industrie mit voller Wucht. Denn Ersatz ist nicht schnell verfügbar – schon gar nicht sofort.

Deutschland steht somit mit dem Rücken zur Wand und deutlich schlechter da als alle Nachbarn wie Frankreich, Spanien oder Großbritannien, die kaum oder gar kein Gas aus Russland beziehen.

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Ukraine-Krise: Gasversorgung nur aus demokratischen Ländern

Beängstigende Worte wie „Energie-Triage“ machen bereits die Runde. Im Klartext: Welches Unternehmen wird zuerst vom Gashahn abgeklemmt? Wer muss im Notfall seine Produktion stilllegen? Drohen gar eine wirtschaftliche Rezession oder Massenarbeitslosigkeit?

Wer am Ende betroffen ist, werden Bundesnetzagentur und Bundesregierung situationsbedingt entscheiden, wenn der Notfall eingetreten ist. Klar ist nur: Verbraucher und wichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser sollen als Letzte Verzicht üben, könnten aber schon jetzt durch weniger Heizen und Duschen kräftig beim Sparen helfen.

Die neue Bundesregierung muss sich nun mehr denn je um neue Partner bemühen und sich diverser aufstellen. Es braucht Energie, möglichst von Ländern mit stabilen Demokratien wie den USA, Kanada oder auch Südafrika. Ein Kernkriterium sollten dabei die Menschenrechte in den Lieferländern sein. Deutschland darf nicht ein weiteres Mal versagen und demokratische Werte und politische Grundsätze seinem Energiehunger opfern. Sonst wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.